Transformationsfahrplan für neue Technologien

So überwinden Fertigungsunternehmen kulturelle Barrieren

Bettina Tratz-Ryan ist Research Vice President und verantwortlich für Gartners Empfehlungen zu den digitalen Transformationsthemen Intelligente Geschäftsfelder und Smart Cities sowie Industrie 4.0.
CIOs in Fertigungsunternehmen haben die Aufgabe, Innovationen für eine erfolgreiche Positionierung im Wettbewerb zu entwickeln und ihr Unternehmen digital wettbewerbsfähig zu machen. Wie das auch in Krisenzeiten gelingen kann, lesen Sie hier.

In der Regel haben Fertigungsunternehmen eine spezielle Kultur, die auf einer skalierten StandardisierungStandardisierung basiert. Gerade in unsicheren und schlecht voraussehbaren Zeiten ist es für Unternehmen noch wichtiger als sonst, sich auf eine gemeinsame Unternehmenskultur oder Mentalität zu verständigen. Kultur und Mentalität meint dabei die durchaus komplexe Gesamtheit der Verhaltensnormen und ungeschriebenen Regeln, die das organisatorische Umfeld prägen. Sie bestimmen, in welchem Ambiente Mitarbeiter normalerweise ihre Arbeit erledigen und mit Kollegen zusammenarbeiten. Alles zu Standardisierung auf CIO.de

Gerade in der Zeit, in der von Mitarbeitern und Geschäftsführung die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens aufgebaut wird, ist die Interaktionsfähigkeit, das Vertrauen in Entscheidungen und die Schnelligigkeit der Umsetzungen von Maßnahmen und StrategienStrategien essenziell. Dazu ist es notwendig, die digitale Kultur ihrer Organisation zu definieren und Innovationen entsprechend anzupassen. Alles zu Strategien auf CIO.de

Was, wenn der Lötvorgang künftig von einem Roboter übernommen wird? CIOs können zum Beispiel über Diskussionen und Weiterbildung die Ängste der Belegschaft zerstreuen, dass Robotik und Maschinen die Arbeitsplätze ersetzen werden
Was, wenn der Lötvorgang künftig von einem Roboter übernommen wird? CIOs können zum Beispiel über Diskussionen und Weiterbildung die Ängste der Belegschaft zerstreuen, dass Robotik und Maschinen die Arbeitsplätze ersetzen werden
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Veränderungen gehen bei Fertigungsunternehmen häufig nur langsam und schrittweise voran. Das liegt unter anderem daran, dass schlanke Produktion, Standardisierung, Ressourceneffizienz sowie Qualitätsprogramme schon immer von den Geschäftsprozessen abhängig sind, die durch Standardisierung wenig von der Norm abweichen. Jedoch hat die gegenwärtige Situation der Eingriffe in den Unternehmensalltag, den viele Führungskräfte und Mitarbeiter bewältigen müssen, die Selbstverständlichkeit der Abläufe unterbrochen. Es gibt unter Umständen jetzt Bewegung auch in Organisationstrukturen, die vorher stagniert hatten, aber jetzt Flexibilität zeigen.

Die Willigkeit der Mikroveränderung, auch Kultur Hacks genannt, kann dazu genutzt werden, starre Abstimmung von Arbeitsabläufen, Betriebsstrategien und schlanken Konzepten aufzubrechen. Wo vorher Change-Management und die dazugehörigen Strategien als konträr zu diesem "systemzentrierten" Fokus gegolten hatte, gibt es jetzt die Möglichkeit, DigitalisierungDigitalisierung auch behutsam in diese Kultur einzupflegen, abhängig von den unterschiedlichen Branchen in der der Fertigungsindustrie. Die Kultur - und der Kulturwandel - sind jedoch grundlegend für die Fähigkeit eines Unternehmens, Initiativen umzusetzen, die so radikal sind wie die digitale Transformation. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Fertigungsunternehmen benötigen aktuell Strategien und Transformationsfahrpläne, um wichtige Aufbauprojekte durch neue Technologien wie Automatisierung, industrielle Datenorchestrierung oder cyberphysikalische Systeme (technische Systeme, die aus der Integration von Berechnungs- und physischen Komponenten aufgebaut sind und von diesen abhängen) zu begleiten.

Ein Blick auf den Markt zeigt: Die digitalen Ambitionen von CIOs und IT-Leitern sind zwar durchaus fortschrittlich. Sieht man sich dazu aber auch an, wie weit sie mit dem Aufbau von Modellen und Richtlinien für die Digitalisierung und mit deren Verbindung mit Kerninfrastrukturen und Produktionsumgebungen sind, zeigt sich, dass die tatsächliche Ausführung eher langsam vorangeht. Das liegt unter anderem daran, dass viele Entscheider auf mittleren Führungsebenen die Vorteile der digitalen Transformation nicht verstehen.

Kultur stützt die Digitalisierung

Jede Fertigungskultur kann prinzipiell mit einer Reihe von Organisationselementen charakterisiert werden, die zusammengenommen die Fähigkeit eines Herstellers, digitale Initiativen zu starten und zu skalieren, unterstützen - oder sie behindern können:

  • Mentalität: Die bestehende Produktionskultur ist klar strukturiert zwischen IT- und OT-Kompetenzen in Fabriken und der Lieferkette, die Arbeit und die Prozesse darauf ausrichten. Da mit Automatisierung, KI und Robotik neue Fähigkeiten entstehen, wird eine neue Mitarbeiterbasis mit Millennials und stärker kollaborativen Strukturen eine agileagile Mentalität und Kultur erfordern. Alles zu Agile auf CIO.de

  • Leistungsmetriken: In etablierten Fertigungsunternehmen basieren diese oft auf Messungen von wiederkehrenden Einheiten. Die Kultur der Digitalisierung erfordert eine Verlagerung hin zu objektiven Messungen, die Ergebnisse und nicht nur Statistiken darstellen.

