Mitarbeiterführung

Raus aus dem Einheitsbrei

01.04.2014
Von Harald Schumacher, Henryk Hielscher, Michael Kroker, Jürgen Salz, Mario Brück, Hans-Jürgen Klesse und Peter Steinkirchner

Kostenloses Mittagessen

Das Mittagessen in der Kantine ist kostenlos. Es gibt einen Games Room mit Kicker, Billardtisch sowie Xbox- und Wii-Spielkonsolen. Im komplett verdunkelten Quiet Room darf, wer mag, ein Nickerchen halten. Ein eigenes Fitness-Center mit zwei persönlichen Trainern rundet das Angebot ab. Seit Jahren zählt Google zu den beliebtesten Arbeitgebern in Deutschland.

Kritiker sehen darin bloß eine besonders intelligente Form des Unternehmens, möglichst viel aus den Leuten herauszuholen. "Mit dieser Tarnung verfolgen Unternehmen einen knallharten Zweck", schreibt der Bestsellerautor Martin Wehrle, der sich als Chronist des Büro-Wahnsinns ("Ich arbeite in einem Irrenhaus") einen Namen gemacht hat. "So bequem soll es sein in ihren heiligen Hallen, so heimelig und luxuriös, dass der Mitarbeiter gar nicht mehr nach Hause will", sagt Wehrle. "Der moderne Arbeitsplatz ist ein Fliegenfänger: Mit seinem süßen Duft lockt er die Mitarbeiter an - und dann bleiben sie kleben. Gerne 60, 70 Stunden pro Woche."

Vertrauen ist gut, Freiheit auch - aus diesem Grund fehlt in der Kantine der Sick AG die Kasse. "Wir vertrauen darauf, dass die Mitarbeiter den korrekten Betrag von ihrer Geldkarte abbuchen lassen", sagt Personalchef Andreas Grieger. Der Industriebetrieb im badischen Waldkirch stellt Sensoren her, die etwa die Kunstschätze im Pariser Louvre vor Diebstahl schützen.

Grieger ist zuständig für weltweit 6.300 Mitarbeiter, davon 3.000 in Deutschland, und spricht viel von Vertrauen und Eigenverantwortung. Die Mitarbeiter können ihre Arbeitszeit frei wählen, innerhalb eines weiten Korridors von 6.30 Uhr bis 19 Uhr. Sie müssen sich lediglich - eigenständig – absprechen, wer wann anwesend ist. Teams in der Produktion entscheiden gemeinsam über die Urlaubsplanung oder darüber, wann das Telefon mal ausgeschaltet wird, um ungestört arbeiten zu können.

Die Freiheiten gewährt der Sensoren-Spezialist eher der Not gehorchend. Denn Waldkirch nördlich von Freiburg im Breisgau liegt ziemlich ab vom Schuss. "Die Region ist zwar attraktiv, aber wir müssen geeignete Mitarbeiter erst einmal hierher locken", sagt Grieger. "Mit den flexiblen Arbeitszeiten und Entscheidungsfreiheiten können wir bei Bewerbern punkten." Im Gegenzug verlange das Unternehmen auch viel von der Belegschaft, immerhin wachse der Umsatz jedes Jahr zweistellig, im Geschäftsjahr 2012 auf 970 Millionen Euro.

Rund 750 Kilometer nördlich, in Velgen bei Lüneburg. In dem kleinen Dorf in Niedersachsen sitzt die Firma Deerberg – das Gegenteil von AmazonAmazon. Der Online-Handelsriese aus den USA fällt durch niedrige Löhne, permanenten Leistungsdruck und befristete Arbeitsverhältnisse auf, klagt die Gewerkschaft Verdi. Dass es auch ganz anders gehen kann, zeigt Deerberg. Alles zu Amazon auf CIO.de

Der mittelständische Versandhändler hat sich auf den Verkauf nachhaltig produzierter Mode spezialisiert. Der Umsatz legt regelmäßig zweistellig zu und hat inzwischen 55 Millionen Euro erreicht. Die Zahl der Mitarbeiter verdoppelte sich in den vergangen drei Jahren auf mehr als 400.

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