Was ist ITIL?

Sarah K. White schreibt für CIO.com. Sie kümmert sich dort in erster Linie um alle Themen rund um IT-Karriere und Healthcare-IT. Ihre früheren beruflichen Stationen umfassten Tätigkeiten für die B2C-Plattform TechnologyGuide und das Jobportal Monster.com.
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Das Regelwerk ITIL beschreibt Best Practices für die Bereitstellung von IT-Services. Es soll zu einer stabilen IT-Umgebung beitragen, die Wachstum, Skalierbarkeit und Change ermöglicht.
ITIL ist kein "Projekt", sondern ein langfristiger Weg, um das IT-Service-Management zu verbessern.
ITIL ist kein "Projekt", sondern ein langfristiger Weg, um das IT-Service-Management zu verbessern.
Foto: RoseRodionova - shutterstock.com

Das RegelwerkRegelwerk IT Infrastructure Library (ITILITIL) zur Bereitstellung von IT-Services hat mittlerweile mehrere Überarbeitungen durchlaufen. Aktuell umfasst es fünf Bücher, die sich jeweils einem bestimmten Stadium des IT Service Lifecycles und seinen Prozessen widmen. Sein Ursprung reicht in die 1980er-Jahre zurück, als die britische Central Computer and Telecommunications Agency (CCTA) die erste Version entwickelte. Damals beinhaltete ITIL mehr als 30 Bücher, die nach und nach entwickelt und herausgegeben wurden. Sie umfassten auch Best Practices von Vendoren. So erklärt zum Beispiel IBM, dass Inhalte seiner "Yellow Books" (ein Management-System für die Informationstechnologie) in ITIL eingeflossen seien. Alles zu ITIL auf CIO.de Alles zu Was ist auf CIO.de

Im April 2001 gingen die CCTA und weitere Organisationen im Office of Government Commerce (OCG) auf, dem heutigen Cabinet Office. Das OCG übernahm das ITIL-Projekt mit dem Ziel, Effizienz und Wertschöpfung im öffentlichen Sektor Großbritanniens zu steigern. Das Office wollte kein eigenes proprietäres Produkt entwickeln, sondern die Dokumentation von Best Practices fortsetzen. Hintergrund war das Bedürfnis, nicht länger von einer IT abhängig zu sein, die Standards vermissen ließ, kostenintensiv war und immer wieder zu Fehlern führte. Schnell zeigte sich, dass die Best Practices nicht nur der öffentlichen Hand zugutekamen, sondern auch der Privatwirtschaft.

ITIL Regelwerke

ITIL gewann immer mehr Anerkennung. 2005 richtete sich das Regelwerk am ISO/IEC 20000 Service Management Standard aus, dem ersten internationalen Standard für IT Service Management (ITSM). Dieser basiert auf dem britischen Standard BS15000. Seit 2013 verantwortet Axelos, ein Joint Venture aus dem Cabinet Office und Capita, die Library. Axelos erteilt Unternehmen die Lizenz für die ITIL-Anwendung und managt Updates und Veränderungen in den Prozessen.

2018 kündigte Axelos ITIL 4 an. Die Version stellt eine größere Überarbeitung des gesamten Frameworks dar und beinhaltet die größten Änderungen seit dem Release der dritten Version im Jahr 2007. Im ersten Quartal 2019 startete der Rollout von ITIL 4. Die neue Fassung soll Agilität, Flexibilität und Customisierung ermöglichen und damit zeitgemäße Ansprüche erfüllen. Die aktuellste Version zielt darauf ab, Silos aufzubrechen, abteilungsübergreifende Collaboration und Kommunikation zu ermöglichen sowie DevOps in die ITSM-Strategie einzubinden.

ITIL hat in seiner Geschichte mehrere Überarbeitungen erfahren. Die ursprünglich 30 Bücher wurden im Jahr 2000 auf sieben reduziert. Jedes davon konzentrierte sich auf einen bestimmten Aspekt des IT-Managements. 2007 konsolidierte sich das Regelwerk wiederum auf fünf Bücher, die 26 Prozesse und Funktionalitäten beschrieben. Diese fünf Bücher wurden beim nächsten Update im Jahr 2011 beibehalten.

ITIL 4, 2019 erschienen, bewahrt den Fokus auf Prozess-Automation, Verbesserung des Service Managements und der Integration von IT und Business. Gleichzeitig wurde es modernisiert, um auf neue Technologien, Tools und Software anwendbar zu sein. Schließlich hat sich die IT seit der letzten Erneuerung des Frameworks immer mehr zum integralen Teil des Business entwickelt und zielt stärker auf Agilität, Flexibilität und Collaboration ab.

