IoT-Strategie

So setzen Sie IoT-Projekte erfolgreich um

14.11.2019
Von Enno Borchers und Olaf Sieg
Höhere Effizienz, smarte und digitale Produkte, datenorientierte Geschäftsmodelle: IoT als Daten-Aggregator verspricht wahre Wunder. Doch laut einer Ovum-Studie schafft es nicht einmal jedes fünfte IoT-Projekt in den Regelbetrieb. Woran liegt das und was sollten Unternehmen anders machen?

Milliarden vernetzte Dinge, Milliarden Sensoren in Alltagsgegenständen und natürlich - wie soll es anders sein - ein Milliardenmarkt. Fast jeder Hype löst euphorische Zukunftsprognosen aus. Das gilt auch für das Internet of ThingsInternet of Things (IoT). So sollen die globalen Ausgaben für IoT-basierte Produkte und Dienstleistungen im Jahr 2021 die unglaubliche Summe von mehr als 250 Milliarden US-Dollar erreichen. Unmöglich scheint das nicht, denn immer mehr Unternehmen springen auf den IoT-Zug auf und implementieren, was der Technologiemarkt hergibt. Sie erkennen, wie vielseitig IoT ist und welches Potenzial darin steckt. Alles zu Internet of Things auf CIO.de

IoT-Projekte bleiben im Proof-of-Concept-Stadium hängen

Auf der anderen Seite mehren sich laut einer IDG-Studie von Anfang 2018 auch die weniger positiven Erfahrungen mit IoT-Projekten. So steigt sowohl die Zahl der gescheiterten Projekte als auch die Zahl der Unternehmen, die in IoT keine Wirtschaftlichkeit sehen. Eine Studie von Ovum kommt sogar zum Ergebnis, dass nicht einmal ein Fünftel der Unternehmen tatsächlich kommerzielle IoT-Projekte in Betrieb haben. Und laut Cisco bleiben 60 Prozent der IoT-Initiativen auf der Stufe von Proof of Concepts stehen, wovon ein Drittel sich zudem auch nicht als erfolgreich erweisen.

In Summe wächst der Markt erfreulicherweise schnell, jedoch bleibt dieses Wachstum deutlich hinter der ursprünglichen Erwartung zurück.

In der produzierenden Industrie werden vermehrt die Prozessdaten durch Sensoren und einer verbesserten Shopfloor-IT aufgezeichnet und mit KI-Algorithmen analysiert. Es ergeben sich daraus Anwendungsszenarien für Predictive Maintenance. So haben rund sechs von zehn Unternehmen schon Erfahrungen mit der vorausschauenden Wartung gesammelt, und laut dem "Deutsche Industrie 4.0 Index 2018" bewerten gut drei Viertel der Anwender ihre bisherigen Erfahrungen als positiv.

Vorgefertigte IoT-Lösungen greifen zu kurz

Alles gut? Eher nicht, denn dieselbe Befragung kommt zum Ergebnis: Weniger als zehn Prozent der Unternehmen bewerten das Leistungsvermögen aktueller Anwendungen als hoch ein, vier von zehn sehen konkreten Entwicklungsbedarf. Sie kommen zur Erkenntnis: "Wir haben viele Dinge ausprobiert, wissen aber nicht, wie wir starten sollen."

Der Ansatz, fertige Lösungen zu kaufen und auszuprobieren, sollte demnach nicht als "Rund-um-sorglos-Paket" eintreffen. Denn die Lösungen sollten in einer Digitalstrategie eingebettet sein. Und genau dieser Punkt, eine fehlende Digitalstrategie oder digitale Produktionsstrategie, fehlt in vielen Fällen in den Unternehmen. Sie starten IoT-Projekte in der Regel mit isolierten Lösungen, die schnellen, messbaren Erfolg versprechen. Wenn es jedoch zur Integration kommt, liefert eine IoT-Lösung einen entscheidenden Wertbeitrag für viele Unternehmensbereiche, die sich erst in einer Enterprise Architektur in einen Gesamtzusammenhang bringen lassen. Erst dann ergibt sich das volle Potential und die Wirtschaftlichkeit einer IoT-Lösung.

