Open-Source-Software im Unternehmenseinsatz

Steter Tropfen höhlt den Stein

08.11.2004
Von Jan Schulze

Applikations-Server fassen Fuß

Die Applikations-Server tun sich laut Wichmann hier deutlich schwerer: "Applikations-Server sind meist kritische IT-Komponenten. Sie müssen also eine hohe Reife aufweisen und können kaum über einfache Systeme von unten vordringen. Hier läuft der Prozess viel langsamer als bei den Datenbanken." Doch beobachtet Wichmann, dass die Applikations-Server nun langsam in den Rechenzentren Fuß fassen.

Finden sich bei Datenbank- und Server-Anwendungen noch recht viele ausgereifte Produkte, sieht es in anderen Softwarebereichen noch eher mager aus. Eine besondere Herausforderung finden Unternehmen, die sich zu Open-Source-Produkten hingezogen fühlen, bei den System-Management-Werkzeugen. Hier bestimmen proprietäre Lösungen wie Tivoli oder Hewlett-Packards OpenView das Geschehen. Bei der freien Software sind derart umfangreiche und ausgereifte Suiten kaum zu finden, meist konzentrieren sich die Entwickler auf einzelne Probleme der Systemverwaltung. Zwar sind inzwischen einige interessante Produkte verfügbar, wie zum Beispiel Genuadmin, doch auf absehbare Zeit werden individuelle ToolZusammenstellungen unverzichtbar bleiben.

Weiße Flecken in Open-Source-Landschaft

Für die Lücken im Open-Source-Angebot gibt es gute Gründe. Denn es ist ein Kennzeichen der freien Software, dass sich viele Entwickler ohne kommerzielle Interessen hier engagieren - und damit auch nicht unbedingt den Anforderungen des Markts folgen. Professionelle Angebote bei Beratung, Implementierung und Support sind zwar für einige Produkte verfügbar. In weiten Teilen der Open-Source-Software-Landschaft sucht man diese jedoch vergeblich. Neben der Verfügbarkeit von Lösungen stellt die GNU GPL, eine der wichtigsten Lizenzen im Open-Source-Umfeld, viele Unternehmen vor Probleme: Die GNU GPL besagt zum Beispiel, dass jeder Code, der auf GNU-GPL-Entwicklungen beruht, seinerseits wieder dieser Lizenz unterworfen werden muss. Man redet hierbei von "Copyleft" oder von der "GPL Infection". Anwender, die selbst Hand an die Software legen, können und wollen dieser Vorgabe nicht immer folgen. So ist der Einsatz freier Software im Unternehmen jenseits der etablierten Produkte noch mit einem Fragezeichen versehen.

Um im Dickicht der Open-Source-Produkte den Überblick zu behalten, müssen Unternehmen in der Lage sein, die Projekte der Community richtig einzuschätzen. Für Wichmann betrifft das vor allem Anwender, die den Open-Source-Einsatz jenseits der etablierten Entwicklungen wie Linux, Apache oder MySQL anpeilen. Dabei sei es vor allem wichtig, den Reife- und Verbreitungsgrad einer Software einzuschätzen. Wichmann empfiehlt, zunächst einfache Indikatoren zu Rate zu ziehen: "Ein Indiz zum Verbreitungsgrad ist zum Beispiel, wie viele Buchveröffentlichungen es zu einer Open-Source-Software gibt." Auch die Frage, ob große Unternehmen der IT-Branche hinter einem Open-Source-Projekt stehen, sei bei der Beurteilung hilfreich. Der Analyst gibt jedoch zu bedenken: "Vor Produkteinstellungen und Firmenschließungen ist man auch bei kommerziellen Softwareanbietern nicht gefeit."

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