Zwischen Hype und Profi-Anwendungen

Wearables im Business-Einsatz

Klaus Hauptfleisch ist freier Journalist in München.

Erste virtuelle OPs

Ein anderes SAP-Video zeigt Google Glass mit SAP HANA als Cloud-Lösung im Klinikalltag. Ärzte erhalten so bei der Stippvisite sofort Diagnosebilder, Medikamentenvorgaben und andere Informationen. Die Einsatzmöglichkeiten für Datenbrillen im Klinikbetrieb reichen bis in den Operationssaal und von dort in den Hörsaal von Universitäten oder zu Spezialisten rund um die Welt. Dies hat im August 2013 das Ohio Medical State Wexner Center mit der ersten Live-Übertragung einer OP über Google Glass gezeigt. In Birmingham haben mehrere Chirurgen mit Hilfe von Google Glass über 160 km voneinander entfernt erstmals gleichzeitig eine Operation durchgeführt, ebenso in Brasilien und im Highland Hospital der University of Alabama. Dabei wurde dem ausführenden Chirurgen vor Ort von seinem Kollegen wie mit Geisterhand das Operationsbesteck geführt. Das Evena Medical Center aus Kalifornien hat auf Basis der Moverio-Technologie von Epson eine Eyes-on genannte Brille entwickelt, mit der Krankenpersonal praktisch "durch die Haut sehen" kann, um Venen leichter lokalisieren zu können.

Gesundheits-Management mit Wearables

Die Gartner-Analysten sehen Wearables für die persönliche Gesundheit und Fitness nicht nur als reine Consumer-Ware. Viele Produkte hätten auch Potenzial für das Gesundheits-Management in Unternehmen oder als Pay-back-Köder von Krankenkassen. Die Marktforscher haben in einem Report fünf besonders "coole" Hersteller und Lösungen herausgestellt. Dazu gehört etwa MC10 mit dehnbaren elektronischen Sensoren und Schaltkreisen, die wie "digitale Tatoos" eine Reihe von Biometriedaten einschließlich EKG aufnehmen können. Erste kommerzielle Anwendung sind im Profitraining eingesetzte Checklight-Schutzkappen von Reebok mit LED-basiertem Ampelwarnsystem bei Kopfverletzungspotenzial. Zephyr Technology entwickelt mit Biomodulen Lösungen für das Physio-Monitoring (PSM) über größere Entfernungen. Dazu gehört auch ein PSM Training ECHO genanntes System, das auf bis zu über 300 Metern von bis zu 50 Sportlern mit Zephyrs Bioharness-Brustgurten oder Compression Shirts eine Reihe wichtiger Biometriedaten sammeln kann und sich im Training so mancher Profimannschaften bewährt hat. Wearable Cloth könnte nach Smart Glasses in den kommenden Jahren laut ABI-Analyst Flood ds nächste große Thema sein.

Auf dem Weg ins Cyborg-Zeitalter

Absehbar ist auch eine andere Entwicklung: Wearables werden mit Neuro- oder ITK-Implantaten künftig von außen in den Köper vordringen und damit das Zeitalter der Cyborgs oder der Mensch-Maschine-Hybriden einläuten. Der komplett farbenblind geborene britische Künstler Neil Harbisson hat mit einer Eyeborg genannten Vorrichtung aus Sensor und Kopfhörer gelernt, Farben zu hören, statt sie zu sehen. Weil er sich weigerte, diese für die Passerneuerung abzunehmen, wurde er vor zehn Jahren zum ersten staatlich anerkannten Cyborg. Die von ihm mitgegründete Cyborg Foundation widmet sich vor allem der Erforschung sensueller Substitute und setzt sich unter anderem zum Ziel, Eyeborg zum Implantat weiterzuentwickeln. Weltweit leben über 100.000 Patienten mit Parkinson, Epilepsie und schweren Depressionen schon mit Hirnschrittmachern. Der Schritt zu intelligenzfördernden und leistungssteigernden oder gar beeinflussenden Neuroimplantaten scheint nicht mehr weit. Dass das Pentagon für deren Erforschung gerade die Mittel aufgestockt hat, schreckt nicht nur Verschwörungstheoretiker auf. Ethikräte warnen nicht umsonst seit Jahren vor den Gefahren von Cyber-Rassismus.

Fazit

Wearables eröffnen viele spannende Möglichkeiten, privat wie in Unternehmen. Sie werfen aber auch eine Reihe von ethischen und rechtlichen Fragen auf. Im Dienste der Gesundheit sind Wearables sicherlich ein Segen, aber wenn das Tragen derselben vom Personalwesen zur Auflage gemacht würde, wäre das nicht mehr tolerierbar.

Zur Startseite