E-Commerce-Trends

So sieht der Online-Handel 2020 aus

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Lösungen wie Shopify, Magento oder Woo treiben die Digitalisierung im Handel immer weiter voran. Doch die großen Trends im E-Commerce reichen weit darüber hinaus.
Die Innovationsgeschwindigkeit im Online-Handel steigt unaufhörlich.
Die Innovationsgeschwindigkeit im Online-Handel steigt unaufhörlich.
Foto: alphaspirit - shutterstock.com

Die Innovationsgeschwindigkeit im Online-Handel ist hoch, mit KI und Machine Learning nimmt sie weiter zu. Ohne diese Techniken wären beispielsweise Recommendation Engines und "Hyperpersonalisierung" nicht denkbar. So sind Realtime-Empfehlungen, die sich auf das aktuelle Nutzerverhalten stützen, längst Alltag: Amazon und Netflix machen vor, wie Nutzer exakt die Informationen angezeigt bekommen, die für sie aufgrund ihres Nutzungs- und Konsumverhaltens relevant sind.

KI - nicht nur für den Online-Handel

KI-Algorithmen ermöglichen auch die visuelle Produktsuche: Anwender stoßen im Social Web auf ein Bild oder nehmen eines mit ihrer Handy-Kamera auf, um es im Shop hochzuladen. Dort wird es interpretiert und Nutzer bekommen die entsprechenden - oder vergleichbare - Produkte zum Kauf angeboten, ohne dass sie Namen und Marke kennen müssen. Empfehlungsmanagament und visuelle Suche sind Helfer in den virtuellen Welten, doch die KI erobert auch den stationären HandelHandel. Top-Firmen der Branche Handel

Intelligente Regale (Smart Shelves) schaffen die Möglichkeit, Preise schnell zu verändern und an die Nachfrage anzupassen. Sonderangebote können kurzfristig angezeigt und wieder entfernt werden, die Waren und Lagerlogistik lässt sich optimieren. In den Läden helfen Smart Mirrors den Kunden, die passende Kleidung auszuwählen. Bereits verbreitet ist die Variante, in der Kunden in der Umkleidekabine am Spiegel Etiketten einscannen und sich anzeigen lassen können, in welchen Größen und Farben ihr gewähltes Produkt noch verfügbar ist. Im Idealfall bringen Verkäufer dann die gewünschte Ware an die Kabine.

Das Smart-Mirror-Prinzip dürfte auch im E-Commerce eine Zukunft haben. So hat Amazon 2018 zumindest vorübergehend in den USA die Mini-Kamera "Echo Look" eingeführt, ein Produkt aus der Familie der Echo-Sprachassistenten. Modebewusste Konsumenten erhielten eine kleine, Alexa-gesteuerte Cam, mit der sie ihre Outfits in Bild und Video festhalten und mit Dritten teilen konnten. Die Daten wanderten in die Amazon Cloud, wo Machine-Learning-Algorithmen Profile des Kunden entwickeln und Styles bewerten beziehungsweise empfehlen können.

In der ersten Ausführung war Echo Look im US-Markt allerdings wenig gefragt. Beobachter erwarten aber, dass Amazon mit einer ausgereifteren Variante einen zweiten Versuch starten könnte. Sollte es gelingen, Kunden zu einer digitalen Anprobe im heimischen Schlafzimmer zu bewegen, könnte der Händler künftig detailliertere Kundenprofile anlegen, mehr verkaufen, möglicherweise auch die Retouren senken und höhere Umsätze erzielen.

Für einen Schub dürften auch Augmented und Virtual Reality (AR/VR) sorgen. Die Modemarke Gucci etwa ermöglicht Kunden die virtuelle Anprobe von Schuhen mit Hilfe einer AR-App. Sie wurde im vergangenen Jahr mit der Kollektion "Cruise" eingeführt: Kunden richten die Smartphone-Kamera auf ihre Füße und lassen sich dort verschiedene Schuhmodelle anzeigen, so dass der Eindruck entsteht, die Schuhe würden getragen. Natürlich ermöglicht die App, Bilder zu machen und diese im Social Web zu teilen, was einen signifikanten Marketing-Effekt zur Folge hat. Erworben werden können die Schuhe natürlich auch.

E-Commerce sucht Innovation

Im E-Commerce steigt die Durchdringung mit ausgefeilten digitalen Techniken. Wer sich verweigert, wird mit seinem Shop das Nachsehen haben. Das macht die aktuelle Studie "eCommerce Trends 2020" von divante und KANTAR besonders deutlich, in der 250 Experten weltweit befragt wurden. Demnach gibt es immer mehr hochspezialisierte Softwarehäuser, die Händler oder Betreiber von Online-Shops mit intelligenten, teilweise KI-basierten Lösungen unterstützen können.

Vue.ai ist so ein Beispiel: Das Unternehmen bietet eine Automatisierungsplattform für den Handel an, damit dieser seinen Kunden eine angenehme "Shopper-Journey" ermöglichen kann. Ein Produkt ist beispielsweise "VueCommerce": Es ermöglicht Händlern, ihre Homepages und Produktangebote für Kunden zu personalisieren. Außerdem lassen sich Webshops so erweitern, dass auch mit hochgeladenen Bildern oder mündlichen Befehlen gesucht werden kann.

Ähnlich positioniert ist Syste.ai, ebenfalls mit Visual-Search-Funktionen und einer Recommendation Engine am Start. Interessant für Betreiber von Online-Shops dürfte bei diesem Anbieter zudem die Funktion "Deep Tagging" sein: Damit lassen sich ganze Produktkataloge automatisiert auszeichnen und somit schnell und mit wenig Aufwand für Suchmaschinen und Produktempfehlungen nutzbar machen.

Weitere KI-basierende Lösungen von Syste.ai sind eine visuelle Navigation für die stufenweise Detaillierung von Produktrecherchen oder die Funktion "Textual Site Search", die Anwendern beim Seitenaufruf Eingabekorrekturen und Vorschläge anbietet. Wie Vue.ai hat auch Syste.ai intelligente In-Store-Lösungen wie Smart Mirrors im Angebot, mit denen Kunden in einem Ladengeschäft Pendants zu dem finden können, was sie gerade tragen oder anprobieren.

KI ist nicht nur für den Betrieb der Websites, sondern auch für die Funktionen im Hintergrund essenziell, vor allem für die Lagerlogistik. 6 river zeigt, wohin die Reise gehen könnte: Das Unternehmen bietet automatisierte Fulfillment-Lösungen für den Einzelhandel an, wobei Lagerwirtschaft und Logistik einschließlich Etikettierung und Versand eingebunden sind. Im Mittelpunkt steht der konfigurierbare Lagerroboter "Chuck", ein mit Sensorik ausgestatteter Rollwagen, der Waren finden, zählen, transportieren, sortieren und kommissionieren kann:

Die wenigen Beispiele zeigen, dass KI auf allen Ebenen des E-Commerce wichtiger wird. Dennoch kosten Engagements viel Zeit und Geld, außerdem müssen Unternehmen immer noch in Werbung und Content Marketing investieren, um potenzielle Käufer auf ihre Seiten zu lotsen. Manche Händler gehen deshalb lieber dorthin, wo der Kunde bereits ist - ins Social Web.

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