Personenbezogene Daten

Unsere Daten sind mehr Wert als Glasperlen

Kommentar  13.04.2018


Patrick Hedfeld studierte Theoretische Physik und Philosophie an der TU Darmstadt und an der Universidad de Salamanca. Nach seiner Dissertation über Kognitionspositionen bei Hegel ist er Publizist und Freier Dozent an der FOM Hochschule und hält dort Kurse über Wirtschaftsethik und IT-Management. Hauptberuflich arbeitet er als Senior IT Projektleiter bei der Deutschen Leasing AG in Bad Homburg.
Sind unsere Daten etwas wert? Verkaufen wir diese nicht jeden Tag unter Preis, wenn wir diese - wie einst die Ureinwohner der amerikanischen Kontinente - gegen billige moderne Glasperlen eintauschen.
Sind unsere Daten mehr wert als digitale Glasperlen?
Sind unsere Daten mehr wert als digitale Glasperlen?
Foto: tomertu - shutterstock.com

Vor etwa 160 Jahren sprach Häuptling Seattle den legendären Text: Wir sind ein Teil der Erde. Diese Rede - vor dem damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten - ist uns bis heute erhalten geblieben. Wir werden eines Tages herausfinden, dass wir Geld nicht essen können. Was vielleicht noch von viel größerer Bedeutung für diese Zeit ist, lehrt uns ein Ökonom und Soziologe namens Pierre-Joseph Proudhon. Sein viel zitierter Satz: "Eigentum ist Diebstahl", ist noch heute Basis wirtschaftsethischer Debatten.

Beim Aufeinandertreffen der Urvölker der amerikanischen Kontinente mit den ankommenden Europäern kam es zu einer Vielzahl von Begegnungen. Die eintreffenden Siedler wollten den bereits dort lebenden Stämmen ihr Land abkaufen. Sie boten Waren und möglicherweise auch neue und schöne Geschenke für das Land feil, auf dem die Ureinwohner lebten. Doch warum verkauften diese Menschen etwas so wertvolles wie ihr Land an Europäer, die sie kaum kennen konnten für ein paar Geschenke? Waren die Ureinwohner leicht zu übertrumpfen und über den Tisch zu ziehen oder vielleicht begeistert von wertlosen Glasperlen?

Die Bewohner der amerikanischen Kontinente

Das Problem für die Ureinwohner war, dass diese sich nicht vorstellen konnten, dass irgendjemand das Land besitzen konnte. Man könne schließlich auch niemandem den Sonnenschein oder den Wind verkaufen, denn niemanden gehören diese Dinge. Plötzlich kommen Fremde und bieten den vermeintlichen Besitzern an, man könne doch wunderschöne Glasperlen gegen das Land tauschen.

Selbstverständlich kann man die Geschenke annehmen, wenn man der Meinung ist, dass man im Austausch nichts verkaufen kann, was lediglich schon vorhanden wäre. Erst als klar wurde, was es bedeutet das Land zu verkaufen, wurde auch offenbar, was es bedeutet, diesen Handel einzugehen. Man durfte das Gebiet nicht mehr ungefragt betreten oder es ohne Erlaubnis durchqueren.

Uns ist klar, dass man das Land besitzen kann. Adorno und Horkheimer machen uns darauf aufmerksam, dass alles zum Produkt werden kann, auch die Freiheit. Man kann in unserer heutigen Zeit so viel besitzen: Seltene Erden, Wälder, Tiere, einen schnellen Weg zur Arbeit, öffentliche Plätze oder eine Leihmutter auf Zeit. Es scheint, als wäre fast nichts mehr davon ausgeschlossen, zum Besitz werden zu können.

Denken wir an Agenturen und Unternehmen, die Erlebnisse verkaufen, dann scheint es nur ein technologischer Schritt zu sein, bis man uns auch Erinnerungen oder reine Gedanken implementieren kann. Da klopft die Science Fiction bereits an unsere Türen und schnell wird klar, dass vielleicht auch Urlaube in unseren Köpfen ein Produkt darstellen können.

Wir haben für vieles noch keine Kategorie entwickelt und wissen oft nicht, was etwas wert sein kann. Unsere Daten haben einen enorm hohen Wert. Wir geben Informationen über uns schnell für etwas wie Payback-Punkte her. Sind das nicht die neuen Glasperlen?

