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Gipfelgespräch

Was SAP und Munich RE sich zu sagen haben

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Im Zuge der Digitalisierung hat sich das Verhältnis zwischen Munich RE und SAP grundlegend gewandelt. Was der Rückversicherer heute von seinem Softwarelieferanten verlangt und wie sich SAP darauf einstellt, erläutern Olaf Frank, Bereichs-CIO bei der Munich RE, und SAP-Deutschland-Chef Daniel Holz.

Sie haben bei Munich Re schon eine lange Reise mit der SAP hinter sich. Wie würden Sie diesen Weg beschreiben?

Frank: Wir sind treue Wegbegleiter der SAPSAP über die vergangenen 20 Jahre, würde ich sagen. Traditionell legen wir einen starken Fokus auf SAP - also eine lange Reise, auf der wir viele unterschiedliche Produkte als strategische Lösung im Einsatz hatten und haben. Alles zu SAP auf CIO.de

Die Digitalisierung verändert vieles. Auch das Verhältnis zwischen Softwareanbieter und -anwender. Deshalb müssen der Rückversicherer Munich Re und die SAP ihr Verhältnis neu justieren.
Die Digitalisierung verändert vieles. Auch das Verhältnis zwischen Softwareanbieter und -anwender. Deshalb müssen der Rückversicherer Munich Re und die SAP ihr Verhältnis neu justieren.
Foto: Kamira - shutterstock.com

Sie sind mit SAP S/4HANA relativ zügig auf die neueste Produktgeneration von SAP gewechselt. Was waren die Gründe dafür?

Frank: Wir waren an verschiedenen Stellen sehr schnell. Schon vor mehreren Jahren, als SAP HANA noch in den Kinderschuhen steckte und noch lange nicht klar war, ob sich das Ganze langfristig als strategische Lösung durchsetzen wird, hatten wir uns mit SAPSAP hinsichtlich des Business Warehouse und des ReportingReporting unterhalten. Seit drei oder vier Jahren nutzen wir SAP HANA. Top-500-Firmenprofil für SAP SE Alles zu Reporting auf CIO.de

Weil wir unser Hauptbuch auch mit SAP führen, haben wir uns dann - auch weil wir schon Erfahrungen und die Technologie im Haus hatten - dazu entschieden, den nächsten Schritt zu gehen und SAP S/4HANA Financeeinzuführen. Aber wir befinden uns immer noch auf einer gemeinsamen Erfahrungsreise, wohin sich die Technik entwickelt.

Welche Rolle spielt denn ein Kunde wie Munich Re für SAP? Ist es denn so eine Art Blueprint, den Sie hier entwickeln und mit dem Sie experimentieren können?

Holz: Bis auf das Experimentieren stimme ich Ihnen zu. Die Nähe zum Kunden und auch die langjährigen Geschäftsbeziehungen wie zu einerMunich ReMunich Re sind beispielhaft für die SAP. Es ist tatsächlich so, dass viele Innovationen gemeinsam mit den Kunden entstehen. Top-500-Firmenprofil für Munich Re

Betatester für bestimmte Softwarelösungen

Gemeinsam mit den Kunden zu entwickeln - ist man damit automatisch näher an den Bedarfen und Anforderungen der Kunden?

Frank: Man ist damit natürlich auch immer wieder Betatester für bestimmte Softwarelösungen. Wobei ich sagen muss: Bei SAP S/4HANA Finance war das weniger der Fall, weil das meines Wissens nach bereits vorher produktiv im Einsatz war. Wir waren einmal bei Herrn Mucic (Luka Mucic ist Chief Financial Officer (CFO) der SAP, Anm. der Red.) und hatten uns das mit unseren Fachbereichen zusammen angeschaut. Das lief alles sehr geräuschlos und wir waren sehr zufrieden.

Mit SAP HANA auf der Technologie-Seite und im Reporting ist es eher so, dass wir gemeinsam Lösungen entwickeln. Was mittlerweile auch sehr gut funktioniert in enger Kooperation mit den Kollegen in Walldorf. Dabei ist für uns besonders wichtig zu sehen, dass der Anbieter in der Lage ist, uns eng mit der Entwicklung zu verzahnen - gerade wenn wir neue Themen ausprobieren. Beim Erkennen von Problemen und Schwachstellen brauchen wir einen guten Kontakt, um die Entwicklungstätigkeiten auch ein Stück weit in die entsprechende Richtung zu lenken, damit unsere Probleme bearbeitet und gelöst werden.

Die großen Ver­sicherungsunternehmen wie Munich RE müssen sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen. Die Marktgegeben­heiten verändern sich immer schneller, mit ihnen auch das Wettbewerbsumfeld. Um sich zu wappnen, erhöhen die Versicherer ihre Anstrengungen in Sachen Innovation und suchen Kontakt zu kreativen Startups.
Die großen Ver­sicherungsunternehmen wie Munich RE müssen sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen. Die Marktgegeben­heiten verändern sich immer schneller, mit ihnen auch das Wettbewerbsumfeld. Um sich zu wappnen, erhöhen die Versicherer ihre Anstrengungen in Sachen Innovation und suchen Kontakt zu kreativen Startups.
Foto: Munich Re

Und das funktioniert?

Frank: Das ist ein Charakteristikum unserer Partnerschaft, dass wir es immer geschafft haben, in entscheidenden Momenten und bei Problemen eine enge partnerschaftliche Beziehung zu entwickeln und Probleme aus dem Weg zu schaffen.