Neun Grundprinzipien

ITIL 4 umfasst neun Grundprinzipien, die sich um Themen wie Change Management, Kommunikation und Metriken drehen. Dazu zählen der Fokus auf Value, erfahrungsorientiertes Design, leichter Start ("Start where you are"), holistisches Arbeiten, iterative Fortschritte, direktes Beobachten, Transparenz, Collaboration und das Motto "Keep it simple".

Die aktuellste Ausgabe bezieht sich stark auf die Firmenkultur und die Integration von IT in das gesamte Unternehmen. Sie soll die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachabteilungen erleichtern, insbesondere, da die Unternehmen insgesamt immer stärker von Technologie abhängig sind. ITIL 4 betont außerdem die Bedeutung von Kundenfeedback. Schließlich wird es Unternehmen immer besser möglich, Kundenzufriedenheit und ihre Wahrnehmung am Markt zu verstehen.

Mittlerweile kommt ITIL als E-Books heraus. Doch mit dem Durcharbeiten durch die Seiten ist es nicht getan. Viel wichtiger ist es, Konzept von ITIL zu verstehen und dass die Mitarbeiter bereit sind, das Ganze umzusetzen. Sobald die ersten IT-Kollegen die neuen Prozesse anwenden, ist viel gewonnen.

ITIL geht mit Beratung, Schulungen und Zertifikaten einher. Seit den 1990-er Jahren erteilen zwei Organisationen Zertifzierungen: EXIN und ISEB, je nach Standort des Unternehmens. Ende 2006 haben sich die beiden Organisationen zusammengeschlossen. Eigentümer der Zertifizierungen ist seit 2014 Axelos. Die Prüfungen werden von Akkreditierten Trainingsorganisationen (ATOs) durchgeführt. Hinter diesen stehen wiederum Strategic Examination Instiute (Eis), die sich von Axelos die Berechtigung holen müssen.

Vorbereitung für ITIL

Bevor ein Unternehmen in Sachen ITIL aktiv wird, sollten die Entscheider einige Fragen klären. Welche Probleme soll das Regelwerk lösen? Wie will das Unternehmen vorgehen, um seine IT-Services kontinuierlich zu verbessern? Um solche Punkte geht es.

Das ITIL v3-Zertifikat kannte folgende Level: Foundation, Practitioner, Intermediate, Expert and Master. Diese Level bauten aufeinander auf und setzten damit steigende Fachkenntnisse und ein wachsendes Verständnis für das Framework voraus. ITIL v4 fasste den Stoff zusammen. Schließlich konnten zwei Wege eingeschlagen werden, nämlich ITIL Managing Professional (MP) oder ITIL Strategic Leader (SL), die jeweils ihre eigenen Module und Prüfungen entwickelt haben.

Die ITIL Managing Professional (MP)-Prüfung wendet sich an IT-Praktiker, die auch außerhalb der klassischen IT-Abteilung technologische Fragestellungen angehen. Sie bilden sich in der Organisation von IT-Projekten, Teams und Arbeitsabläufen weiter.

Dazu zählen folgende Module:

  • ITIL Spezialist - Create, Deliver und Support

  • ITIL Spezialist - Drive Stakeholder Value

  • ITIL Spezialist - Hochgeschwindigkeits-IT

  • ITIL Stratege - Direct, Plan & Improve

Zielgruppe des ITIL Strategic Leader (SL)-Zertifikats sind alle, die jenseits der IT-Abteilung an der Digitalisierung von Services und Dienstleistungen arbeiten. Sie lernen, wie Technologie die Strategie ihres Unternehmens beeinflussen kann und welche Rolle die IT dabei spielt.

Folgende Module werden angeboten:

  • ITIL Stratege - Direct, Plan & Improve

  • ITIL Leader - Digital & IT Strategy

Teilnehmer können auf beiden Wegen zum höchsten Level in ITIL 4 gelangen. Wer mitten in ITIL v3 steckt, kann Teile daraus mitnehmen. Axelos empfiehlt, ein ITIL-Master Zertifikat abzulegen.

Vorteile von ITIL

Eine gut organisierte IT, die Risiken managt und die Infrastruktur am Laufen hält, spart nicht nur Geld, sondern ermöglicht der Belegschaft auch effizientes Arbeiten. Das Maklerunternehmen Pershing zum Beispiel verkürzte im ersten Jahr nach Ausrichtung der Service-Desks an ITIL die Reaktionszeiten nach Vorfällen um die Hälfte.

