Project Titan lebt

Und Apple baut doch ein Auto

Mike Elgan schreibt als Kolumnist für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld und weitere Tech-Portale.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Alle Zeichen deuten darauf hin, dass Apple künftig Autos baut. Und zwar auf exakt dieselbe Art und Weise, wie man iPhones produziert.

Es gibt Experten die sagen, AppleApple hätte das Projekt autonomes Auto aufgegeben, auf unbestimmte Zeit verschoben oder in ein Software-Projekt umgewandelt. Außerdem werden Ihnen dieselben Experten sagen, dass der Automobilmarkt ungefähr so gut zu Apple passt, wie Social-Media-Etikette zu Donald Trump. Alles zu Apple auf CIO.de

Um es kurz zu machen: Was diese Leute (in Bezug auf das Apple Car) erzählen, ist falsch. Apple tritt das Gaspedal beim selbstfahrenden Auto in Richtung Bodenblech. Und das aus gutem Grund.

Apple-Enthusiasten müssen sich in Sachen Auto derzeit mit der iPhone-Integration Car Play begnügen. Noch.
Apple-Enthusiasten müssen sich in Sachen Auto derzeit mit der iPhone-Integration Car Play begnügen. Noch.
Foto: Porsche

Verwirrung um Project Titan

Steve Jobs wollte mit Apple das iCar verwirklichen. Doch eigentlich wollte das verstorbene Apple-Mastermind noch viel mehr - zumindest wenn man dem ehemaligen (1999 bis 2015) Apple-Vorstand Mickey Drexler Glauben schenkt. Demnach habe Jobs das Ziel gehabt, mit Apple die Autoindustrie zu revolutionieren.

Die Idee von einem Apple-Auto wurde lange Zeit als Spinnerei abgetan - bis sich Gerüchte über ein Geheimprojekt namens Project Titan verbreiteten. Angeblich seien mehr als 1000 Entwickler mit dem Projekt zugange, hieß es damals.

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Apple ein geheimes Auto-Testlabor im Silicon Valley betreibt, das ganz in der Nähe des Headquarters liegt. Das dahinter stehende "Fake"-Unternehmen hört auf den Namen SixtyEight Research.

Im Oktober letzten Jahres machten schließlich erste Meldungen die Runde, dass hunderte von Entwicklern von Project Titan abgezogen wurden.

Von Tech- und Finanz-Experten wurden diese Ereignisse auf ganz verschiedene Art und Weise interpretiert. Einige sahen darin das endgültige Aus für Apples Autopläne, andere gingen davon aus, dass die Pläne weiterhin Bestand haben, die iPhone-Company aber einen zu großen Rückstand auf diesem Markt hat, den sie nicht mehr einholen kann. Vorwiegend hält sich jedoch die Annahme, dass Project Titan zu einem Softwareprojekt "umgemodelt" wurde und Apple sich darauf konzentriert, ein Betriebssystem für Fahrzeuge zu entwickeln, aber keine eigenen Automobile. Auch jede dieser Annahmen ist falsch.

Was treibt Apples Interesse am Automarkt?

Apple hat vor kurzem erst einen großen Meilenstein erreicht: Das Unternehmen durchbrach die Marktkapitalisierungsgrenze von 800 Milliarden Dollar. Um weiter wachsen zu können, muss Apple nun allerdings in gigantische, neue Märkte einsteigen. Im Vergleich zu Smartphones werden Wearables und Smart-Home-Zubehör niemals einen bedeutenden Markt abbilden.

Apples nächste Branche muss also wesentlich größer sein, als der heutige Markt für Smartphones. Dieser brachte es im Jahr 2016 auf ein Gesamtvolumen von circa 430 Milliarden Dollar. Aber welcher Markt könnte das sein? Was könnte größer sein als das Smartphone? Katy Huberty, Finanzanalystin bei Morgan Stanley, geht davon aus, dass der Markt für autonome Autos bis zum Jahr 2030 satte 2,6 Billionen Dollar schwer sein wird.

Die Beweise dafür, dass Apple ein tiefgehendes Interesse am Automobilsektor hat, gehen weit über Project Titan hinaus: Die Infotainment-Lösung Car Play erlaubt bereits jetzt den Anschluss des iPhones ans Fahrzeug. Darüber hinaus investierte Apple vor ungefähr einem Jahr eine Milliarde Dollar in das chinesische Uber-Äquivalent Didi Chuxing. Dieses Investment brachte Apple nicht nur einen Vorstandssitz bei Didi und den Zugang zu deren Fahrzeugdaten ein, sondern auch eine Beteiligung am (selbstfahrenden) Auto-Projekt der Chinesen. Im März diesen Jahres wurde schließlich bekannt, dass Didi für die Entwicklung eines KI-basierten, autonomen Fahrzeugs ein Labor ganz in der Nähe der Apple Headquarters eröffnet.

Die Präsidentin von Didi ist übrigens Jean Liu, Tochter des Lenovo-Gründers Liu Chuanzhi und laut "TIME Magazine" einer der 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Ihre Laudatio schrieb kein Geringerer als Apple-CEO Tim Cook.

Apples beispiellose Investition in Didi Chuxing und die enge Verbindung zwischen den Unternehmen legt nahe, dass Apple alles über die Technologie und das Kundenverhalten im Segment des Carsharing lernen will. Im Großen und Ganzen investiert Apple außerdem im großen Stil in Mobilität: Berechnungen von Analysten zufolge hat der iPhone-Riese seit 2013 bereits fünf Milliarden Dollar in automotive Forschung gepumpt.

Apple braucht ein Auto, kein Car-OS

Seit dem Launch des iPad im Jahr 2001 war es Apples Obsession, die User Experience auf mobilen Endgeräten zu transformieren. Das hat man geschafft, indem man Hardware, Software und Services für iPhone, iPad sowie seine Laptops kontrolliert hat.

In der Vergangenheit ging es beim Thema Auto in erster Linie um das Fahrerlebnis, dann um Dinge wie den Konsum von Inhalten. Mit dem selbstfahrenden Auto wird diese Priorisierung umgekehrt. Vollautonome Fahrzeuge werden zu batteriebetriebenen Wohnzimmern auf Rädern. Oder wie es Apple-COO Jeff Williams bereits im Jahr 2015 ausgedrückt hat: "Das Auto ist das ultimative, mobile Device."

Wenn man während der Autofahrt nicht mehr auf Straße und Verkehr achten muss, gibt es auch nicht mehr viel anderes zu tun, als Musik zu hören, Filme und Serien zu schauen, in virtuelle Welten abzutauchen oder einen Videochat mit den Kumpels abzuhalten.

Genau wie auf dem Smartphone-Markt wird sich Apple auch einen Teil des Auto-Kuchens sichern und ein renditeträchtiges Business aufziehen, indem sie Hardware, Software und eine breite Palette von Services anbieten. Die erklecklichen Gebühren für alle abgerufenen Medieninhalte nicht zu vergessen.

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