Da eine IoT-Lösung so viele integrierte Komponenten enthält, ist die Erstellung einer IoT-Zielarchitektur, die sich aus einem holistischen Digitalisierungs-Zielbild des Unternehmens ableitet, absolut entscheidend. Der IoT-Architekt muss den Zielzustand für das Unternehmen identifizieren, dokumentieren und sicherstellen, dass die Zielarchitektur aktuelle und zukünftige Geschäftsanforderungen erfüllt.

Eine End-to-End-IoT-Lösung berührt typischerweise eine Vielzahl von Unternehmensbereichen, die von Sensoren, Geräten zur Datenerfassung bis hin zur Integration mit Unternehmensanwendungen und -systemen reichen. So warnen Gartner-Analysten: "IoT-Lösungen sind nicht nur komplex, sondern werden auch die komplexesten Systeme sein, die Unternehmen planen, bauen und betreiben werden."

Technologien an der Maschine sind häufig nicht vernetzt

Die wesentlichen Herausforderungen für den Aufbau und Betrieb einer IoT-Lösung liegen in der Regel abseits des Kerngeschäftes der anwendenden Unternehmen. Da die IoT-Komponenten in ein breites Spektrum von IT- und Kommunikations-Technologien wie Mobilfunknetze, Cloud-Computing, Analysewerkzeuge, Protokolle oder Machine LearningMachine Learning münden sollen, müssen Technologien zusammenspielen, die gut auf einander abgestimmt sein müssen (Plattformarchitektur). Alles zu Machine Learning auf CIO.de

Dazu kommen operative Technologien (OT), mit der die Unternehmen die Leistung von Geräten und Maschinen überwachen und kontrollieren. Diese OT sind z.B. SCADA- oder NC-Systeme. Sie waren bisher oftmals nicht untereinander oder mit weiteren Applikationen vernetzt. Die Daten dienten nur dem Monitoring und nutzten meist geschlossene, proprietäre Protokolle. Dabei entsteht der größte Mehrwert einer IoT-Lösung darin, entscheidende Informationen aus den OT-Systemen in einzelne Applikationen angrenzender Unternehmensabteilungen und Bereiche zur Verfügung zu stellen und dort die Mehrwerte zu heben.

Ganzheitliche IoT-Geschäftslösung erforderlich

Was also tun, damit Nutzer aus IoT-Lösungen tatsächlich maximale Vorteile ziehen? Zunächst gilt: Unternehmen, die mit isolierten IoT-Lösungen starten, müssen auf die Erweiterbarkeit und Integrationsfähigkeit achten. Zwar lassen sich auch aus isolierten Lösungen Vorteile gewinnen. IoT-Projekte entfalten aber erst dann ihren maximalen Nutzen, wenn Unternehmen sie auf strategische Füße stellen und als ganzheitliche Geschäftslösung in digital transformierte Systeme integrieren. Dafür müssen sie genau verstehen, welche Ziele und Anwendungen sie mit der Analyse erreichen wollen und welche Daten es hierfür braucht. Dies wird letztendlich bestimmen, welche Art von IoT-Lösungen und welcher Grad der Konnektivität erforderlich ist, um die gewünschten Datenverarbeitungs- und Kommunikationsfunktionen am besten auszuführen.

Was Unternehmen also brauchen, bevor sie in einzelne IoT-Lösungen investieren, ist eine langfristige Digitalstrategie, inklusive Aufbau eines Ökosystems. Sie muss definieren, wie das eigene Geschäft digital aufgestellt sein soll, welche Produkte auf den Markt kommen und wie sich das Unternehmen dort positionieren will. Dazu gehört es, die Ziele bereichsübergreifend zu konkretisieren - vom Produktmarketing, der Entwicklung über die Produktion und Logistik, sowie dem Vertrieb, der Personalabteilung, oder dem Finanzbereich. Erst daraus lassen sich Einzelinitiativen ableiten, definieren und spezifizieren. Aus diesem Grund sind heute wieder Unternehmensarchitekten bzw. Enterprise Architects gesuchte Spezialisten, da sie einen Gesamtblick auf Systeme und Prozesse der IT und des Business haben.

