Gallup State of the Global Workplace 2022

Stresslevel auf neuem Rekordniveau

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Weltweit haben Unternehmen immer größere Probleme, ihre Belegschaften bei Laune zu halten. Das US-Meinungsforschungsinstitut Gallup hat in einer breit angelegten Studie die Ursachen untersucht.
Der Stress am Arbeitsplatz nimmt zu - das löst die Bindung zwischen Angestellten und Arbeitgeber und wird zu einem Wettbewerbsrisiko für die Unternehmen.
Der Stress am Arbeitsplatz nimmt zu - das löst die Bindung zwischen Angestellten und Arbeitgeber und wird zu einem Wettbewerbsrisiko für die Unternehmen.
Foto: KieferPix - shutterstock.com

In den Chefetagen rund um den Globus schrillen die Alarmglocken. Zu den wirtschaftlichen Problemen wie dem Absturz der Aktienmärkte, grassierender Inflation sowie unterbrochenen Lieferketten kommt nun auch die "Great Resignation". In den Belegschaften von Frankfurt bis San Francisco gärt es. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gestresst. In ihren Home-Offices sind zudem viele ins Nachdenken gekommen – über ihre Arbeit, die Art und Weise, wie sie geführt werden, und ihren Lebensentwurf generell.

Das US-amerikanische Meinungsforschungs- und Beratungsunternehmen Gallup, das sich selbst an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Psychologie ansiedelt, hat für den aktuellen Bericht "State of the Global Workplace 2022" insgesamt über 105.000 Beschäftigte in 146 Ländern befragt. Fast 18.000 Interviews wurden in Europa geführt. Diese fanden telefonisch oder persönlich statt. Die Auswahl der Befragten erfolgte nach einem Zufallsprinzip. Die Ergebnisse sind den Marktforschern zufolge repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft im jeweiligen Land.

"Die Welt ist im Wandel, und wir erleben diesen Wandel auch in der Arbeitswelt", resümiert Pa Sinyan, Managing Partner von Gallup in EMEA. "Obwohl Deutschland vergleichsweise gut durch die Coronakrise gekommen ist, dürfen sich die Unternehmen jetzt nicht zurücklehnen." In einem immer volatileren Arbeitsmarkt und einem sich verschärfenden Wettbewerb um Talente stelle die emotionale Bindung an den Arbeitgeber einen wichtigen Erfolgsfaktor dar. Fehle sie, sei das ein ernst zu nehmendes Risiko, es könne die Wettbewerbsfähigkeit bedrohen.

Viel Stress – wenig Bindung

Es sind verschiedene Aspekte, die den Arbeitnehmern zusetzen und letztendlich in die innere oder reale Kündigung führen können:

Mehr Stress: Weltweit ist der Stresslevel auf einen neuen Rekordstand gestiegen, nachdem er aufgrund der Coronakrise bereits im Vorjahr so hoch war wie nie zuvor. 44 Prozent der Befragten klagen, sie hätten so viel Stress wie nie zuvor. Deutschland scheint die Pandemie hinsichtlich dieses Aspekts ein wenig besser überstanden zu haben. Vier von zehn Beschäftigten beantworten die Frage, ob sie am Vortag Stress im Job gehabt hätten, mit Ja. Spitzenreiter in Sachen Stress sind die Amerikaner. In den USA klagen 52 Prozent über einen hohen Stress­level an ihrem Arbeitsplatz.

"Wir profitieren in Deutschland von einer Kombination aus weitgehender Arbeitsplatzsicherheit durch das Instrument der Kurzarbeit und einem stabilen Sozial- und Gesundheitssystem", erklärt Marco Nink, Director of Research & Analytics EMEA bei Gallup, die regionalen Unterschiede. "Deutsche Beschäftigte brauchen sich um ihre Existenz weniger Sorgen zu machen als die Arbeitnehmenden vieler anderer Länder". Die Home-Office-Pflicht habe darüber hinaus, zum Beispiel durch Wegfall des täg­lichen Pendelns, bei vielen Menschen den täglichen Stresspegel gesenkt.

