Finance IT


IT-Vision 2025 für Versicherungen

So funktionieren Kundenschnittstellen der nächsten Generation



Ingolf Zies leitet als verantwortlicher Partner die IT-Praxisgruppe von Bain & Company im deutschsprachigen Raum und ist Teil des Banken-Teams.
Uwe Schmid ist Expert Associate Partner für die Praxisgruppe Informationstechnologie bei Bain & Company in Frankfurt am Main. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der IT- und Softwarebranche. Seine Kernkompetenzen sind IT-Architektur, ERP, IT-Strategie, Organisation, Governance, Agile Development und Digital sowie damit verbundene große IT-Transformationen.
Mit dem Internet der Dinge (IoT) explodiert die Zahl der Touchpoints von Kunden. Ein reibungsloses Omnikanal-Erlebnis wird mehr denn je zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Mit Microservices können Versicherer die neue Vielfalt besser beherrschen.
Ein schneller und einfacher Kontakt zum Versicherer ist in vielen Fällen wichtig.
Ein schneller und einfacher Kontakt zum Versicherer ist in vielen Fällen wichtig.
Foto: Antonio Guillem - shutterstock.com

Im Herbst 2017 sorgte laute Musik in einer leeren Wohnung für Schlagzeilen: "Alexa macht Party, bis die Polizei kommt" lautete die Schlagzeile. Doch viel bemerkenswerter als der vermutlich fehlerhafte Fernzugriff einer Streaming-App war, dass die Leser der Meldungen wussten, wer Alexa ist. Der sprachbasierten Kundenschnittstelle von Amazon gelang es binnen nur eines Jahres, Einzug in den Alltag zu halten. Auch Apples Siri und Ok Google kommen immer häufiger zum Einsatz. Insgesamt erfolgen bereits 20 Prozent der mobilen Google-Suchen per Stimme.

Schon in absehbarer Zeit dürfte sich die Mehrzahl der gerätebasierten Interaktionen über Sprache oder Bewegung abspielen. Tastaturen und Touchscreens verlieren ihre vorherrschende Stellung, während die Zahl der Smart Devices in die Höhe schießt. In fünf Jahren bereits werden sich in einem Durchschnittshaushalt über 500 Sensoren befinden - darunter Steckdosen, Rollläden und Blutdruckmesser.

Zahl der Kundenschnittstellen vervielfältigt sich

Was auf den ersten Blick evolutionär klingen mag, revolutioniert das Versicherungsgeschäft. Denn solche intelligenten Helfer erhöhen die Sicherheit, alarmieren bei unbefugtem Zutritt und erleichtern die Pflege in den eigenen vier Wänden. Auch Firmenkunden werden ihren Vorteil daraus ziehen: bei der Sicherung ihrer Gebäude ebenso wie in Warenlagern und im Flottenmanagement. Damit wird die Zahl der Touchpoints innerhalb weniger Jahre explodieren. Ein reibungsloses Omnikanal-Erlebnis wird für die Versicherer zum Hygienefaktor und zugleich zur Jahrhundertaufgabe.

Abb. 1: Die IT-Architektur in der Assekuranz unterstützt viele Geschäftsziele nicht.
Abb. 1: Die IT-Architektur in der Assekuranz unterstützt viele Geschäftsziele nicht.
Foto: Bain & Company

44 Prozent aller Versicherungsunternehmen sehen sich aktuell noch außerstande, ein solches Omnikanal-Erlebnis zu gewährleisten (Abb. 1). In anderen Branchen sieht es trotz einer noch überschaubaren Zahl von Kanälen nicht besser aus.

Microservices ersetzen Softwaremonolithen

Neue Kanäle, neue Interaktionsformen und immer mehr Kundenschnittstellen: Herkömmliche IT-Infrastrukturen bringen diese Anforderungen endgültig an ihre Grenzen. Gefordert ist stattdessen eine moderne IT-Architektur. Zu ihren Charakteristika zählen ein modularer Aufbau und allen voran der vermehrte Einsatz von Microservices - und das in einem eigenen Service-Layer, abgekoppelt von den Standardapplikationen.

Denn dank ihres Legoprinzips und schlanker Middleware wie Message Broker lassen sich Microservices wesentlich einfacher in bestehende Umgebungen einfügen. Der Zugriff auf zusätzliche Smart Devices und Funktionalitäten ist so erheblich schneller als bislang möglich. Das versetzt die Versicherer in die Lage, den Erwartungen ihrer Kunden besser zu entsprechen.

Kosten sinken, Erlöse steigen

Die Vorteile von Microservices reichen jedoch noch weiter. Ihre Entwicklung erfolgt agil und ihr Einsatz ist skalierbar. Da sie Softwarepakete kontinuierlich integrieren und ausliefern, beschleunigen Microservices die Softwareentwicklung zum Teil um das Fünffache. Damit beseitigen sie eine der größten Hürden der Versicherer bei ihrer digitalen Transformation: die fehlende Geschwindigkeit.

Inzwischen arbeitet gut ein Drittel der größeren Unternehmen weltweit mit Microservices - Tendenz auch bei Versicherern steigend. Neben einem höheren Entwicklungstempo erreichen sie so nicht zuletzt eine Kostenreduzierung und steigern Kundenzufriedenheit sowie Umsätze. In einem Fall verdoppelte sich beispielsweise die Zahl der Transaktionen über mobile Endgeräte.

Drei Grundsätzen folgen

Beachten Versicherungsunternehmen drei Grundsätze, können sie von den Vorteilen profitieren, die sich durch den Einsatz von Microservices ergeben:

  • Entwicklung und Anwendung trennen
    Microservices sollten von jeweils eigenen Teams entwickelt werden mit dem Ziel, dass andere Applikationsentwickler diese wie eine Bibliothek nutzen können.

  • DevOps nicht vergessen
    Bereits in der frühen Entwicklungsphase eines Microservices sollten der spätere Betrieb und die benötigte Infrastruktur berücksichtigt werden.

  • Verschiedene Teams einrichten
    Jeder Microservice sollte von einem eigenständigen Team entwickelt werden, um größtmögliche Granularität sowie die Entkoppelung der einzelnen Services sicherzustellen. Andernfalls könnten durch gekoppelte und komplexe Microservices wieder Softwaremonolithen entstehen.

Erst UX-Design beschert nahtloses Kundenerlebnis

Natürlich gewinnt kein Unternehmen mit Microservices allein die Gunst der Kunden. Gefragt ist ein über alle Touchpoints hinweg begeisterndes Kundenerlebnis - und damit ein überzeugendes User-Experience (UX-)Design. Im digitalen Zeitalter darf es keine Qualitätsunterschiede mehr zwischen Webauftritt, Apps und IoT-Anwendungen geben. Genau dafür sorgen die derzeit so raren UX-Spezialisten. Erst mit ihrem Wissen und ihrem Denken vom Kunden her gelingt der Sprung ins digitale Zeitalter.

In der neuen Ära werden Versicherungsunternehmen nicht mehr alle IT-Kompetenzen im eigenen Haus vorhalten. Public-Cloud-Lösungen gewinnen ebenso an Bedeutung wie Software-as-a-Service-Anbieter.

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