Grenzen nicht überschreiten

Welche Gründe für eine Kündigung reichen



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Noch keine Berechtigung zum Ausspruch einer Kündigung

Wohlgemerkt: Das Vorliegen solcher Indizien führt nur dazu, dass der Arbeitnehmer den Vollbeweis seiner Arbeitsunfähigkeit erbringen muss und der Arbeitgeber bis dahin die Entgeltfortzahlung für die Dauer der vermeintlichen Arbeitsunfähigkeit einstellen kann. Dagegen berechtigt dies für sich genommen nicht zum Ausspruch einer Kündigung.

Fehlen jegliche Beweise für das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit, hegt der Arbeitgeber aber aufgrund der gesammelten Indizien diesen Verdacht, wäre an den Ausspruch einer sog. Verdachtskündigung zu denken. Doch Vorsicht: Die Rechtsprechung hat strenge Voraussetzungen an die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung geknüpft, da mit diesem Mittel der Arbeitnehmer allein aufgrund eines Verdachts seinen Arbeitsplatz verlieren kann. Es müssen im Zeitpunkt der Kündigung objektive, nachprüfbare Tatsachen vorliegen, aus denen sich der dringende Verdacht einer Vertragsverletzung von erheblichem Gewicht ergibt, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber schlichtweg unzumutbar macht. Da aber lediglich Indizien vorliegen, die einer Interpretation zugänglich sind und daher durchaus unterschiedlich bewertet werden können, scheitert eine Verdachtskündigung in aller Regel bereits daran, dass keine objektiven und nachprüfbaren Tatsachen vorliegen.

Legen bestimmte nachvollziehbare Indizien oder gar das Ergebnis der Untersuchung des medizinischen Dienstes den Verdacht nahe, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht hat, ist dem Arbeitgeber anzuraten, die Entgeltfortzahlung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit einzustellen und so lange zurück zu halten, bis der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nachweist. Seine AU-Bescheinigung hat dabei keinerlei Wert, da lediglich der Beweis des ersten Anscheins für dessen inhaltliche Richtigkeit spricht. Der erste Anschein ist durch die Indizien jedoch erschüttert. Liegen dagegen Beweise für das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit vor, kann eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden.

Der Autor ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (Computerwoche)

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