Wegfall der Home-Office-Pflicht

"Should I stay or should I go?"

Kommentar  05.04.2022
Wieland Volkert ist Countrymanager DACH & Niederlande bei UKG.
Corona hat aus Mitarbeitern Menschen gemacht, die ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr nur darin sehen, möglichst viel Geld zu verdienen: Es geht auch in Deutschland um mehr als eine ausgeglichene Work-Life-Balance.
Wie geht es nach dem Wegfall der Home-Office-Pflicht weiter? Arbeitgeber müssen damit rechnen, dass viele Beschäftigte mit Sack und Pack gehen und nicht mehr bleiben wollen.
Wie geht es nach dem Wegfall der Home-Office-Pflicht weiter? Arbeitgeber müssen damit rechnen, dass viele Beschäftigte mit Sack und Pack gehen und nicht mehr bleiben wollen.
Foto: chayanuphol - shutterstock.com

Seit 20. März 2022 ist es lauter geworden in deutschen Unternehmen. Die gesetzliche Home-Office-Pflicht entfällt. Doch das Arbeiten von zu Hause ist seit Ausbruch der Pandemie für viele Berufstätige mittlerweile so selbstverständlich geworden wie die Stechuhr für die Generationen der 1960er Jahre. Dass die Gefahr für Verstimmungen zwischen Unternehmensleitungen und Belegschaften steigt, zeigt die aktuelle Entwicklung auf dem US-amerikanischen Markt. Dort tobt bereits eine riesige Kündigungswelle, bekannt als The Great Resignation.

Kündigungen ohne neuen Job zu haben nehmen zu

Gerade einmal 13 Prozent der Home-Office-WorkerHome-Office-Worker drängt es wieder an den festen Arbeitsplatz. Eine aktuelle Erhebung des ifo-Instituts lässt erahnen, welche Gedanken deutsche Arbeitnehmer aktuell auf der Fahrt ins Büro umtreiben. Ganz genau wollten es indes das soziale Arbeitsnetzwerk Xing und das Meinungsforschungsinstitut forsa im Rahmen einer Umfrage unter rund 2500 Erwerbstätigen wissen: 37 Prozent denken über einen Jobwechsel nach oder haben bereits konkrete Schritte dahingehend unternommen, unter den 30 bis 39-Jährigen ist es sogar fast jeder Zweite. Alles zu Home Office auf CIO.de

Bemerkenswert sei, dass viele Stellenwechsler kündigen, ohne eine neue Position in Aussicht zu haben. Einen echten Grund für Diskussionen in den Reihen der Geschäftsführungen dürfte schließlich eine Studie des Security-Anbieters Ivanti geben. Demnach würde nahezu ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland ihre Stelle aufgeben, wenn die Chefs eine Rückkehr an einen festen Firmenarbeitsplatz fordern würden. Und nicht weniger als 71 Prozent der Befragten gaben an, ihren Arbeitsort lieber frei wählen zu wollen, als eine Beförderung zu erhalten.

Signale richtig deuten

Diese Zahlen zeigen: Die Arbeit auf der heimischen Couch oder dem Wohnzimmertisch führt bei vielen Menschen zu Grundsatzfragen über den Sinn des Lebens, des Jobs und der Unternehmenskultur im Allgemeinen. Für Unternehmenslenker spitzt sich mit dem Wegfall der Home-Office-Pflicht die ohnehin schon angespannte Personalsituation durch den Fachkräftemangel weiter zu. Sie müssen sich damit auseinandersetzen, dass ihre Mitarbeiter die Jogginghose nicht kampflos gegen das Business-Outfit eintauschen werden.

Um Mitarbeitenden echtes Interesse an einer Zusammenarbeit bekunden zu können, müssen die Wünsche und Sorgen in der Belegschaft ernst genommen und sogar schwache Signale der Unzufriedenheit richtig gedeutet werden. Nötig dafür ist eine Kultur der ethischen Führung - und diese Kultur wird als Kriterium für die Attraktivität eines Unternehmens immer wichtiger.

Dass es damit noch nicht allzu weit her ist, zeigte bereits eine Studie von The Workforce Institute (WFI) von 2021. Sie kam zu dem Ergebnis, dass zu wenige Arbeitgeber wirklich zuhören, wenn es um die Belange der Belegschaft geht. Fast zwei Drittel der Mitarbeitenden treibt offenbar sogar das Gefühl um, völlig ignoriert zu werden. Zuweilen herrscht in Organisationen allerdings auch ein überbordendes Kontrolldenken, das einen ergebnisorientierten Kulturwechsel im Keim erstickt.

Kulturwandel wird geschäftskritisch

Oft ist Unternehmensführungen allerdings gar nicht bewusst, dass mit dem Kulturwandel einschneidende Veränderungen in der gesamten Organisation einhergehen - für das Topmanagement ebenso wie für HR-Abteilungen und deren IT-Werkzeuge. Geschäftsleiter müssen sich grundsätzlich die Frage stellen, ob Top-Down-Hierarchien, straffe Prinzipien und (alt)bewährte Arbeitskonzepte in Form von Nine-to-five-Jobs und Präsenztätigkeiten nicht endgültig der Vergangenheit angehören sollten.

Die Signale von Mitarbeitenden sprechen jedenfalls eine völlig andere Sprache. Sie ist geprägt von Selbstbestimmung, individuellen Lebensumständen und losgelöst von Orts- und Zeitbeschränkungen. Klar ist: Ohne ein Umdenken in der Geschäftsführung werden sich viele Mitarbeiter fragen: "Should I stay or shoud I go?" Klar ist aber auch: Bieten Unternehmen ihren Beschäftigten Sinn, Perspektive und Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitsform, dann machen sie sich fit für die Zukunft der Arbeit.

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