Digitaler Wandel

Unternehmen müssen von Startups lernen

20.10.2014
Von Kristin Schmidt, Manfred Engeser und Lin Freitag

Ähnlich erging es dem Gründer des Spieleentwicklers Zynga: Mark Pincus setzte noch unverdrossen auf Facebook-Spiele, als der Trend schon längst in Richtung Smartphone zeigte. Heute ist der ehemalige Xbox-Manager Don Mattrick Chef des Unternehmens, das durch Spiele wie Farmville bekannt wurde. "Gerade in Schlüsselpositionen kommt es häufig vor, dass jemand gehen muss, weil ein anderer besser für diese Aufgabe qualifiziert oder aufgeschlossener ist", sagt Personalberater Dwight Cribb, der sich auf die Besetzung von Führungskräften mit Digitalkompetenz spezialisiert hat.

"Bei solchen Veränderungen brauchen die Unternehmen dann Know-how von außen - das schaffen sie nicht durch Weiterbildung der Mitarbeiter", sagt er. Bei Rewe soll es Jean-Jacques van Oosten richten. Im vergangenen Dezember holte ihn CEO Alain Caparros als Chief Digital Officer - seine Aufgabenliste ist umfangreich: Den Online-Handel soll er ausbauen, die stationären Märkte mit dem Internet verquicken, onlinebasierte Geschäftsmodelle für die Touristiksparte entwickeln, zu der unter anderem die Reisebürokette Dertour gehört. Kurz: das Kölner Unternehmen für seine digitale Zukunft auf Kurs bringen und richten, was andere verpasst haben. Defizite, die auch Rewe-Chef Caparros einräumt. "Uns als stationär geprägten Händlern fehlt die DNA für das E-Commerce-Geschäft", sagte er 2013 in einem Interview mit der WirtschaftsWoche. Deshalb hat er den Experten van Oosten angeheuert, der 17 Jahre lang im IT- und E-Commerce-Bereich, unter anderem für die britische Handelskette Tesco, tätig war.

Ein digitaler Vordenker allein kann nicht richten

"Die Position des Digitalvorstands wird in Unternehmen zukünftig häufiger besetzt werden", sagt Katharina Wolff, Gründerin der Personalberatung Premium Consultants, die sich auf die Digitalwirtschaft spezialisiert hat. "Im Gegensatz zum Chief Information Officer kümmert er sich nicht um die Technik, sondern gibt dem Unternehmen eine digitale Strategie und identifiziert Zukunftsmärkte."

Weil Rewe-Chef Caparros weiß, dass es ein digitaler Vordenker alleine nicht richten kann, baut van Oosten eine eigene Einheit mit 50 Mitarbeitern auf - Rewe Digital. Den Sprung aus der Analog-Mannschaft in van Oostens Team haben nur wenige geschafft, ein Großteil seiner Mitstreiter ist unter 35 Jahre und neu bei Rewe, ihre Qualifikationen reichen vom Suchmaschinenoptimierer über den Entwickler bis hin zum Experten für digitales Marketing. Bislang mussten auf dem Weg in die digitale Zukunft noch keine Stellen gestrichen werden, der stationäre HandelHandel bleibt zentrale Säule. Top-Firmen der Branche Handel

Arvato-Chef Berg beförderte mit seinem Logistikchef Frank Schirrmeister ein Urgestein der Belegschaft in den Vorstand - der 49-Jährige arbeitet seit 20 Jahren im Unternehmen, hat sich über Jahre im E-Commerce Meriten erworben, zuletzt die digitale Auslieferung des Microsoft-Betriebssystems Windows 8 erfolgreich verantwortet. "Wer mitzieht, wird belohnt", lautet Bergs Botschaft an die Belegschaft. Und wer sich dem Wandel verweigert, muss schon mal gehen - so wie der bisherige Leiter des Bereichs elektronische Kundenkarten, von dem sich Arvato gerade getrennt hat. "Auf einen Schlag das komplette Führungsteam auszutauschen ist falsch. Das destabilisiert das Unternehmen", bestätigt auch Personalberaterin Wolff. "Aber ohne personelle Einschnitte geht es selten." Denn nicht alle sind zu einem Wandel bereit. Der Vorstandsvorsitzende des Fachverbandes Change Management, Hans-Werner Bormann, geht davon aus, dass 15 Prozent der Mitarbeiter sich dem Wandel verweigern, wiederum 15 Prozent sind Veränderungen extrem aufgeschlossen. Die restlichen 70 Prozent gelten als Zaunsitzer, die erst einmal abwarten und beobachten. "Die gilt es zu überzeugen", sagt Bormann. "Wenn ein Unternehmen es schafft, 25 bis 30 Prozent der Zaunsitzer auf die veränderungsbereite Seite zu ziehen, dann folgt meistens auch der Rest."

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