IT in Logistikunternehmen

Tohuwabohu ohne OBU

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.

"Handwerklich nicht professionell"

Zumindest in den großen Unternehmen ist das allen klar. "Wir erleben ja, dass da handwerklich nicht immer professionell gearbeitet wird", sagt Thomas Wilberding vom Automobilspediteur Egerland in Osnabrück über die Maut-Eintreibertruppe. Der IT-Leiter spielt auf Projektpatzer an, die sich das Konsortium von Telekom, Daimler Chrysler Services und dem französischen Autobahnbetreiber Cofiroute geleistet habe: Fehlende Einbeziehung existierender Tankkarten, langsames Lastschriftverfahren, unglückliche Rechnerauswahl (Sun) und vor allem zu wenig OBUs heißen die Kritikpunkte gegenüber Toll Collect. Auch innerhalb des Konsortiums plädierten Projektteilnehmer deshalb dafür, den Start der Maut nicht auf November, sondern gleich auf Januar 2004 zu verschieben.

Doch Finanzminister Hans Eichel will sich die Einnahmen von voraussichtlich rund 300 Millionen Euro pro Monat nicht noch zweimal entgehen lassen. Also beschäftigen sich IT-Leiter wie Wilberding mehr als die Hälfte ihrer Zeit damit, ihre Speditionssoftware der Straßengebühr anzupassen: "Wir haben zum Glück ein System, das relativ offen dafür ist, den Maut-Anteil einzubeziehen", lobt Wilberding die Egerland-Eigenlösung. Was Toll Collect einfordert und was der Spediteur an Kosten weiterreicht, muss eindeutig zuzuordnen sein. "Kein Kunde akzeptiert einen pauschalen Maut-Betrag", sagt Egerland-Geschäftsführer Kay Hanns Ewaldsen. "Jeder lässt sich das auf Heller und Pfennig vorrechnen."

Flicken an der hauseigenen Software

Also feilt Wilberding fleißig an seiner Eigenlösung - so wie die meisten der Logistik-CIOs an ihrer individuellen Software. "Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht daran arbeiten würden", so der IT-Leiter. Standards gibt es im Transportgeschäft nicht, abgesehen vom Electronic Data Interchange (EDI), mit dem Egerland Kontakt zu etwa 20 Kunden pflegt. "Was wir hier an Anforderungen haben, können Sie eigentlich nur in einer Eigenlösung abbilden", betont Wilberding, und sein Chef Ewaldsen gibt ihm zumindest derzeit Recht: "Die Programme, etwa zur Routenoptimierung, sind noch nicht auf einem hohen Entwicklungsstand."

SAP fängt erst langsam an, Lösungen für die Logistikbranche anzubieten, stößt aber bei den meist mittelständischen Unternehmen auf kein allzu großes Interesse. So hofft auch Ewaldsen darauf, dass ihm der IT-Dienstleister VSB Software Systeme aus dem Saarland in zwei bis drei Jahren eine preiswerte ERP-Lösung offeriert. Bis dahin arbeiten rund 30 Disponenten an der Routenplanung und prüfen mit der Egerland-Eigenentwicklung, ob die von Toll Collect eingesammelte Maut den tatsächlich gefahrenen Kilometern entspricht. "Man kann natürlich sagen, es sei Luxus, die Zahlen zu überprüfen. Dann ist aber die ganze Betriebswirtschaft Luxus", meint Geschäftsführer Ewaldsen.

Wenig Lust auf IT

So sieht das im Prinzip auch Johannes Röhr, Geschäftsführer der Firma Anton Röhr aus Rietberg: "Um die Maut zu kontrollieren, wäre ein Controlling-System schon sehr hilfreich", sagt der westfälische Neumöbelspediteur. Angebote dafür lägen auch vor; die Bereitschaft, schon wieder Geld für IT auszugeben, sei jedoch gering. Gerade vor zwei Jahren hat Röhr in ein neues Tourenplanungs-system investiert. Neben den OBUs für die 100 eigenen Möbelwagen nun noch mehr in die Informationstechnik zu stecken widerstrebt dem Mittelständler, der die ganze Maut ohnehin für Quatsch hält.

Röhr steht stellvertretend für beinahe alle kleineren Spediteure - nicht nur mit seiner Ablehnung gegenüber der Maut, sondern auch in der Zurückhaltung gegenüber IT-Investitionen. Transpondertechnik oder elektronische Lieferscheine sind für ihn Zukunftsmusik, die ihre Wirtschaftlichkeit erst noch beweisen muss. Auch Systeme, die per Funk und GPS den Verbleib der Lkw protokollieren und Auftragsänderungen übermitteln, lehnt er für das eigene Unternehmen ab: "Das ist für uns kein Thema, weil wir nur 20 Entladestellen haben." Röhrs Sekretärin ergänzt: "Die Fahrer rufen von selbst an, wenn sie irgendwo länger als eine halbe Stunde warten müssen."

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