Unternehmenssinn

Ohne Purpose keine Fachkräfte

Seit mehr als 20 Jahren begleitet Dörte Wittenberg Organisationen bei der strategischen Neuausrichtung und Transformation. Sie war dabei sowohl in internationalen Corporate-Funktionen, im Mittelstand als auch im Universitätsumfeld tätig. Unter der Marke BEING GOOD COMPANY hilft sie Management und Führungsteams, strategische Ziele, Sinn und ein gutes Miteinander zu vereinen.
Viele Unternehmer haben das Thema Sinnstiftung noch nicht auf der Agenda. Zu Unrecht - denn Purpose entscheidend im Kampf um die Talente sein.
Neben Höhe des Gehalts und Karrierechancen spielt der Zweck, neudeutsch Purpose, eine zunehmend wichtige Rolle bei der Jobauswahl junger Talente.
Neben Höhe des Gehalts und Karrierechancen spielt der Zweck, neudeutsch Purpose, eine zunehmend wichtige Rolle bei der Jobauswahl junger Talente.
Foto: Lomb - shutterstock.com

"Ich wäre lieber ohne Job als unglücklich bei der Arbeit", sagt ein Drittel der Studienteilnehmer des Randstad Work Monitors 2022. Über 40 Prozent der jungen Talente würde keinen Job akzeptieren, der nicht mit ihren Werten übereinstimmt. Trotzdem haben viele Unternehmen das Thema "Purpose" noch nicht als Alleinstellungsmerkmal im "war for talents" erkannt. Dabei gibt es einfache Schritte, eine Organisation sinnorientiert zu gestalten.

Doch was genau steht eigentlich hinter diesen Begriffen?

Purpose oder Sinn - eine Definitionsfrage

Purpose und Sinn werden meist synonym verwendet. Aus dem Englischen übersetzen, lässt sich Purpose am Ehesten als "Zweck" übersetzen: "Ich konstruiere Pumpen, damit Grundwasser befördert werden kann."

Etwas größer gedacht können wir auch von "Bestimmung" sprechen: also dem höheren "Sinn" einer Handlung: "Die Pumpen, die ich konstruiere, tragen dazu bei Menschenleben in wasserarmen Ländern zu retten."

Im Arbeitskontext sind Sinn und Purpose aus zwei Gründen wichtig:

  1. Sie bieten Orientierung und sind ein Bezugspunkt, auf den Menschen auch in schwierigen Situationen zurückgreifen können.

  2. Sinnorientierung schafft Motivation und erzeugt Energie für das menschliche Handeln

Aus Sicht von Unternehmen lohnt es sich also, Gestaltungsfelder zu identifizieren, die mit Sinn angereichert werden können.

Die vier Gestaltungsfelder der Sinn-Matrix

Bereits 2010 haben sich die Verhaltensforscher Dekas, Rosso und Wzresniewski Gedanken über den Sinn der Arbeit gemacht. In ihrer "Sinn-Matrix" lässt sich das Sinnerleben in vier Dimensionen unterteilen:

  1. Sinn der Tätigkeit selbst:
    Wie stark identifiziert sich der einzelne Mitarbeiter mit seiner Tätigkeit? Wie ganzheitlich wird diese empfunden?

  2. Entwicklung und Selbstverwirklichung:
    Inwiefern fördert die Arbeit die Kompetenzen und die Potenziale der Mitarbeiter

  3. Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft:
    Wie stark ist die Bindung zu den Kollegen und die Identifikation mit der Organisation

  4. Beitrag zu einer größeren Sache:
    Hat die eigene Arbeit einen direkten und positiven Einfluss auf die Umwelt?

So viel zur Theorie. Aber was können Unternehmen konkret tun, um in diesen vier Bereichen für mehr Sinnorientierung zu sorgen?

In sieben Schritten zu mehr Sinn

Von der individuellen Ebene, über Team und Kultur, bis hin zur Gesamtorganisation und der Außenwelt gibt es zahlreiche Bereiche in denen Purpose wirksam werden kann - hier finden Sie eine Auswahl von sieben einfachen Schritten, die Sie auf dem Weg zu mehr Sinnorientierung einschlagen können:

  1. Selbsterkenntnis fördern
    In diesem Punkt geht es darum den Mitarbeitern zu helfen, sich selbst und ihre Stärken besser einschätzen zu können. Die Einsatzgebiete aber auch die Weiterbildung des Mitarbeiters können so noch individueller bestimmt werden. So gelingt es, eine engere Verbindung zwischen der eigenen Person und der ausgeübten Tätigkeit herzustellen.