Der Datenhunger

Uns scheint nicht klar zu sein, was unsere DatenDaten und Messwerte für unser Leben und das unseres Umfeldes bedeuten können. Der unstillbare Datenhunger von großen Unternehmen ist ein erstes Indiz für dessen Wert. Wir tauschen unser Kaufverhalten, die Anzahl unserer täglichen Schritte zur Arbeit und Daten über unser soziales Umfeld problemlos ein: Treuepunkte, Sportapp-Analysen oder eine kostenlose Chatplattform. Und uns ist nicht klar, was wir damit hergeben, denn wir bekommen schöne Dinge dafür und fühlen uns gut dabei. Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Der Trade-Off im Gehirn? Nichts hergegeben für ein schönes funkelndes Geschenk. Kostenlos, aber nicht für immer. Die neuen Glasperlen werden für uns zur Verlockung der Neuzeit. Unsere eigene Regierung speichert seit einiger Zeit sogar unsere Metadaten auf Vorrat, dafür gibt es nicht einmal Sammelpunkte, sondern nur eine Pseudosicherheit, wie die Anschläge von Paris immer wieder aufs Neue beweisen. Frankreich hatte bereits Daten über seine Bürger gesammelt und konnte keine dieser schrecklichen Attentate verhindern.

Das System unserer Transparenz wirkt. Jeder, der nicht mitmacht, wird bestraft. Wir bekommen günstigere Autoversicherungen, wenn wir unsere Verkehrsdaten hergeben. Wir sind ausgeschlossen, wenn wir moderne Kommunikationsplattformen nicht benutzen. Das beste System ist ein belohnendes Prinzip, welches alle diskriminiert, die nicht mitmachen wollen. Keine Datenabgabe? Kein Rabatt.

Bereits in China geht man offen mit der Idee um, sogenannte Social Points einzuführen, eine Art Charakter-Punktzahl, die direkt alle Tätigkeiten ihrer Bürger bis ins kleinste Detail messbar machen soll. Was kann ich Ihnen empfehlen? Verkaufen Sie Ihre Daten zu einem hohen Preis. Sie sollten es mindestens für ein Haus oder eine Eigentumswohnung unternehmen, für keinen Cent weniger.

Denn unsere Daten sind auch unsere Gedanken und diese entscheiden auch darüber, wen wir wählen und das bildet in einer Demokratie auch die Mehrheiten in einer Regierung. Unsere Daten beinhalten Einkaufs- oder Wahrverhalten. Unser Bewegungsprofil sagt voraus, wann wir krank werden. Ein Smartphone weiß schneller, ob ich eine Erkältung habe, bevor ich es weiß. Der Umstand, dass ich nichts zu verbergen habe, sagt noch lange nicht aus, dass ich mich - wie im Calvinismus - gläsern anbieten muss.

Ein digitales Ich

Ein digitales Ich wäre ein möglicher Lösungsvorschlag aus diesem Dilemma. Was wäre das? Mein Name, meine Adresse, meine gespeicherten Dokumente auf der einen Seite. Aber auch meine Entscheidungen, mein Surfverhalten im Netz, meine Bewegungsprofile und ganz sicher auch mit wem ich befreundet bin auf der anderen Seite. Denn auch das ist etwas wert. So unterteilen Soziale Medien schon lange Menschen in "Hubs" oder Multiplikatoren. Ändert sich die Meinung des "Influencers", dann ändert sich auch oft die Meinung seiner Follower.

Es sind die neuen assets, die ausschlaggebend sind: Aufmerksamkeit ist eine Ware geworden. Schon längst einkaufbar über Portale in Form von goldenen Sternen, Klicks, Likes oder Bewertungen. Andere assets? Zugänge oder Zugangskanäle zu allen Menschen, die eine bestimmte Sportart lieben ist ebenso käuflich und wertvoll geworden, wie die Daten, die diesen Werten unterliegen.

Ein Vorschlag: Wenn ich mich in der digitalen Welt noch einmal als "digitales Ich" besitze, dann kann ich sehr gut darüber entscheiden, ob ich mein Verhalten für eine kostenlose Sportapp eintauschen möchte oder ob ich mir der Konsequenzen bewusst sein kann. Es kann zu einem Trade-Off kommen, der vorher noch nicht einmal denkbar war. Denn erst, als für die Ureinwohner der amerikanischen Kontinente klar wurde, was es bedeutet das Land nicht mehr zu besitzen und dort auch nicht mehr jagen und fischen zu können, erst dann wurde klar, dass das Land einen Wert hatte.

So wird uns eines Tages klar werden, dass unsere Daten viel mehr enthalten und die Konsequenzen diese gegen ein paar blaue Punkte eingetauscht zu haben größer sind, als wir jetzt abschätzen können. Freiheit ist zwar in Deutschland auf jeden Rand eines 2-Euro Stückes geprägt, aber dennoch keine Randnotiz.

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