Ende einer Ära

Was Ives Abgang für Apple bedeutet

Kommentar  02.07.2019
Peter Müller ist der Ansicht, dass ein Apple täglich den Arzt erspart. Sei es iMac, Macbook, iPhone oder iPad, was anderes kommt nicht auf den Tisch oder in die Tasche. Seit 1998 beobachtet er die Szene rund um den Hersteller von hochwertigen IT-Produkten in Cupertino genau. Weil er schon so lange dabei ist, kennt er die Apple-Geschichte genau genug, um auch die Gegenwart des Mac-Herstellers kritisch und fair einordnen zu können. Ausgeschlafene Zeitgenossen kennen und schätzen seine Beiträge im Macwelt-Morgenmagazin, die die Leser werktags pünktlich um acht Uhr morgens in den nächsten Tag mit Apfel und ohne Doktor begleiten. Privat schlägt sein Herz für die Familie, den FC Bayern, sechs Saiten, Blues-Skalen und Triolen im Shuffle-Rhythmus.
Auch wenn es ein wenig pathetisch klingt: Bei Apple geht eine Ära zu Ende. In Cupertino bleibt aber alles anders.
Jonathan Ive und Tim Cook bei der Vorstellung des iPhone XR.
Jonathan Ive und Tim Cook bei der Vorstellung des iPhone XR.
Foto: Apple

Nach fast 30 Jahren als Gestalter bei AppleApple – zuletzt als Cheif Design Officer (CDO) – nimmt Jonathan "Jony" Ive bis Ende dieses seinen Hut und gründet ein eigenes Unternehmen, das auch Apple als Kunden haben wird – wir berichteten. Alles zu Apple auf CIO.de

Ive, dessen erster großer Wurf der "transluzente" iMac und deshalb dem gerade erst zu Apple zurück gekehrten Steve Jobs besonders in Auge fiel, war für eine Reihe von Produkten verantwortlich. Für den "Schreibtischlampen"-iMac G4, bei dem er auf Wunsch des Chefs jede Komponente sich selbst treu sein ließ. Für den iPod, der die Idee des Reinweiß des iMac G4 vorwegnahm und zum Kultplayer wurde. Für das iPhone, mit dem Apple das Telefon völlig neu definierte und dessen Design vielfach kopiert wurde.

Aber auch für die Software, die auf iPhone, iPad und Mac heutzutage läuft, respektive für ihr "flaches" Aussehen, nachdem der andere Jobs-Protegé Scott Forstall, Anhänger des Skeuomorphismus, das Unternehmen verlassen hatte. Und nicht zuletzt auch für den erst kürzlich bezogenen Apple Park, den er noch in zu Jobs' Lebzeiten entworfen hatte, und für die Umgestaltung der Apple Stores, für die nicht nur die im Frühjahr bei Apple ausgeschiedene Angela Ahrendts stand.

Ives Abgang ist beileibe nicht der erste aus der Designabteilung, zuletzt war er selbst auch immer mehr in den Hintergrund getreten, sein charmanter britischer Akzent und die kräftige tiefe Stimme nicht mehr in Promovideos zu neuen Produkten zu hören. Rumort es bei Apple hinter den Kulissen? Die Jobs-Ära scheint mit dem Abgang seines wichtigsten Ziehsohnes nun endgültig vorbei zu sein.

Niemals geht man so ganz

Wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer angeblich "im gegenseitigen Einvernehmen" trennen, kann man davon ausgehen, dass da jemand gefeuert wurde und eine Abfindung kassiert hatte. So, wie sich die Ankündigungen Apples und Ives aber lesen, scheiden die beiden Parteien in der Tat im gegenseitigen Einvernehmen, keine dürren Worte, sonder Lobeshymnen begleiten den Abschied. Niemals geht man so ganz: Jony Ive will Apple treu bleiben und zum Kunden seines neuen Unternehmens machen.

Für Apple bedeutet das nicht den Rückschritt in die Anfänge, als Hartmut Esslinger mit seinem Unternehmen Frog Design im Auftrag Apples etwa den Mac gestaltete – die von Ive geleitete Abteilung bleibt bestehen. Vor allem aber die DNA des Unternehmens, das schon lange vor Ive auf Schönheit und Einfachheit der Gestaltung großen Wert legte und das auch noch lange nach Ive wird.

Aber selbst wenn Ives Abschied einen Bruch bedeuten sollte, erst in zwei, drei oder fünf Jahren wird man davon etwas merken, noch lange wird Apple Produkte veröffentlichen, an denen Ive gestalterisch mitgewirkt hat.

Zeit für neue Inspirationen und Ideen

Womöglich sind beide Parteien ja übereingekommen, dass es Zeit für neue Inspirationen und Ideen wird. Ive wird bei der Arbeit für andere Kunden als Apple Erfahrungen und Inspirationen sammeln, die auch einen positiven Einfluss auf Aufträge aus Cupertino haben könnten. Schlecht verdient dürfte Ive bei Apple nicht haben, vor allem die ihm gewährten Aktienoptionen entsprechen hohen Millionenwerten.

Jetzt könnte Ive aber noch so richtig reich werden, weltweit werden große und finanzstarke Unternehmen um die Dienste der künftigen Ive-Company buhlen. Wer weiß, vielleicht werden die Smartphones aus China und Korea in Zukunft auch hübscher, wenn deren Hersteller bei Apple nicht mehr kopieren müssen – selbst die von vielen als verunglückt betrachtete Notch des iPhone X – sondern direkt das Apple-Design in Person beauftragen können?

Ives Abschied bedeutet für Apple zwar eine Zäsur, aber wie es Herbert Grönemeyer ausdrückt: Es bleibt alles anders. (Macwelt)

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