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Steigende Kosten

Ukraine-Krieg gefährdet IT-Outsourcing-Projekte

Stephanie Overby schreibt unter anderem für die US-Schwesterpublikation CIO.com.
Viele IT-Outsourcing-Vorhaben in Osteuropa stehen wegen dem Ukraine-Krieg auf dem Prüfstand. Auftraggeber müssen mit steigenden Preisen rechnen.
Der Krieg in der Ukraine wirkt sich massiv auf den Markt für IT-Outsourcing aus. Betroffen davon ist nicht nur Osteuropa. CIOs sollten sich darauf einstellen und Alternativen prüfen.
Der Krieg in der Ukraine wirkt sich massiv auf den Markt für IT-Outsourcing aus. Betroffen davon ist nicht nur Osteuropa. CIOs sollten sich darauf einstellen und Alternativen prüfen.
Foto: Milan Sommer - shutterstock.com

Russlands Einmarsch in die Ukraine führt nicht nur zu einer humanitären Krise. Er ist auch ein Grund zur Sorge für IT-OutsourcingIT-Outsourcing-Kunden, die in der Region engagiert sind - sowie für diejenigen, die vom globalen IT-Dienstleistungsmarkt im Allgemeinen profitieren. Der Konflikt hat bereits massive Auswirkungen auf die ukrainische IT-Outsourcing-Branche, die zuletzt IT-Dienstleistungen im Wert von 6,8 Milliarden Dollar pro Jahr exportiert hat, was etwa vier Prozent des ukrainischen BIP entspricht, berichtet die Handelsgruppe IT Ukraine Association. Nach Angaben des IT-Service- und BPO-Research-Unternehmens Everest Group beschäftigt die Ukraine zusammen mit ihren Nachbarländern etwa die Hälfte der 1,5 Millionen Experten für IT- und Business-Services, die in Europa im Nearshore-Bereich tätig sind. Alles zu Outsourcing auf CIO.de

"Die anhaltende Krise hat massive Auswirkungen auf den ukrainischen IT-Service-Sektor. Aus den westlichen Teilen der Ukraine werden zwar noch einige Dienstleistungen erbracht, aber nur mehr in sehr begrenztem Umfang", sagt Stanton Jones, Direktor und Principal Analyst beim Technologieforschungs- und Beratungsunternehmen ISG. "Da zudem die meisten IT-Dienstleistungen aus Russland abgezogen wurden, hat sich die Arbeit in umliegende Länder wie Polen und Rumänien verlagert." Die Eskalation der russischen Invasion in der Ukraine "könnte mittelfristig die globale Positionierung der Region untergraben", ergänzt Nitish Mittal, Partner bei der Everest Group.

Massive Auswirkungen auf die Lieferfähigkeit

Experten, die die Region beobachten, weisen auf eine Reihe von Auswirkungen hin, die bereits stattgefunden haben oder kurz- bis mittelfristig zu erwarten sind. Sie raten IT-Führungskräften zu geeigneten Maßnahmen für den Rest des Jahres 2022 und darüber hinaus. Die IT-Dienstleistungsbranche in der Ukraine und der umliegenden Region hat bisher eine Reihe gravierender Folgen zu spüren bekommen, darunter Betriebsstilllegungen an strategischen Standorten.

"Von den drei großen globalen Dienstleistungszentren werden Charkiw und Kiew belagert, während sich Lwiw weiter auf einen Angriff vorbereitet", sagt Mittal, und er fügt hinzu, dass allein in diesen Städten 100.000 High-Tech-Arbeiter von den Feindseligkeiten betroffen sind. Zudem sind Hunderttausende von IT-Fachkräften aus der Ukraine in großem Umfang abgewandert. Gleichzeitig kommt es zu einer zunehmenden wirtschaftlichen Isolation, da immer mehr Käufer und Anbieter die Ukraine, Russland und Weißrussland verlassen oder boykottieren. Das habe zu rechtlichen Problemen für IT-Dienstleistungsunternehmen mit Niederlassungen in der Region geführt.

Viele Talente und niedrige Kosten

Die Region Mittel- und Osteuropa (CEE) hat sich in den letzten Jahren aufgrund ihres großen Talentpools, der moderaten Kosten und des günstigen Geschäftsumfelds als wertvolles Zentrum für Technologiedienstleistungen etabliert. Doch unter den IT-Outsourcing-Kunden wächst die Unsicherheit über die langfristige Stabilität der Region für IT-Dienstleistungen. "Technologieeinkäufer spüren und äußern ihre Besorgnis über eine mögliche Ausweitung des Krieges über die derzeit betroffenen Länder Ukraine, Weißrussland und Russland hinaus auf die Nachbarstaaten, insbesondere auf NATO-Mitglieder", sagt Mittal. "Dies wird die Sorge vergrößern, inwieweit IT-Services in der CEE-Region überhaupt aufrechterhalten oder ausgeweitet werden können."

Was Outsourcing-Kunden tun können

Die unmittelbare Sorge von IT-Outsourcing-Anbietern und -Auftraggebern besteht darin, die Sicherheit ihrer Mitarbeiter und Partner in der Region zu gewährleisten - und vor allem die Unterbrechung der Leistungserbringung zu minimieren. IT-Dienstleister sind Mittal zufolge jedoch dazu übergegangen, betroffene Aufgaben an andere Standorte in der Region oder darüber hinaus zu verlagern.