Fehlende Bindung an den Arbeitgeber: Auch wenn das Stressniveau hierzulande im internationalen Vergleich auf etwas niedrigerem Niveau liegt, fühlen sich auch bei uns viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht emotional an ihr Unternehmen gebunden. Im Gegenteil: In Deutschland spricht nicht einmal jede/r Sechste von einem engen Zugehörigkeitsgefühl zum Arbeitgeber (16 Prozent) – das liegt deutlich unter dem globalen Durchschnitt von 21 Prozent. Bei unseren südlichen Nachbarn Schweiz (elf Prozent) und Österreich (neun Prozent) ist der Wert sogar noch schlechter. Im europäischen Durchschnitt sind es ebenfalls nur 14 Prozent, die ihre emotionale Bindung zum eigenen Unternehmen als hoch bezeichnen. Spitzenreiter in dieser Hinsicht sind Beschäftigte in Nordamerika. In Kanada und den USA sagt immerhin jeder Dritte, er fühle sich emotional eng mit dem Unternehmen verbunden, für das er arbeitet.

Dem Gallup-Bericht zufolge hat die emotionale Mitarbeiterbindung einen starken Einfluss auf die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen – was sich in Kennzahlen zu Fluktuation, Produktivität, Sicherheit am Arbeitsplatz (Arbeitsunfälle) oder Profitabilität widerspiegele. Nach Berechnungen der Marktforscher kostet die geringe Mitarbeiterbindung die Weltwirtschaft pro Jahr 7,8 Billionen Dollar. Das entspricht elf Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts (BIP).

Negative Gefühle im Job nehmen zu.
Negative Gefühle im Job nehmen zu.
Foto: Gallup

"Mitarbeiterbindung und Wohlbefinden stehen in einer starken Wechselwirkung zueinander", konstatiert Gallup-Manager Nink. "Wie Menschen ihre Arbeit erleben, beeinflusst auch ihr Leben außerhalb der Arbeit." Die erlebte Führung und das Arbeitsumfeld würden sich maßgeblich auf das Stressempfinden auswirken, gleichzeitig aber auch die Lösung für dieses Problem bereithalten. "Wer gute Führung erlebt, ist deutlich entspannter, sowohl am Arbeitsplatz als auch privat – denn Stress wird nicht am Werkstor oder Empfang abgegeben, sondern in der Regel mit nach Hause genommen, wo er sich häufig als negatives Verhalten gegenüber dem privaten sozialen Umfeld zeigt", so Nink.

Größere Unzufriedenheit: Dass viele Menschen ihren Ärger aus dem Job mit nach Hause nehmen, zeigt sich an anderer Stelle der Gallup-Umfrage. Befragt nach ihrer Lebenssituation, äußerte sich knapp die Hälfte der Europäer zufrieden (47 Prozent). Das liegt zwar deutlich über dem globalen Durchschnitt (33 Prozent), aber auch um fünf Prozentpunkte unter dem Wert vom vergangenen Jahr.

Am glücklichsten sind die Menschen im Norden Europas: In Finnland (84 Prozent), Dänemark (78 Prozent), Island (77 Prozent), den Niederlanden (76 Prozent), Schweden (72 Prozent) und Norwegen (68 Prozent) leben Gallup zufolge die zufriedensten Menschen. In der Schweiz sind es 67 Prozent (+/- 0 Prozentpunkte), auf jeweils 56 Prozent kommen Deutschland (minus drei Prozentpunkte) und Österreich (minus vier Prozentpunkte). Auch die Zahl derjenigen in Europa, die angeben, gut von ihrem der­zeitigen Einkommen leben zu können, ist mit 42 Prozent fast doppelt so hoch wie im Rest der Welt (22 Prozent).

