Healthcare IT


IT und Medizintechnik finden nicht zueinander

Patient Krankenhaus-IT

Die Betreuung und Bearbeitung des "Risiko-Managements in der IT" ist also allein in der Expertengruppe platziert. Das dürfte durchaus im Sinne des Freiburger Klinik-IT-Experten Johner sein, der fordert, ein CIO müsse das Risiko-Management in seine Arbeit integrieren, "was im Übrigen auch die ICE 80001 fordert". Das macht Marquardt zwar nicht, aber er entsendet Spezialisten, um diesem Thema nachzukommen.

"Kulturtrennung verschwand schnell"

Was für die Rhön-Klinikum-Kette das Beste ist, muss nicht auch unweigerlich für alle anderen Kliniken gelten. So hat die Universitätsklinik Heidelberg schon vor Jahren die beiden Bereiche vereint. "Eher zufällig", wie der Leiter der integrierten Informations- und Medizintechnik Björn Bergh sagt. Der damalige Leiter der Medizintechnik schied aus. Statt einen Nachfolger zu bestimmen, diskutierte man auch die Option, die Medizintechnik in der IT aufgehen zu lassen, und entschied sich dann auch auf Wunsch der Mitarbeiter dafür. Das war 2004. "Anfangs war eine Kulturtrennung in den Köpfen bemerkbar", sagt Bergh, "Doch die verschwand schnell, und heute würde, glaube ich, kein Mitarbeiter die Entscheidung rückgängig machen wollen." Unter anderem ProjekteProjekte wie die Datenintegration und StandardisierungStandardisierung der POCT-Labor- oder Monitoring-Systeme haben gezeigt, dass die Zusammenlegung der Bereiche sinnvoll war. Alles zu Projekte auf CIO.de Alles zu Standardisierung auf CIO.de

KIS als Medizinprodukt, kaum Vorteile

Gerald Götz, CIO der Sana Kliniken: "Hätte ich die Daten aus dem Messplatz direkt ins KIS laufen lassen, hätte sich der KIS-Hersteller einer MPG-Prüfung unterziehen müssen."
Gerald Götz, CIO der Sana Kliniken: "Hätte ich die Daten aus dem Messplatz direkt ins KIS laufen lassen, hätte sich der KIS-Hersteller einer MPG-Prüfung unterziehen müssen."
Foto: Sana-Kliniken

Die neue Aufgabe, sich mit den Richtlinien der Medizintechnik auseinandersetzen zu müssen, hat Bergh damals nicht beunruhigt. Als Radiologe war der CIO mit den gesetzlichen Aspekten bereits vertraut. Deshalb stört es ihn auch nicht unbedingt, wenn ein Hersteller wie Siemens mit einem KIS als Medizinprodukt "droht". "Ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird", bezweifelt Bergh. "Zum Beispiel SAPSAP: Vermutlich kündigen die eher ihr Produkt IS-H, als die gesamte Produktpalette dem MPG zu unterziehen, was sich angesichts der Architektur wohl kaum vermeiden ließe. Und die haben ein paar hundert Installationen in deutschen Krankenhäusern, was wiederum zu erheblichen Diskussionen führen würde." Alles zu SAP auf CIO.de

Unabhängig davon kann Bergh auch keinen Vorteil für die Uniklinik darin erkennen, wenn das MPG auch für KIS-Produkte angewendet wird: "Die Software wird sicher nicht besser, aber der gesamte Prozess zäher und aufwendiger und teurer, was letztendlich wir zahlen, und wie haben ohnehin nicht genug Geld." Eine Software einem MPG zu unterwerfen macht seiner Ansicht nur dann Sinn, wenn das MPG neben der Qualität auch inhaltliche Standards vorschreibt. Sprich: die Dinge vorschreibt, die eine Software können muss.

So ganz um die Auswirkungen von Richtlinien kommt sowieso kein CIO herum. Gerald Götz, CIO der Sana Kliniken, nennt als Beispiel den Linksherzkathedermessplatz. Kommt es auf dem Anwendungssystem zu einem Übertragungsfehler, eilt die IT heran, um den Fehler zu beheben. Ist das geschehen, darf das Gerät allerdings noch nicht eingesetzt werden. Der Hersteller des Systems muss erst eine erneute Konformitätsbewertung durchführen und das System zertifizieren - also neu zulassen für die Anwendung am Menschen. Das fordert das MPG. "Hätte ich die Daten aus dem Messplatz direkt in unser Krankenhausinformationssystem einfließen lassen, hätte der KIS-Hersteller sich einer MPG-Prüfung unterziehen müssen", kommentiert Götz. Weder er noch der KIS-Hersteller sind an dem Aufwand interessiert: "Zumal die KIS-Hersteller das Wissen darüber gar nicht mitbringen", so Götz, dessen KIS nun nach wie vor im "ungeregelten Bereich" betrieben wird, frei von den Richtlinien der medizintechnischen Geräte.

Götz und seine IT bauten lediglich eine Schnittstelle zwischen dem Anwendungssystem für die Kathedermessung und dem KIS auf Basis des in der Klinik-IT gängigen HL7-Standards - und der KIS-Hersteller war seine Sorgen los. Den sogenannten geregelten Bereich, der MPG-pflichtig ist, Sicherheitsanforderungen in hohem Maße nachkommen muss und Normen unterliegt, übernehmen bei Sana ohnehin die Kollegen des Sana Medizintechnischen Service Zentrum (MTSZ), die gleichberechtigt zu den IT-Services von Götz organisiert sind. Kein Problem für Götz.

Auf dem Weg von der Klinik-IT geht Vivantes-CIO Nolte zurück zu seinem Büro, vorbei an einer Koppel, in der auch heute noch Psychiatriepatienten mithilfe von Pferden therapiert werden, vorbei an der forensischen Abteilung, die durch hohe Mauern und Stacheldraht vom übrigen Berufsalltag abgetrennt ist. Zeit genug, um darüber nachzudenken, welche Therapie wohl bei ihm am besten anschlagen würde, um die zwei Bereiche zusammenzubringen. Vielleicht muss letztlich gar nicht eine Leitung für die beiden Bereiche her. Vielleicht muss man "nur" mehr miteinander reden.

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