Vom Whistleblower zum Vortragsredner

Snowden im Exil

08.06.2015
Zwei Jahre ist es her, dass Edward Snowden sich als die Quelle der Geheimdienst-Enthüllungen zu erkennen gab. Mittlerweile tingelt er als Konferenzredner um die Welt - allerdings nur virtuell. Denn er hängt immer noch in Russland fest.

Wie geht es Edward Snowden zwei Jahre nach dem Beginn der Enthüllungen, die sein Leben auf den Kopf stellten? Gut, sagt er selbst. "Ich wache jeden Morgen mit einem Lächeln im Gesicht auf", versicherte Snowden jüngst bei einer Veranstaltung von Amnesty International. Dabei ist für den einstigen Geheimdienst-Mitarbeiter nichts mehr, wie es war. Wenige Tage nach den ersten Berichten über die ausufernde NSA-Überwachung trat er als Quelle der Enthüllungen an die Öffentlichkeit. In dem Video von damals ist er sichtlich nervös und blass. Es folgte eine filmreife Flucht, bei der er schließlich in Moskau strandete.

Inzwischen ist Snowden zum virtuellen Weltenbummler geworden. Er spricht per Videoübertragung auf Konferenzen und an Universitäten. Der 31-Jährige trat beim Internetfestival SXSW in Texas auf, an der ehrwürdigen Princeton-Universität, bei der CeBIT in Hannover und bei der Verleihung der deutschen Journalistenauszeichnung Henri-Nannen-Preis. Als digitale Projektion schwebt sein Bild dann über dem Publikum, er erntet Jubel und Applaus.

Auch politisch hat sich etwas bewegt. In Snowdens Heimatland USA ist die Stimmung nicht mehr so feindselig wie zu Anfang, als er umgehend zum Verräter erklärt wurde. Das US-Parlament setzte der NSA nach langem Streit neue Schranken. Zumindest die Telefonüberwachung des Geheimdienstes wird nun eingeschränkt. Auch in Deutschland wird über die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes diskutiert, seit ein Untersuchungsausschuss im Bundestag die Spähaffäre erforscht.

"Insgeheim habe ich mir Sorgen gemacht, dass wir unser behütetes Leben für Nichts aufs Spiel gesetzt hatten - dass die Öffentlichkeit mit Gleichgültigkeit oder Zynismus auf die Enthüllungen reagieren würde", schreibt Snowden begeistert in der "New York Times" und dem "Spiegel". "Ich war nie so dankbar, danebengelegen zu haben." Es habe eine Machtverschiebung gegeben. Die Angst vor Terrorangriffen werde nicht mehr ohne weiteres als Begründung für Überwachung akzeptiert, seit bekannt sei, wie umfassend und massiv die Geheimdienste den Internetverkehr abhörten.

Die Reform der NSA-Telefonsammlung ist ein Erfolg für Snowden - schließlich war es das erste Programm, das die von ihm gesammelten Dokumente enthüllten. "Nichts davon wäre ohne Snowden passiert", schreibt die Zeitschrift "New Yorker". Der Autor forderte die Möglichkeit einer Rückkehr in die USA, ohne dass Snowden eine jahrelange Haftstrafe wegen Geheimnisverrats befürchten müsse.

Der Snowden-Unterstützer und Journalist Jacob Appelbaum hofft ebenfalls auf einen Richtungswechsel. "Er ist in Sicherheit und lebt ein ausgefülltes Leben im Exil, soweit man das kann", sagt Appelbaum. "Andererseits denke ich, dass sich die Stimmung dreht und sich viele Menschen dafür stark machen, dass er nach Hause kommen kann." Snowdens Asyl-Visum für Russland gilt zunächst noch gut zwei Jahre. Zunächst einmal lernt er Russisch.

Am deutlichsten sind die Auswirkungen seiner Enthüllungen wohl bei der Internet-Technologie zu spüren. Mehrere Unternehmen rüsteten Sicherheit und Verschlüsselung auf, darunter die US-Konzerne GoogleGoogle und AppleApple. Auch Facebook bietet mittlerweile an, E-Mails an seine Nutzer per PGP zu schützen. Vor zwei Jahren war diese Software nur wenigen bekannt. Mittlerweile können ganz normale Nutzer auf Cryptoparties lernen, wie man damit umgeht. "In den letzten zwei Jahren hatten wir wirklich einen Einfluss darauf", sagt Appelbaum, der selbst an dem Anonymisierungsdienst TOR arbeitet. "Immer wenn wir verschlüsseln und anonymisieren, gewinnen wir - wir beeinflussen das Ausmaß der Überwachung." Alles zu Apple auf CIO.de Alles zu Google auf CIO.de

Das mag nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Menschen mit einem Schulterzucken auf die Enthüllungen reagieren. Man habe nichts zu verbergen, heißt es oft. Snowden will das nicht gelten lassen: "Das ist nicht anderes, als zu sagen, Meinungsfreiheit sei einem egal, weil man nichts zu sagen habe."

Er selbst rechnet mit weiteren Reformen, wie er auf der Veranstaltung von Amnesty International betonte. Mit seiner Rolle wirkt er zufrieden: "Ich habe heute mehr Hoffnung als je zuvor." (dpa/tc)

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