Hochhäuser der Zukunft

Obsternte im Wolkenkratzer

25.03.2014
Von Thomas Kuhn und Dieter Dürand

Geradezu revolutionär

Geradezu revolutionär ist das Energiekonzept. Zwei Blockheizkraftwerke (BHKW) versorgen das Allzweckgebäude mit Strom und Wärme. Die Maschinen verbrennen Methangas, das spezielle Algen auf dem Wege der Fotosynthese und unter Zugabe von CO2 aus den BHKW-Abgasen produzieren. Die Kleinstlebewesen wachsen in großen Tanks im Untergeschoss und in Panelen an der Außenfassade heran.

Auch an die Wirtschaftlichkeit haben die Entwickler gedacht. Überschüssige Wärme aus den BHKWs und dem Rechenzentrum könnten die Immobilienbesitzer an Wärmenetzbetreiber verkaufen oder mit ihr die Gewächshäuser beheizen. Die Biomasse der Algenabfälle wiederum soll später zu einem Grundstoff für Kosmetika und Kunststoffe werden.

Noch existiert das Multifunktionshaus von Fronk und Schenk erst auf dem Papier. Doch die beiden Zukunftsplaner sind zuversichtlich, dass die Technik der Biogasgewinnung aus Algen in spätestens zehn Jahren so weit ist, dass sie mit dem Bau der ersten Gebäude beginnen können.

Da sind der österreichische Bauunternehmer Hubert Rhomberg und der kanadische Architekt Michael Green schon weiter. Die Holzbau-Pioniere haben bewiesen, dass sich auch Hochhäuser aus dem nachwachsenden Rohstoff bauen lassen - und die Befürchtung widerlegt, sie könnten schneller in Brand geraten als solche aus Stahl und Beton.

Ein wichtiger Schritt. Denn neben einer ressourcenschonenden Architektur zählt der Umstieg auf ökologische Baustoffe zu den wichtigsten Maßnahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

Der Umwelt käme es massiv zugute, würden Hochhäuser künftig im großen Umfang aus Holz errichtet. Das haben Experten der Internationalen Energieagentur errechnet. Demnach werden bei der Herstellung von zehn Kilogramm Zement bis zu neun Kilogramm CO2 freigesetzt. Holz dagegen entzieht der Atmosphäre Kohlendioxid und speichert es als Kohlenstoff.

Das ist nicht der einzige Vorteil. Rhomberg hat mit seinem Unternehmen Cree, einer Tochter der Rhomberg Holding, deren rund 2.000 Beschäftigte er ebenfalls führt, ein Stecksystem für die Rohbauteile entwickelt. Fünf Monteure schaffen bis zu zwei Etagen am Tag. Stahlbetonbauer brauchen dafür bis zu zwei Wochen.

Ähnlich baut Architekt Green. Die Pläne für zwei 30-geschossige Holzbauten im kanadischen Vancouver und auf der ehemaligen New Yorker Gefängnisinsel Roosevelt Island hat er fertig in der Schublade. Für ihn gibt es keinen ökologischeren Baustoff. Heute gingen auf das Konto der Bauwirtschaft rund 40 Prozent des globalen Energie- und Ressourcenverbrauchs. "Mit Holz können wir die Bilanz drastisch verbessern", glaubt Green.

Doch so einfach geben sich die Bautraditionalisten nicht geschlagen und kontern ihrerseits mit einem Feuerwerk an Innovationen. Sie sollen Bauten ebenfalls wirtschaftlicher, ökologischer und überdies sicherer machen. Alles zusammen treibt laut einer Studie der Londoner Marktanalysten von Navigant Research massiv die Nachfrage nach grünen Baumaterialien. Bis 2020 werden die Umsätze mit Dämmstoffen, Isoliergläsern und Dachbegrünungen weltweit von heute gut 100 Milliarden Dollar auf etwas mehr als 250 Milliarden Dollar zulegen - am stärksten in Europa.

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