"Zusammenfassend kann man sagen, dass Europa großartig zum Leben ist – aber nicht zum Arbeiten", lautet das Resümee von Nink. "Während die europäischen Arbeitnehmenden mit ihrem Leben überdurchschnittlich zu­frieden sind, sind sie gleichzeitig frustrierter mit der am Arbeitsplatz erlebten Führung und ihrem Arbeitsumfeld als der gesamte Rest der Welt."

Der Wechselwille wird stärker: Das kann schwerwiegende Folgen für die Unternehmen nach sich ziehen. Denn die Bereitschaft, der Unzufriedenheit am Arbeitsplatz ein Ende zu setzen, steigt. Im Schnitt sagen 44 Prozent (plus 16 Prozentpunkte) der in Europa befragten Arbeitnehmer, dass es eine gute Zeit sei, sich einen neuen Job zu suchen. In Deutschland bestätigen dies sogar 53 Prozent (Österreich: 49 Prozent, Schweiz: 48 Prozent).

Allerdings ist die Bereitschaft, dafür den Wohnort zu wechseln, gering. In Deutschland und Österreich würden das elf Prozent der Befragten in Kauf nehmen, in der Schweiz sogar nur neun Prozent. Damit liegt der Großraum DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) sogar noch unter dem bereits niedrigen europäischen Durchschnitt (14 Prozent). Im weltweiten Vergleich der betrachteten zehn Regionen bedeutet das den vorletzten Platz. Weltweit wäre jede/r fünfte Beschäftigte bereit, für einen neuen Job umzuziehen.

Weltweit sagen 45 Prozent der Befragten, dass die Zeit gut ist für einen Jobwechsel.
Weltweit sagen 45 Prozent der Befragten, dass die Zeit gut ist für einen Jobwechsel.
Foto: Gallup

Arbeitgeber müssen attraktiver werden

"Hier zeigen sich die Folgen des durch die Coronapandemie veränderten Arbeitslebens besonders stark", sagt Nink. Die Beschäftigten hätten in den vergangenen zwei Jahren gelernt, dass Arbeit nicht notwendigerweise Anwesenheit an einem bestimmten Ort voraussetzt. Deshalb seien immer weniger Beschäftigte bereit, für einen neuen Job persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen.

"Der dynamische Arbeitsmarkt, in dem Fachkräftemangel herrscht und der viele neue Chancen bietet, bestätigt diese Auffassung", so die Bilanz des Gallup-Analysten. "Die Coronapandemie hat die Situation nachhaltig zugunsten der Beschäftigten ver­ändert. Das Home-Office wird bleiben und ein wichtiger Bestandteil für die Arbeitgeber­attraktivität sein."

Great Retirement verändert Arbeitsmarkt

In Deutschland und einigen anderen Ländern kommt zu all dem noch das Demografieproblem: Allein in diesem Jahr werden sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts etwas mehr als 1,1 Millionen Erwerbstätige in den Ruhestand verabschieden. Gleichzeitig rücken nur etwa 780.000 Menschen neu in den Arbeitsmarkt nach. Diese Schere wird in den kommenden Jahren immer weiter aufgehen. Experten zufolge wird sich das Personaldefizit bis 2030 auf über 600.000 Menschen vergrößern. Neben dem Schlagwort Great Resignation spricht man in Deutschland auch vom "Great Retirement", das den hiesigen Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren massiv verändern wird.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC warnt bereits vor einem massiven Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst hierzulande. Bund, Ländern und Gemeinden würden 2030 rund eine Million Fachkräfte fehlen, schreiben die Berater in einer aktuellen Studie. Das sei "eine völlig neue Dimension, mit massiven Auswirkungen auf Gemeinwohl und Daseinsvorsorge", heißt es dort. Der Staat wäre dann schlimmstenfalls nicht mehr fähig, einige seiner Kernaufgaben zu erfüllen – auch in so wichtigen Feldern wie Gesundheit, Bildung und Sicherheit. "Es geht um nicht weniger als die Frage, ob der öffentliche Sektor seine Kernaufgaben in Zukunft noch erfüllen kann", warnt Volker Halsch, Senior Advisor bei PwC und Strategy& Deutschland sowie früherer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Die PwC-Berater schlagen verschiedene Maßnahmen vor, mit denen sich das Personaldefizit auf eine Zahl zwischen 160.000 und 460.000 beschränken lassen könnte. Neben verstärkten Digitalisierungsmaßnahmen zählen ein flexiblerer Übergang in den Ruhestand dazu, ebenso die gezielte Öffnung der Behörden für Fachkräfte aus dem Ausland und die Anwerbung von Quereinsteigern. Der öffentliche Sektor müsse zudem als Arbeitgeber attraktiver werden.