Die systematische und professionelle Herangehensweise bietet Unternehmen folgende Vorteile:

  • Senken von IT-Kosten

  • verbesserte IT-Services durch Anwendung bewährter Best Practices

  • höhere Kundenzufriedenheit durch professionelleres Bereitstellen von Services

  • klare Standards und Anweisungen

  • Höhere Produktivität

  • Verbesserter Einsatz von Fähigkeiten und Erfahrungen

  • verbesserte Nutzung von Services Dritter durch die Spezifikation von ITIL oder BS15000

Glaubt man Axelos, unterstützt ITIL Business-Entscheider außerdem beim Managen von Risiken, Disruption und Fehlschlägen. Das Framework verbessere die Kundenbindung, weil Services passgenauer zugeschnitten werden, so Axelos weiter. ITIL etabliere kosteneffiziente Practices und baue eine stabile Umgebung für künftiges Wachstum, Skalierbarkeit und Change auf.

Was kostet ITIL

Zunächst muss ein Unternehmen ITIL als Buch, PDF, auf digitalem Datenträger oder als Online-Abonnement erwerben. Hinzu kommen Ausgaben für Training, und zwar jedes Jahr neu. Kurse für die Grundkenntnisse dauern meist zwei Tage, höhere Zertifikate setzen Kurse von einer Woche oder länger voraus.

Entscheider müssen aber auch die Kosten berücksichtigen, um Prozesse neu aufzusetzen. Der Helpdesk und die Software müssen neu an ITIL ausgerichtet werden. Übrigens gibt es keine Software, die so etwas wie "ITIL-compliant" ist. ITIL schafft einen Rahmen, ist aber kein Standard an sich. Allerdings sind einige Software-Lösungen von vornherein so entwickelt worden, dass sich gut in das Regelwerk einfügen. Dazu zählen Samange (Service Desk-Automation), InvGate Service Desk (ein web-basierter ITIL-Ready Service, der nutzer-freundliche Schnittstellen unterstützt), ManageEngine ServiceDesk Plus (web-basierte Help Desk und Asset Management-Software) und Vision Helpdesk (eine multifunktionale Service Desk-Lösung).

Wie lange dauert ein ITIL-Projekt

ITIL ist kein "Projekt", sondern ein langfristiger Weg, um das IT-Service-Management zu verbessern. Anwender müssen die Best Practices in jeden Bereich einbauen und mit ITIL das ganze Unternehmen mitentwickeln. Sobald das IT-Team dahinter steht und sich qualifiziert, kann der Change beginnen. Erste Verbesserungen sollten binnen Wochen oder Monaten sichtbar werden. Prozesse zu verändern erfordert Zeit. Schlechte Abläufe müssen ausgemerzt und gegebenenfalls personelle Veränderungen vorgenommen werden. Nichtsdestoweniger berichten viele Unternehmen von substanziellen Einsparungen bereits im ersten Jahr. Axelos präsentiert einige Case Studies auf seiner Website, darunter beispielsweise von Sony und Disney.

Kostenreduzierungen durch ITIL

Sowohl Behörden als auch privatwirtschaftliche Unternehmen berichten von hohen Einsparungen. So hat nach Angaben von Pink Elephant der Konzern Procter and Gamble über eine Frist von vier Jahren rund 500 Millionen Dollar gespart, indem Anrufe beim Help Desk reduziert und betriebliche Abläufe verbessert wurden. Der Versicherer Nationwide Insurance beziffert seine Einsparungen durch weniger Systemausfälle auf 40 Prozent und spricht von einem ROI (Return on Investment) in Höhe von 4,3 Millionen Dollar innerhalb von drei Jahren. Der Finanzdienstleister Capital One verzeichnet zwei Jahre nach Beginn mit ITIL 92 Prozent weniger geschäftskritische Vorfälle. MeadWestvaco gibt an, über 100.000 Dollar weniger für die IT-Wartung auszugeben und die Betriebsfestigkeit um ein Zehntel gesteigert zu haben.

Allerdings: wenn die IT-Abteilung nicht mitzieht, wird jede ITIL-Implimentierung scheitern. Best Practices im Unternehmen durchzusetzen ist ebenso ein PR-Job wie eine technologische Aufgabe.

Kritiker äußern zudem, dass es nicht möglich ist, sich für jeden Fehlschlag und jeden Vorfall zu rüsten. Insofern stelle ITIL auch eine exakte Wissenschaft dar. Faktisch wird man den ROI einer ITIL-Implementierung nie genau beziffern können. Grundsätzlich gilt: ein Framework bewirkt immer nur so viel, wie das Anwenderunternehmen zulässt. Eine positive Haltung gegenüber den Zertifikaten, Schulungen und Investitionen trägt zu Kostensenkungen und zum Erfolg von ITIL bei.

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