Mitarbeiterführung

Raus aus dem Einheitsbrei

01.04.2014
Von Harald Schumacher, Henryk Hielscher, Michael Kroker, Jürgen Salz, Mario Brück, Hans-Jürgen Klesse und Peter Steinkirchner

Idee beim Laufen

Eine gute Idee hatten Barr und seine Mit-Läufer vor gut einem Jahr: "Ein paar von uns sind in eng anliegenden Kompressionsshirts gelaufen. Dabei haben wir uns gefragt, ob wir nicht dieselbe Technologie für das Obermaterial von Laufschuhen einsetzen könnten." Kompressionseinlagen stimulieren den Blutfluss im Körper.

Direkt nach der Mittagspause schnappten sich Barr und seine Kollegen Scheren, schnitten ein Kompressionsshirt auseinander und zogen es über einen Schuh. "Das fühlte sich so gut an, dass wir weitergemacht haben", sagt der 29-Jährige. Heute findet sich diese Idee im Energy Boost wieder, dem Top-Laufschuh von Adidas.

Etwas ganz anderes hat sich 3M (weltweit rund 30 Milliarden Dollar Umsatz, 88.000 Mitarbeiter) einfallen lassen. Die Entwickler des US-Technologiekonzerns bekommen in der Regel klar gesagt, was sie zu tun haben. Aber 15 Prozent ihrer Arbeitszeit dürfen sie für eigene ProjekteProjekte aufwenden, die außerhalb ihrer Aufgaben und manchmal sogar abseits der 3M-Produktpalette liegen. Die berühmten gelben Post-it-Haftzettel zum Beispiel sind auch durch die 15-Prozent-Regel entstanden. Alles zu Projekte auf CIO.de

Die nutzte auch Adrian Jung, Spezialist für Industrieklebstoffe in der Entwicklungsabteilung der deutschen Niederlassung in Neuss bei Düsseldorf. Der 38-jährige Chemiker hörte immer wieder die gleichen Klagen von Kunden. Anwender, die Maschinenteile verkleben, waren sich zum Beispiel nicht hundertprozentig sicher, wann sie diese maximal belasten durften. Denn dem verwendeten Klebstoff war nicht anzusehen, wann dieser Zeitpunkt erreicht war. Ebenso wenig konnten sie abschätzen, ob der Klebstoff schon zu alt war und die optimale Wirkung verloren hatte.

Jung ergriff die Initiative und überzeugte seine Chefs, ihm 15 Prozent seiner Arbeitszeit für die Lösung des Problems zu überlassen. Er begann, mit Farben und Chemikalien zu experimentieren, die die Eigenschaften des Klebstoffs anzeigen sollten. Nach ersten Erfolgen durfte er sein Team sogar auf drei Mitarbeiter aufstocken. Am Ende kreierte Jung einen neuartigen "Ampelklebstoff", der die Härtung sichtbar macht: Verfärbt der Klebstoff sich nach dem Auftragen grün, dürfen Maschinenteile und andere Schwergewichte belastet werden. Wird er blau, wurde er zu lange oder falsch gelagert und muss ausrangiert werden. 3M wirbt nun damit, dass der Ampelklebstoff im Flugzeugbau oder bei Windkraftanlagen die Sicherheit erhöht.

Erfinder Jung bekommt dafür keine Prämie, sondern einen Anteil am Umsatz, weil das Patent auch auf ihn angemeldet wurde. Von jedem Euro, den 3M durch den Ampelklebstoff künftig einnimmt, geht ein kleiner Anteil an den Erfinder. Der Betrag kann sich, wenn es gut läuft, nach Auskunft des Unternehmens "zu einem zusätzlichen Monatsgehalt pro Jahr" summieren.

Eine ähnliche Regel wie bei 3M existiert auch bei GoogleGoogle: Die Mitarbeiter dürfen 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für eigene Projekte aufwenden. Mit solchen Freiheiten will der Suchmaschinen-Gigant vor allem hoch spezialisierte Fachkräfte anlocken. "Softwareentwickler sind schließlich händeringend gesucht", sagt Google-Manager Stefan Keuchel. Bei Google arbeiten weltweit 25.000 Entwickler, etwa die Hälfte aller Mitarbeiter. Alles zu Google auf CIO.de

Um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, bietet der Internet-Konzern (Umsatz 2012: etwa 50 Milliarden Dollar) allerlei Freiheiten, von denen Beschäftigte vieler anderer Unternehmen nur träumen.

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