Je knapper Fachkräfte werden, desto deut­licher verschiebt sich der Arbeitsmarkt von einer Arbeitgeber- zu einer Arbeitnehmer­zentrierung. Die Generation der Babyboomer geht in Rente, junge Talente als Ersatz zu finden, wird zu einer Herausforderung. Hinzu kommt, dass die jüngeren Beschäftigten weniger motiviert und zufrieden sind als die scheidende Generation. Eine Umfrage von EY vom Herbst vergangenen Jahres zeigt, dass nur 40 Prozent der 25- bis 34-Jährigen sich als zufrieden bezeichnen – der schlechteste Wert unter allen Altersgruppen.

Junge definieren sich nicht über Arbeit

"Die Einstellung zur Arbeit hat sich im Generationenvergleich deutlich verändert", konstatiert Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung und Personalleiter von EY in Deutschland. "Die jüngeren Generationen definieren sich nicht mehr so sehr über den Job wie das noch die Älteren getan haben." Werte wie Familie, Freunde und Freizeit würden wichtiger. Moderne Arbeitgeber müssten den jüngeren Beschäftigten daher mehr bieten als nur Karriereoptionen. Laut Hinz ist die Zugehörigkeit zu einem Team wichtig, und das Gefühl, an einem lohnenswerten Ziel mitzuarbeiten – der persönliche Purpose also. Der dürfe allerdings keine leere Hülle bleiben, sondern müsse mit konkretem Handeln umgesetzt werden.

"Die jüngeren Generationen definieren sich nicht mehr so sehr über den Job wie das noch die Älteren getan haben", sagt Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsleitung und Personalleiter bei EY in Deutschland.
"Die jüngeren Generationen definieren sich nicht mehr so sehr über den Job wie das noch die Älteren getan haben", sagt Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsleitung und Personalleiter bei EY in Deutschland.
Foto: EY

Wie das genau funktionieren soll, können derzeit die wenigsten Betriebe für sich beantworten. Erkannt wurde immerhin, dass die Beschäftigten sich mehr Freiräume wünschen. In Großbritannien hat Anfang Juni das bislang größte Pilotprojekt zur Einführung einer Viertagewoche begonnen. 70 britische Unternehmen haben sich im Rahmen des sechs Monate dauernden Versuchs verpflichtet, für rund 3.300 Beschäftigte eine Viertagewoche einzuführen. Beteiligt sind Firmen verschiedener Größen und Branchen – vom Autoteilehändler über eine Marketingagentur und ein Animationsstudio bis hin zum Fish-and-Chips-Shop.

Experimente mit Arbeitsmodellen

Das Ziel: eine Viertagewoche ohne Lohnkürzung, basierend auf dem "100-80-100"-Prinzip – 100 Prozent Lohn für 80 Prozent der Arbeitszeit mit einer erwarteten Produktivität von 100 Prozent. Joe O‘Connor, CEO von 4 Day Week Global, der gemeinnützigen Organisation hinter diesem Pilotprojekt, ist überzeugt: "Während wir die Pandemie allmählich hinter uns lassen, erkennen immer mehr Unternehmen, dass eine bessere Lebensqualität und reduzierte Arbeitszeiten für die Mitarbeiter einen Wettbewerbsvorteil bedeuten können. Die Auswirkungen der ‚Great Resignation‘ beweisen, dass Arbeitnehmer aus den verschiedensten Branchen bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie kürzer und intelligenter arbeiten."

