Finance IT


Raus aus dem Dornröschenschlaf

Warum Banken sich für das IoT öffnen müssen



Steffen Lorenz arbeitet als Principal Consultant für die Software AG Deutschland GmbH. Als Diplom-Wirtschaftsinformatiker beobachtet und bewertet er aktuelle Wirtschaftstrends, individuelle Kundenanforderungen und neueste Technologien. Als Experte schreibt Steffen Lorenz über Lösungsstrategien zur erfolgreichen Transformation in Richtung Digitales Unternehmen.
Insgesamt 85 Prozent der mittelständischen Industrie-Unternehmen würden Daten aus ihrer Produktion mit ihrer Bank teilen. Doch Banken ziehen noch nicht mit. Das muss sich ändern – denn IoT bietet auch für den Finanzsektor große Chancen.

"IoT ist für uns nicht relevant". Diese Aussage hört man im Bankenumfeld häufig. Zu Unrecht - wie die aktuelle Studie "Industrieller Mittelstand und Finanzierung 4.0" zeigt. Denn aus der Kundenperspektive sieht die Lage ganz anders aus: 85 Prozent der befragten Unternehmen können sich vorstellen, ihren Kreditgebern Produktionsdaten zur Verfügung zu stellen, um diese von Investitionen zu überzeugen. 88 Prozent präferieren sogar eine Finanzierung, deren Konditionen vorrangig von Performance-Daten bestimmt sind.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Banken ausloten, welche Chancen ihnen das Internet of Things bietet.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Banken ausloten, welche Chancen ihnen das Internet of Things bietet.
Foto: Inozemtsev Konstantin - shutterstock.com

Wie so oft sind es die Kunden, die Innovationen fordern. Im Rahmen der Digitalsierung haben sich ihre Erwartungen verändert. Sie wünschen sich schnellere und flexiblere Kreditentscheidungen. BankenBanken können es sich nicht leisten, solche Wünsche zu ignorieren. Denn sonst wandern Kunden zu innovativen FinTechs ab, die ihre Bedürfnisse besser erfüllen. Top-Firmen der Branche Banken

Neue Geschäftsmodelle anhand von Datenanalysen

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Banken ausloten, welche Chancen ihnen das Internet of Things bietet. Bei IoT geht es darum, Daten zu sammeln, auszuwerten und daraus Handlungen abzuleiten. Datenanalysen ermöglichen es, fundierte Entscheidungen zu treffen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das gilt für den Finanzsektor ebenso wie für Industrieunternehmen. Wie gut man sich vom Wettbewerb abheben kann, hängt künftig auch davon ab, was man aus seinen Daten macht.

Ein Anwendungsbeispiel ist das Kreditwesen. Wenn Banken Produktionsdaten ihrer Kunden beziehen und analysieren, erhalten sie Echtzeitinformationen darüber, wie gut deren Geschäft läuft. Sie können damit besser abwägen, ob sich eine Finanzierung lohnt. Das ermöglicht es ihnen, Kredite schneller zu vergeben und kleinteiliger zu gestalten. Da sie Risiken besser beurteilen können, sind auch niedrigere Zinssätze möglich. Für den Kunden bedeutet das: Er erhält schneller Geld, spart Kosten und kann agiler handeln.

Technische und organisatorische Herausforderungen

Damit sich ein solches Geschäftsmodell umsetzen lässt, müssen Industrieunternehmen ihre Daten erst einmal zur Verfügung stellen. Die Banken wiederum müssen in der Lage sein, diese Daten zu verarbeiten. Dafür brauchen sie geeignete Schnittstellen und Echtzeit-Analysen. Nur dann sind präzise und zeitnahe Entscheidungen möglich.

Ganz wichtig ist zudem, die Qualität der Daten sicherzustellen. Banken müssen dafür entsprechende Prüfprozesse etablieren. Um Daten nachzuvollziehen, eignet sich zum Beispiel Benchmarking: Wenn ein Industrieunternehmen eine bestimmte Zahl von Produkten in einer bestimmten Zeit fertigt, könnte man diese Zahl mit den durchschnittlichen Produktionszahlen ähnlicher Unternehmen abgleichen. Weichen die Daten stark ab, sind sie möglicherweise falsch.

Auch der Datenschutz spielt eine entscheidende Rolle. Industrie-Unternehmen brauchen Gewissheit, dass ihre sensiblen Produktionsdaten sicher sind und nicht missbraucht werden. Finanzunternehmen in Deutschland und Europa haben hier einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern aus den USA. Denn sie unterliegen den strengen Datenschutzrichtlinien der EU-Datenschutzgrundverordnung.

Kooperation statt Konfrontation mit FinTechs

Um ein IoT-Projekt umzusetzen, muss man das Rad nicht neu erfinden. Es lohnt sich, einmal zu prüfen, ob ein FinTech vielleicht schon einen passenden Algorithmus oder eine Benutzeroberfläche entwickelt hat. Banken sollten die Newcomer nicht als Konkurrenz, sondern als mögliche Partner betrachten. Mit einer Kooperation kommt man schneller ans Ziel - und beide Seiten profitieren voneinander.

Etliche große Finanzunternehmen haben sich bereits für Partnerschaften mit FinTechs geöffnet. So hat die Deutsche BankDeutsche Bank zum Beispiel gemeinsam mit Fincite den Robo Advisor "AnlageFinder" entwickelt. Er erstellt auf Basis von Algorithmen individuelle Portfolien für Anleger, die ihre Anlageentscheidung ohne Beratung treffen möchten. Die CommerzbankCommerzbank fördert in ihrem "Main Incubator" Fintech-Start-ups, deren Lösungen einen Mehrwert für die Bank und ihre Kunden bieten. Sie unterstützt sie mit Beteiligungskapital und Banking-Know-how - und kann Innovationen dadurch schneller ins Haus holen. Top-500-Firmenprofil für Commerzbank Top-500-Firmenprofil für Deutsche Bank

Chancen rechtzeitig ergreifen

Das Internet of Things wird für Industrieunternehmen künftig zur Commodity. In ein paar Jahren wird es ganz selbstverständlich sein, dass sie Produktionsdaten sammeln und auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellen. Es liegt an den Banken, sich in diesen Datenstrom einzuklinken und ihn gewinnbringend zu nutzen. Wer sich am Markt behaupten will, muss seinen Kunden maßgeschneiderte Produkte und Services bieten. IoT bietet diese Chance. Keine Bank kann es sich leisten, sie nicht zu ergreifen.

Zur Startseite