Outsourcing-Kunden selbst können kurz- und mittelfristig eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, um die Folgen der Krise auf ihren Betrieb und ihre Partner einzudämmen. "Im Moment raten wir IT-Organisationen, sich darauf zu konzentrieren, das geopolitische und standortbezogene Risiko bei Beschaffungsentscheidungen genau zu analysieren", sagt ISG-Analyst Jones. "IT-Abteilungen müssen eng mit Service-Anbietern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Arbeit an alternative Standorte in Osteuropa verlegt werden kann." Wenn sich der Konflikt über Monate oder länger hinziehe, würden jedoch einige Unternehmen gezwungen sein, alternative Lieferstandorte zu finden - und wahrscheinlich in Indien fündig werden.

SLAs lockern als Maßnahme?

In den kommenden sechs Monaten sollten sich IT-Outsourcing-Kunden darauf konzentrieren, die Teams ihrer Anbieter zu unterstützen, indem sie zum Beispiel die Service Level Agreements (SLAs) lockern. "Dies ist mehr als eine geschäftliche Krise", sagt Mittal. "Das Einfühlungsvermögen ist ein Schlüssel zum Erfolg." Es werde zudem wichtig sein, die Cybersicherheit zu überwachen, insbesondere die Datensicherheit, da die Bedrohung durch diesen Konflikt über die physischen Grenzen hinausgehe.

Steigende Preise im Outsourcing

Längerfristig sollten sich IT-Outsourcing-Kunden auf steigende Preise einstellen. "Wir haben aktuell noch keinen Preisdruck aufgrund der Krise erlebt", stellt Mittal fest, aber die Knappheit an Talenten speziell für Cloud, Cybersicherheit, KI und Daten sowie negative inflationäre Einflüsse würden die Outsourcing-Kosten voraussichtlich in die Höhe treiben. Laut ISG sind die Preise für T&M-Verträge sowie projektbasierte Abkommen im vierten Quartal 2021 bereits um vier bis sieben Prozent gestiegen, obwohl sich die Preise für Managed Services stabil gehalten haben.

Software-Engineering unter Druck

"Der Konflikt in der Ukraine wird die Anbieter noch mehr unter Druck setzen, Top-Talente zu finden und zu halten, vor allem in High-End-Bereichen wie Software-Engineering, in denen sich die Ukraine auszeichnet", prognostiziert ISG-Experte Jones. Wenn der Konflikt in der Region länger andauere, fügt Mittal hinzu, "werden die Preise für Lieferungen von alternativen Standorten wie Indien, Südostasien oder Lateinamerika in den kommenden vier bis sechs Monaten voraussichtlich nach oben korrigiert".

Wie können IT-Kunden gegensteuern?

Einkäufer von IT-Dienstleistungen sollten ihre Beschaffungsportfolios und geografischen Risiken überprüfen sowie die Bewertungen anderer IT-Hotspots in der Region wie Polen, Rumänien und Ungarn überdenken, sagt Mittal. Aber auch für IT-Abteilungen von Unternehmen, die nicht direkt mit IT-Outsourcing-Anbietern in der Ukraine, Russland oder den Nachbarländern zusammenarbeiten, gilt es, Maßnahmen zu ergreifen. "Alle Unternehmen müssen ihre Business-Continuity-Pläne laufend kontrollieren und verstärken sowie Risiken ihrer Lieferanten bewerten und überwachen", fordert Jones. Gleichzeitig sollten Verantwortliche Sorge dafür tragen, dass die Awareness und die Maßnahmen für Cybersicherheit solide sind.

Offshoring-Alternativen erkunden

Nicht zuletzt können sich Organisationen auf den zunehmenden Wettbewerb um IT-Fachkräfte an alternativen Lieferstandorten in Indien, Südostasien und Lateinamerika vorbereiten. "Schnelles Handeln wird hier entscheidend sein", sagt Mittal. Die Krise werde alle IT-Führungskräfte dazu veranlassen, ihre Services und ihre Beschaffungsstrategie zu überdenken, um eine größere Agilität und Flexibilität bei der Reaktion auf globale Ereignisse zu gewährleisten. "Die pandemiebedingte Vorbereitung in den vergangenen zwei Jahren hat Unternehmen geholfen, ihre Standort- und Servicebereitstellungsstrategie zu überdenken", so Mittal. "In gewisser Weise hat sich der Markt bereits auf eine Krise wie diese vorbereitet, indem Firmen ihre Modelle für die Talentbeschaffung flexibler gestaltet haben."

Partnerschaftliche Beziehungen sind gefragt

Eine bessere Zusammenarbeit und mehr Transparenz im Umgang mit den IT-Lieferanten ist laut Mittal der Schlüssel dazu. "Wir haben gesehen, dass Einkäufer und Anbieter wirklich partnerschaftlich zusammenarbeiten, um die Auswirkungen dieser Krise zu minimieren - auch über den Vertragstext hinaus." Dies gelinge etwa, indem sie Mitarbeitern, die mit den doppelten Auswirkungen der Pandemie und dieser humanitären Krise zu kämpfen haben, einen leichteren Zugang zu psychologischen oder anderen Ressourcen bieten. Zudem würden Firmen flexibler auf Veränderungen reagieren, um Risiken zu mindern oder neue Ansätze zur Business Continuity auszuprobieren.

Noch ist etwas Zeit für Anpassungen: "Der IT-Sektor in der Ukraine hat sich als unglaublich widerstandsfähig erwiesen, da im westlichen Teil des Landes immer noch Lieferungen stattfinden", bilanziert Jones von ISG. "Die IT-Lieferanten haben ihren Mitarbeitern und deren Familien außerordentlich viel Unterstützung und Hilfe geleistet." (wh)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com

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