  2. Wertschätzung und Feedback
    In einem psychologisch sicherem Arbeitsumfeld, fällt es Menschen leichter, Zugehörigkeit zu empfinden. Dabei geht es hauptsächlich darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeiter gehört und unterstützt fühlen. Als Führungskraft können Sie selbst im Einholen von Feedback - aber auch im wertschätzenden Feedbackgeben ein Vorbild sein. Es bietet sich außerdem an, regelmäßig Retrospektiven zur gemeinsamen Spiegelung der Teamatmosphäre durchzuführen.

  3. Autonomie gewähren
    Freiheitsgrade in der Arbeit erlauben es, die eigenen Potenziale entdecken und ausschöpfen zu können. Ermöglichen Sie es Ihren Mitarbeitern die eigenen Tätigkeiten autonom zu gestalten: Zum Beispiel im Homeoffice, mit Vertrauensarbeitszeit und der eigenen Auswahl der Arbeitsmethoden. Dazu gehört ebenfalls, dass Sie als Führungskraft loszulassen: vermeiden Sie also Mikromanagement und vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern.

  4. Partizipation ermöglichen
    Eine stärkere Identifikation mit der Arbeit, sowie ein Gefühl der eigenen Wirksamkeit stellt sich durch die aktive Gestaltung von Zielen und das Mitwirken an Entscheidungen ein. Laden Sie Ihre Mitarbeiter ein, sich an strategischen Themen zu beteiligen. Zielmanagement-Methoden wie Objectives Key Results, oder Formate wie ein Ideen-Jam schaffen den geeigneten Rahmen dafür.

  5. Team-Purpose entwickeln
    Sorgen Sie dafür, dass das Thema "Sinnorientierung" auch auf Team-Ebene stattfindet. In Purpose-Workshops können Team-Mitglieder den gemeinsamen Beitrag zum Unternehmenserfolg reflektieren und daraus ihren eigenen Purpose entwickeln. Das gibt dem Team in der Zusammenarbeit Orientierung, stärkt den Zusammenhalt und stärkt die Identifikation mit dem Unternehmen.

  6. Sinnausrichtung des Unternehmens stärken
    Engagement, Gemeinwohlorientierung oder Klimaschutz - an Auswahl mangelt es meist nicht. Standards wie die Sustainable Development Goals (SDGs), die Gemeinwohlmatrix oder auch der Input ihrer Mitarbeiter, Partner und Kunden, können ihnen helfen, sich für ein geeignetes Portfolio zu entscheiden.

  7. Darüber reden und weiterentwickeln
    Gehen Sie in den Diskurs mit Ihren Mitarbeitern und Stakeholdern - und natürlich auch Ihren Bewerbern. Das ermöglicht es Ihnen zum einen, Feedback einzuholen und Ihre Sinnorientierung immer weitere voranzutreiben. Zum anderen wird Ihr Unternehmenssinn gesehen - und das lohnt sich: Laut Harvard Business Review empfehlen 90 Prozent der Befragten Unternehmen mit einem starken Purpose weiter.

Purpose: Kurzfristige Erfolge, langfristige Wirkung

Unternehmen können durch die Umsetzung von sinnorientierten Maßnahmen nicht nur ihr ethisches und moralisches Profil verbessern. Purpose ist auch ein entscheidendes Kriterium bei der Jobauswahl. Mit den richtigen Maßnahmen können Organisationen bereits kurzfristig entscheidende Änderungen anstoßen.

Dass sich auch mittel- bis langfristige Investitionen in das Thema Purpose lohnen, zeigt eine mehrjährige Studie des amerikanischen Unternehmens Korn Ferry: Purpose-orientierte Unternehmen wachsen viermal so schnell wie andere börsennotierte Unternehmen. Sinn zahlt sich also in vielerlei Hinsicht aus. (mb)

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