Ein Sportwagen als Mordwaffe

Prozess nach Raser-Unfall

11.09.2019
Ein junger Mann drückt voll aufs Gaspedal seines Jaguar-Sportwagens und rast durch die Stuttgarter Innenstadt. Er prallt schließlich gegen einen stehenden Kleinwagen. Zwei Menschen sterben. Nun beginnt ein Mordprozess.

Nach einem tödlichen Unfall bei viel zu hoher Geschwindigkeit muss sich ein junger Autofahrer von diesem Mittwoch (9.00) an in Stuttgart vor dem Landgericht verantworten - wegen Mordes. Ein Sportwagen als Mordwaffe, Geschwindigkeitsrausch als Motiv? Eine heikle Anklage.

Das Stuttgarter Landgericht muss klären, ob es sich um einen Unfall oder Mord handelt.
Das Stuttgarter Landgericht muss klären, ob es sich um einen Unfall oder Mord handelt.
Foto: Billion Photos - shutterstock.com

Was ist damals passiert?

In einer Nacht im vergangenen März rast der nun angeklagte 20-Jährige am Steuer eines gemieteten Jaguar-Sportwagens in einer Tempo-50-Zone mit mehr als 160 Stundenkilometern auf eine Kreuzung zu. Er verliert allerdings bei einem Ausweichmanöver die Kontrolle über das Fahrzeug, zieht nach links und prallt gegen einen stehenden Kleinwagen. Zwei junge Menschen sterben in dieser Nacht: ein 25-Jähriger und seine 22-jährige Freundin. Beide waren erst kurz zuvor nach Stuttgart gezogen.

Worauf stützt sich die Anklage?

Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen fahrlässiger Tötung gegen den 20-Jährigen ermittelt, der selbst unverletzt geblieben war. Entscheidend für das Hochstufen auf eine Mordanklage war ein Gutachten zur Geschwindigkeit. Durch das Auswerten des Bordcomputers wurde auch herausgefunden, dass der Fahrer das Gaspedal kurz vor dem Unfall bis zum Anschlag durchgedrückt hatte. Trotz unklarer Verkehrslage sei der junge Mann mit Vollgas auf eine Kreuzung zugefahren. Der Jaguar-Fahrer habe dabei den Tod anderer zumindest billigend in Kauf genommen, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor.

Aber ist das nicht abwegig?

Nicht unbedingt, zunehmend wertet die deutsche Justiz Autorennen oder Raserei als Straftaten mit gravierenden Folgen auch für die Verursacher. Anfang März, nur wenige Tage vor dem fatalen Stuttgarter Crash, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe erstmals ein Mordurteil gegen einen rücksichtslosen Raser bestätigt. Der Mann hatte 2017 in Hamburg mit einem gestohlenen Taxi einen Menschen getötet und zwei schwer verletzt.

Dann ist es wahrscheinlich, dass sich die Staatsanwaltschaft durchsetzt?

Keineswegs, denn das Mordmotiv muss in jedem Einzelfall nachgewiesen werden. Selbst ein Autorennen mit Todesfolge ist also nicht immer gleich als Mord anzusehen. So wurde das deutschlandweit erste Mordurteil im Februar 2017 vom BGH kassiert. Die Richter sahen den bedingten Tötungsvorsatz bei den beiden Angeklagten nach einem tödlichen Autorennen in der Berliner Innenstadt nicht ausreichend belegt. Im neu aufgerollten Prozess wurden die Männer im März dann erneut wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Diese Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Welche Fahreigenschaften hatte das Auto, mit dem der Angeklagte unterwegs war?

Den Jaguar F4 soll der Unfallverursacher bei einem kleinen Verleih gemietet haben, der sich auf Luxuslimousinen spezialisiert hat. Im Internet wurde der Wagen bis zum Unfall mit dem Ausstattungsmerkmal "extrem laute Auspuffklappenanlage" beworben. Der Sportwagen hat 550 PS und beschleunigt laut Herstellerangaben in 5,7 Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer.

Wie kommt ein 20-Jähriger überhaupt an einen solchen Wagen?

Für das Auto war nach Medienangaben lediglich ein Mindestalter von 19 Jahren vorausgesetzt. Verboten ist das nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherer (GDV) nicht: "Ein Autovermieter darf selbst entscheiden, wem er seine Fahrzeuge gibt. Wir geben da keine Altersgrenze vor für Haftpflichtversicherungen", sagte eine Sprecherin des GDV (Berlin).

Welche Kammer befasst sich mit dem Fall?

Der Prozess findet vor dem Landgericht Stuttgart statt. Da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt allerdings jünger als 21 Jahre war, gilt er als Heranwachsender, und es wird öffentlich vor einer Jugendkammer verhandelt. Bislang sind Termine bis Mitte November angesetzt. (dpa/ad)

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