Und am Ende kommt eine Branchenlösung für die Versicherungswirtschaft heraus?

Frank: Es ist im Grunde eher eine Rückversicherungslösung, gerade auch im Hinblick auf das Reporting. Was wir dabei auch immer wieder feststellen: Da wir ein relativ komplexes Geschäft betreiben, stoßen wir oft in neue Bereiche vor, die vielleicht noch nicht so ausgetretene Pfade sind - das betrifft allerdings nicht nur SAP-Lösungen. Hier entdecken wir schnell Entwicklungs- beziehungsweise Nachbesserungsbedarf. Als Kunde sind wir vielleicht ein bisschen anspruchsvoll und auch pflegebedürftig. Was sicher der Komplexität beziehungsweise auch dem engen Marktsegment geschuldet ist.

Wenn Sie auf Probleme stoßen …

Frank: Eigentlich sind das Herausforderungen. (lacht)

… und dann gemeinsam an Lösungen arbeiten - inwieweit fließen diese Anpassungen später in den Standard der SAP-Lösung ein und stehen damit dann letzten Endes auch Ihren Wettbewerbern zur Verfügung?

Frank: Wir kommen sicherlich eher aus einem Setup, wo wir in verschiedensten Systemen sehr spezielle Anforderungen umgesetzt haben wollen. Das dürfte anderen Kunden kaum weiterhelfen. Grundsätzlich versuchen wir, im Rahmen von Kosteneffizienz, schnellerer Umsetzung und auch mehr Zukunftssicherheit, uns immer stärker an die Standards der SAP anzupassen.

An den Stellen, wo es wirklich Rückversicherungs-spezifische Besonderheiten gibt, sind wir in Kontakt mit SAP, welche Features dann auch tatsächlich in das Produkt übergehen und damit der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, und welche speziellen Entwicklungen, in denen eigene IP von uns steckt, nicht in den Standard eingehen sollen. Vom Grundsatz her haben wir uns schon weit bewegt von 'Wir brauchen vieles besonders' hin zu 'Wir versuchen doch mit dem Standard auszukommen, weil es für uns im Wettbewerb nicht differenzierend ist'.

Klare Regelungen in Sachen Intellectual Property

Holz: Das kann ich nur bestätigen. Wenn sich SAP und ein Kunde ganz explizit für eine Ko-Innovation entscheiden, - das heißt, man entwickelt gemeinsam ein Modul, das man dann in den Markt bringen möchte - dann gibt es auch ganz klare Regelungen zur Intellectual Property: Was verbleibt beim Kunden, und wie viel davon darf in das Standardprodukt einfließen. An dieser Stelle haben wir jahrzehntelange Erfahrung. Es ist sehr wichtig, dass die Dinge, die das Kerngeschäft des Kunden ausmachen, und von denen er nicht wünscht, dass sie in das Standardprodukt einfließen, ausschließlich allein beim Kunden verbleiben.

Welche Bereiche würden Sie bei Munich Re denn als wettbewerbskritisch bezeichnen gerade auch im Hinblick auf die digitale Transformation?

Frank: Ich bin verantwortlich für sämtliche Anwendungsaktivitäten. Das Back-Office ist ein Teil davon. An dieser Stelle ist für uns entscheidend, dass wir Zukunftssicherheit haben. Schließlich sind wir eine sehr regulierte IndustrieIndustrie. Von daher gibt es auch immer wieder die Anforderung seitens der Regulatoren, sehr präzise Lösungen zu betreiben und einzusetzen. Top-Firmen der Branche Industrie

Ein anderer IT-Aspekt, der über die vergangenen drei bis vier Jahre sehr stark an Bedeutung gewonnen hat, betrifft die Systeme, die bei uns das Geschäft treiben. Das sind beispielsweise alle Systeme, die in Richtung Risikobewertung, globaler Vernetzung und künftige Kollaborationsmöglichkeiten gehen. Insbesondere die Themen Digitalisierung und InnovationInnovation sind bei uns auf eine ganz andere Stufe auf der Bedeutungsskala gerutscht. Von daher ist die digitale Transformation für uns ein Topthema, dem wir auch gerecht werden müssen und wollen. Alles zu Innovation auf CIO.de

Bimodale IT der Munich RE
Bimodale IT der Munich RE
Foto: Munich RE

In Sachen IT-Ausrichtung hat sich also auch bei Ihnen einiges geändert?

Frank: Unser ursprüngliches Setup, in dem wir sehr stark auf die Back-Office-Systeme und die Verwaltung geschaut haben, hat sich doch deutlich verlagert. Der Fokus ist wesentlich stärker nach vorne gerichtet, auf neue Geschäftsmöglichkeiten. Es ändern sich derzeit unglaublich viele Themen in den Märkten. Hier stellt sich für uns die Frage: Wie können wir schnell mit dabei sein und die neuen Möglichkeiten nutzen?

Auf der Administrations- und Back-Office-Seite ist die Frage eher: Wie können wir unsere Lösungen effizient gestalten, so dass wir anpassungsfähig sind, aber auch schnell in der Verarbeitung? Das sind andere Kriterien beziehungsweise Erfolgskriterien, als wir sie in der Vergangenheit auf der IT-Seite hatten. Gerade die Frage, wie sich die IT jetzt für die Zukunft positionieren soll - vor allem im Zusammenhang mit den neuen Überschriften - ist für uns natürlich zentral.

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