Customer Journey im Mittelpunkt von IoT-Strategien setzen

Letztendlich ist eine IoT-Gesamtstrategie eingebettet und Teil einer digitalen Transformation des bestehenden Geschäfts. Eine Datenerhebung und -Auswertung muss sämtliche Teile der Wertschöpfung umfassen, also beispielsweise den gesamten Order-to-Cash-Prozess: vom Kaufverhalten und den Produktwünschen (Customer Journey), über die Kaufabwicklung, den Produktionsprozess, der Bereitstellung beim Kunden bis hin zur Erfassung der Kundenzufriedenheit, Produktqualität und zukünftiger Änderungswünsche. Genau hierfür ist die digitale Gesamtstrategie erforderlich, die festlegt, welche digitalen Systeme miteinander verbunden sein müssen.

Heutige Datenmodelle und Technologie-Architekturen berücksichtigen meist nur ERP-Systeme, die den Auftragseingang über diverse Kundenschnittstellen wie Direktvertrieb, Großhandel oder Online-Shops mit der Produktionsplanung verknüpfen. Die IT der Produktionsumgebung jedoch ist bei deutlich mehr als der Hälfte der Unternehmen noch weitgehend isoliert und nicht mit dem ERP verbunden. Diese Lücke können Manufacturing Execution Systeme (MES) füllen, die etwa Produktionsaufträge automatisch auf die Linienterminals übertragen, wodurch manuelle Konfigurationsprozesse wegfallen können. Dies würde einen durchgängigen Informations- und Datenfluss im Unternehmen garantieren.

Und wie sieht es mit den Produktionsdaten selbst aus? Maschinen erfassen zwar, welche Teile zum Beispiel bei welcher Temperatur oder Druck gefertigt worden sind. Diese Daten werden allerdings häufig nicht genutzt und nicht dauerhaft gespeichert. IoT-Lösungen, die intelligent mit korrespondierenden Data-Analytics-Systemen z.B. in einer Cloud verbunden sind, könnten zusätzliche Daten zur Verfügung stellen, die etwa neue Informationen über detaillierte Zustände oder den bestmöglichen Einsatz der Werkzeuge selbst - zum Beispiel Drehmoment, Winkelschlag, Abnutzung - eröffnen.

IT-Framework für IoT-Anwendungslandschaft schaffen

Damit aber das einzelne Drehmoment in der holistischen Digitalstrategie eines Unternehmens nicht verloren geht und richtig ein- und zugeordnet wird, verlangt die übergeordnete Technologiearchitektur ein hohes Augenmerk. Zur systematischen Ableitung von Bedarfen von Industrie 4.0 und Geschäftsmodellen ist Entwurf, Planung, Implementierung sowie die Wartung von geeigneten Unternehmensarchitekturen bzw. -Framweworks unerlässlich. Dafür wird die Geschäftsarchitektur in eine IT-Systemarchitektur und anschließend in eine Technologiearchitektur übertragen, die dann auch die IoT-Lösungen als festen Bestandteil beinhalten. Erst dann ist die IoT-Lösung in der Lage, wirklich bereichsübergreifend fachlichen Nutzen zu spenden.

Bevor nach erfolgreichen Feldtauglichkeitstests IoT-Lösungen final ausgewählt und eingesetzt werden, ist es unerlässlich, den Gesamtzusammenhang - Geschäftsarchitektur, Informationssystemarchitektur und Technologiearchitektur - zu klären. Erst durch das Zusammenbringen der einzelnen digitalisierten Wertschöpfungsstufen lässt sich das gesamte Potential von IoT heben.

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