Das sieht Tesla-Chef Elon Musk ganz anders. Der umstrittene Manager, der in der Vergangenheit schon mal gern über die 80-Stunden-Woche schwadronierte, will seine Angestellten wieder zurück ins Office beordern. Anfang Juni ging eine Mail an sämtliche Tesla-Beschäftigten, wonach diese wieder mindestens 40 Stunden in der Woche in den Büros arbeiten müssen. Verstöße gegen diese Anordnung würden als Kündigung betrachtet.

Tesla-Chef Elon Musk verdonnert seine Mitarbeiter, zurück ins Büro zu kommen. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass dort gar nicht genug Platz für alle ist.
Tesla-Chef Elon Musk verdonnert seine Mitarbeiter, zurück ins Büro zu kommen. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass dort gar nicht genug Platz für alle ist.
Foto: Naresh777 - shutterstock.com

Auch in anderen Unternehmen wird derzeit heftig darüber diskutiert, ob und in welchem Ausmaß das Home-Office weiter Bestand haben soll. Viele Betriebe wollen daran festhalten. Sie reduzieren ihre Büroflächen und überlassen ihren Angestellten weitgehend die Entscheidung darüber, wo sie arbeiten möchten. Beispielsweise hatte Airbnb-CEO Brian Chesky angekündigt, sein Unternehmen werde niemanden mehr verpflichten, ins Büro zu ­kommen.

Mitarbeiter rebellieren ...

Andere Firmen sehen das nicht so locker – und sorgen damit für Unruhe in ihren Organisationen. Bei Apple ist der Streit um das Home- Office regelrecht eskaliert. Ursprünglich wollte der iPhone-Erfinder seine Mitarbeitenden ab dem 23. Mai wieder mindestens drei Tage in der Woche im Büro sehen. Doch die Belegschaft rebellierte.

In einem offenen Brief kritisierten Apple-Angestellte ihren Arbeitgeber als unflexibel. "Wir sagen allen unseren Kunden, wie großartig unsere Produkte für die Remote-Arbeit sind, aber wir selbst können sie nicht in Remote-Arbeit umsetzen?", ist dort zu lesen. Dem Management um CEO Tim Cook warfen die Beschäftigten vor, Angst zu haben: "Angst vor der Zukunft der Arbeit, Angst vor der Autonomie der Arbeitnehmer, Angst vor Kontrollverlust."

... und Apple lenkt ein

Letzten Endes gab die Apple-Führung klein bei und erlaubte ihren Angestellten, bis auf Weiteres vom Home-Office aus zu arbeiten. Den Sinneswandel könnte auch der drohende Exodus von wichtigen Know-how-Trägern bewirkt haben. So verabschiedete sich der renommierte KI-Experte Ian Goodfellow wegen der Arbeitsplatzdirektive von Apple und soll zu seinem Ex-Arbeitgeber Google zurückgekehrt sein. "Ich bin der festen Überzeugung, dass mehr Flexibilität die beste Politik für mein Team gewesen wäre", schrieb Goodfellow zum Abschied an sein Team bei Apple.

Apple bekennt mittlerweile offen, auf der Suche zu sein. "Wir führen die Mutter aller Experimente durch, weil wir es nicht wissen", antwortete CEO Tim Cook bei einer Veran­staltung des "Time"-Magazine in New York auf die Frage nach den größten Veränderungen, die derzeit am Arbeitsplatz stattfänden. "Wir führen ein Pilotprojekt durch und ver­suchen, ein Modell zu finden, das das Beste aus beiden Welten vereint." Cook zufolge geht es darum, die Vorteile der persönlichen und der virtuellen Zusammenarbeit zu kom­binieren.

