Kampf gegen Amazon, Apple, Facebook und Google

Stefan Winners will US-Techkonzerne an die Kette legen

02.11.2020
Der frühere Burda-Vorstand Stefan Winners fordert Europa auf, mehr Wettbewerb zu schaffen, um nicht als "digitale Kolonie" zu enden.
Stefan Winners war viele Jahre Vorstandsmitglied Digital des Medienkonzerns Hubert Burda Media und dort unter anderem für Xing sowie andere digitale Themen zuständig. Jetzt ist er Berater für das Venture Capital Unternehmen Lakestar.
Stefan Winners war viele Jahre Vorstandsmitglied Digital des Medienkonzerns Hubert Burda Media und dort unter anderem für Xing sowie andere digitale Themen zuständig. Jetzt ist er Berater für das Venture Capital Unternehmen Lakestar.
Foto: Burda

Europa droht aus Sicht des Ex-Burda-Vorstands Stefan Winners eine "digitale Kolonie" der USA und vermutlich auch Chinas zu werden. So etwas wie Google und Facebook in Amerika oder TikTok in China gibt es in Europa nicht. Winners fordert eine Regulierung und mehr Wettbewerb. Ein Lizenz-System könne dabei helfen, erläuterte der Digitalexperte im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Millionen Deutsche nutzen Google und Facebook. US-Plattformen haben sich weltweit einen Riesenvorsprung erarbeitet, China hat nachgelegt - zum Beispiel mit TikTok. Kann Europa das alles jemals aufholen?

Stefan Winners: Das wird ein langer und schwieriger Weg, der zehn bis fünfzehn Jahre dauern wird. Wenn wir es jetzt jedoch nicht anpacken, dann verändern wir nichts. Dann wird Europa eine digitale Kolonie von Amerika und zukünftig vermutlich auch von China.

An welche Stellschrauben muss Europa in den digitalen Märkten ran?

Stefan Winners: Die Chinesen haben allen internationalen Digital-Playern weltweit den Markt verschlossen und daraufhin eine hochlebendige, starke Digitalindustrie geschaffen. Wir können natürlich nicht die Entwicklung des Internets zurückdrehen und sagen: "Wir verbieten Google in Europa." Wir müssen definieren, an welchen Stellen wir digital autonom werden wollen. Die europäische und auch die deutsche Politik müssen entscheiden, in welchen Bereichen Europa zukünftig technologisch und damit auch wirtschaftlich und politisch souverän bleiben möchte. Themen, die sinnvoll wären, sind beispielsweise Browser und Cybersecurity.

Sollte Europa eine gemeinsame eigene digitale Infrastruktur schaffen, als Gegengewicht zu großen Plattformen? Solche Ideen gibt es schon.

Stefan Winners: Mein Eindruck ist, dass zu viele Einzelinteressen eine wirklich gemeinsame Lösung bei großen Infrastrukturthemen wie Browser, Suche oder Video verhindern. Der wichtigste Punkt für die Politik sollte sein: Die Märkte wieder öffnen und es ermöglichen, dass durch Wettbewerb neue Spieler an den Start kommen und sich ein erfolgreiches europäisches digitales Ökosystem entwickelt.

Wie könnte eine Regulierung aussehen - ganz konkret?

Stefan Winners: Das könnten zum Beispiel Lizenzen sein, die mehrheitlich nur durch in Europa ansässige Firmen gehalten würden. Amerikanische Unternehmen müssten dann beispielsweise ihr Geschäft abspalten und es in Europa an die Börse bringen, um die Lizenz zu bekommen. Oder, dass zum Aufbau neuer Geschäftsmodelle keine Quersubventionierung stattfinden darf.

Das heißt, dass Milliarden-Investitionen in neue digitale Geschäftsbereiche, die ein dominierender Konzern leicht tätigen kann, ab einem gewissen Unternehmensumsatz nicht mehr erlaubt wären. Und schließlich: So, wie die Deutsche Bahn das Schienennetz mit anderen Anbietern teilen muss, könnte man etwa Google und Facebook zwingen, ihre Daten und Archive zum Beispiel mit anderen Unternehmen zu teilen. Ich kann Brüssel nur ermutigen, diesen Weg zu gehen.

Medienunternehmen beklagen hierzulande eine Übermacht von großen US-Plattformen. Geld für Werbung, das früher in Printprodukte geflossen ist, geht inzwischen häufig auf das Konto von Internetkonzernen. Hat man hier zu lange gezögert?

Stefan Winners: MedienMedien und andere europäische Unternehmen, vor allem deutsche, haben unsere eigenen Technologien und damit die Haltbarkeit unserer existierenden Geschäftsmodelle überschätzt und die der Technologie-Unternehmen unterschätzt. Ich glaube, alle haben Fehler gemacht. Die enormen Netzwerkeffekte, die bei den Plattformen zur Wirkung kommen, waren damals von außen nicht zu sehen und es gab auch viel zu wenige Technologie-Experten, die verstanden haben, was technologisch bei den Plattformen passiert. Das ist heute anders. Top-Firmen der Branche Medien

Was empfehlen Sie deutschen Medienunternehmen?

Stefan Winners: Konsequent digital und kundenorientiert denken, schneller transformieren.

In den USA läuft eine Klage gegen Google. Die US-Regierung wirft dem Internetkonzern unfairen Wettbewerb vor, Konkurrenten könnten im Markt nicht Fuß fassen. Google weist die Vorwürfe zurück. Welche Strahlkraft hat dieser Vorgang auf Europa und Deutschland?

Stefan Winners: Große US-Techkonzerne wie GoogleGoogle, AppleApple, AmazonAmazon und FacebookFacebook haben ihre marktbeherrschende Stellung nicht nur mit, sondern gegen den Markt gewonnen. Unternehmen mit so enormen Marktanteilen unterdrücken den Wettbewerb. Deswegen ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt, diese Unternehmen an die Kette zu legen. Durch die Entwicklung in Amerika werden auch Brüssel und alle Mitstreiter gestärkt. (dpa/rs) Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Apple auf CIO.de Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Google auf CIO.de

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