  • Führung: Viele Organisationen arbeiten in einer klar definierten Hierarchie mit einem "Top-Down-Management". Die fortschrittliche Fertigung erfordert jedoch die Zusammenarbeit über interne und externe Ökosysteme hinweg und erfordert zudem auch horizontalen Input.

  • Komplexität: Die traditionelle Ausrichtung in Fertigungskulturen wird oft durch die Ausrichtung der Lieferkette und der Ressourcenbeschaffung bestimmt. Dies ist gerade an vielen verschiedenen Orten gegeben, wo ein wohl strukturierter Ansatz störende Disruptionen abschwächen kann.

  • Werte: Diese können recht emotional und sozial sein, von handwerklichem Können bis hin zu zweckgerichteten Prinzipien, die Klimawandel und Nachhaltigkeit als Zweckbestimmung für die Belegschaft einschließen.

Um den Wandel agiler zu gestalten, müssen CIOs die wichtigsten Elemente, die die Kultur ihres Unternehmens einzigartig machen und definieren, sowohl identifizieren als auch verstehen. Die Auswirkungen dieser Elemente müssen anschließend priorisiert und addressiert werden, wie sie sich auf die Einführung digitaler Initiativen und ihre Skalierbarkeit auswirken und unter Umständen verlangsamen.

Zudem muss die Unternehmenskultur im Hinblick auf digitale Rahmenbedingungen wie Industrie 4.0 oder die "digitale Fabrik " bewertet werden. CIOs müssen daher in der Lage sein, sowohl mit der Unternehmensführung als auch mit der Mitarbeiterbasis effektiv zu kommunizieren und die digitalen Initiativen identifizieren, die echte Chancen darstellen. Auch muss bestimmt werden, wie schnell sich die Belegschaft und die Führung an diese Chancen anpassen können.

Der richtige Ton für den Wandel

Die Identifizierung der Unternehmenskultur ist allerdings erst der Anfang. CIOs müssen den richtigen Ton für den digitalen Wandel treffen. Das gilt nicht nur, um Führungskräfte und Mitarbeiter zu gewinnen, sondern auch, um ihnen zu helfen, die Botschaft im gesamten Unternehmen zu verbreiten.

CIOs können zum Beispiel über Diskussionen und Weiterbildung die Ängste der Belegschaft zerstreuen, dass Robotik und Maschinen die Arbeitsplätze ersetzen werden. Sie sollten betonen, was Technologie für berufliche und geschäftliche Karrieren und Möglichkeiten bieten kann. Es ist wichtig festzustellen, wie schnell sich die Führung und die Belegschaft an die Veränderungen anpassen können, die für das digitale Geschäft erforderlich sind.

Transformationsaufgaben sollten idealerweise an interne Botschafter übertragen oder delegiert werden, die sich fähig fühlen, die Flexibilität und Veränderungsbereitschaft ihrer Teams zu fördern. Auf diese Weise können CIOs eine Grundlage für den Wissensaustausch und die berufliche und persönliche Entwicklung schaffen, so dass die Mitarbeiter innovationsfördernde Maßnahmen annehmen und fördern können.

Unterstützung, Förderung und Antrieb der Agilität des Wandels

Viele CIOs glauben, dass das Ziel darin bestehen sollte, digitale Lösungen oder Übergangstechnologien zu entwickeln. In einer digitalen Welt wird ihr Erfolg jedoch auch an ihrer Fähigkeit gemessen, die Unternehmenskultur zu verändern und die Veränderungsflexibilität zu entwickeln, indem sie digitale Nutzer in digitale Entdecker verwandeln.

Um digitale Nutzer in digitale Entdecker zu verwandeln, müssen CIOs beispielsweise die Teamarbeit durch neue Kommunikationsplattformen und Knotenpunkte für den Wissensaustausch stärken. Zudem sollte Kontakt zu Ökosystempartnern aufgenommen werden, um die Teams an den globalen Standorten zu verstärken und Sichtweiten zu erweitern. CIOs sollten die "digitalen Eingeber" des Unternehmens werden, die zuhören, verstehen und anerkennen, was die Menschen wollen und brauchen.

Empfehlungen

  • Mikroveränderung oder Kulturhacks können eingesetzt werden, um Innovationen zu fördern. Diese signalisieren den Teams, dass die CxOs aus der alten Denkweise ausbrechen und für Neues offen sind.

  • Mit Einzelpersonen und Teams einen kontinuierlichen Feedback-Kreislauf schaffen.

  • Governance-Strukturen entwickeln, die in Wikis, Intranets und Datenpools zugänglich sind, um volle Transparenz darüber zu schaffen, wer was tut.

  • "Digitale Sozialkompetenzen" entwickeln, um durch Kommunikation mit Wissen und Integrität Vertrauen aufzubauen.

  • Zur Förderung einer "No-Limit"-Haltung KPIs entwickeln, die zeigen, dass Misserfolge akzeptabel sind.

Vertrauen können CIOs vor allem durch direkte Verbindung zwischen ihrer CIO-Rolle und der Geschäftsorganisation sowie dem IT-Team herstellen. Dabei müssen sie sich die Frage stellen, ob die Botschaft über Veränderungsflexibilität, Technologie oder Plattformdesign vertrauenswürdig ist. Wichtig ist auch die Entwicklung einer "No-Limit"-Haltung. Das bedeutet, dass für Teams KPIs entwickelt werden, die zeigen, dass Misserfolge in Ordnung sind. Die Erlaubnis zu Scheitern gibt den Teams die Freiheit, Innovation zu schaffen.

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