Bei Apple ist man auf der Suche nach einem neuen Arbeitsmodell. CEO Tim Cook räumt ein, dass das Ergebnis noch völlig offen ist. "Wir wissen es nicht."
Bei Apple ist man auf der Suche nach einem neuen Arbeitsmodell. CEO Tim Cook räumt ein, dass das Ergebnis noch völlig offen ist. "Wir wissen es nicht."
Foto: Laura Hutton - shutterstock.com

"Es sind aber nicht nur die Arbeitszeiten oder der Arbeitsort, die die Arbeitnehmer unzufrieden machen", schreibt Jon Clifton, CEO von Gallup, in seinem Vorwort zum aktuellen State-of-the-Global-Workplace-Report. "Es ist das, was bei der Arbeit passiert, das die Menschen unglücklich macht." Schlechte Führung erzeuge StressStress am Arbeitsplatz. In Deutschland gab dem Gallup-Chef zufolge mehr als die Hälfte der unzufriedenen Arbeitnehmer an, den Ärger mit nach Hause zu nehmen und sich gegenüber der Familie und den Freunden unangemessen zu verhalten. Alles zu Stress auf CIO.de

Hauptgrund für Burnouts: schlechte Chefs

Die häufigste Ursache für Burnout ist Gallup zufolge "ungerechte Behandlung bei der Arbeit". Es folgten "eine unüberschaubare Arbeitsbelastung", "unklare Kommunikation von Managern", "mangelnde Unterstützung durch den Vorgesetzten" und "unangemessener Zeitdruck". Diese fünf Ursachen haben Clifton zufolge eines gemeinsam: "Wenn Sie einen schlechten Chef haben, ist es fast garantiert, dass Sie Ihren Job hassen werden." Ein schlechter Chef ignoriert seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, er respektiert und unterstützt sie nicht. "Ein solches Umfeld kann jeden unglücklich machen."

Die Lösung ist im Grunde einfach, sagt der Gallup-Chef: bessere Führungskräfte. Manager müssten als Zuhörer, Coaches und Mitarbeiter besser werden. "Gute Führungskräfte helfen ihren Kollegen, zu lernen und zu wachsen. Sie erkennen ihre Kollegen an, wenn sie gute Arbeit leisten, und geben ihnen das Gefühl, dass man sich wirklich um sie kümmert. In einem solchen Umfeld gedeihen die Mitarbeiter."

Respektieren, ernst nehmen, zuhören

Das Leben am Arbeitsplatz zu verbessern, ist Clifton zufolge keine Raketenwissenschaft. "Aber die Welt ist näher an der Besiedelung des Mars als an der Lösung der Probleme am Arbeitsplatz", stellt der Manager fest. Wenn Unternehmen heute auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen (ESG) blickten, sei das zwar richtig, aber es reiche nicht aus. Wenn es um die eigenen Belegschaften gehe, konzentrierten sich die meisten ESG-Berichte ausschließlich auf die Entlohnung und die demografischen Daten. "Diese sind zwar wichtig, aber woher wissen wir, ob die Arbeitnehmer mit Respekt behandelt werden?" fragt der Gallup-Chef. "Oder ob sie sich ernst genommen fühlen?"

Nahezu alle Menschen, denen es bei der Arbeit gut geht, berichten, dass sie mit Respekt behandelt werden. Das zahle sich für die Unternehmen aus, berichtet Clifton. Geschäftseinheiten mit engagierten Mitarbeitern erzielten einen um 23 Prozent höheren Gewinn als Bereiche mit unzufriedenen Mitarbeitenden. Darüber hinaus hätten Teams mit engagierten Mitarbeitern weniger Fehlzeiten, Fluktuation und Unfälle zu verzeichnen; auch die Kundentreue sei höher.

Cliftons Fazit lautet deshalb: Wohlbefinden am Arbeitsplatz steht nicht im Widerspruch zu den Zielen der Unternehmen. Führungskräfte auf der ganzen Welt sollten sich wünschen, dass es ihren Angestellten gut geht. Das beginne damit, ihnen zuzuhören.

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