Artificial Intelligence weltweit

Welche KI-Systeme schon im Einsatz sind



Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
IBM Watson kennt seit seinem "Jeopardy"-Triumph 2011 jeder. Apples Siri haben viele schon lange per iPhone im Einsatz. Doch es gibt noch mehr Produktivsysteme, die dank Künstlicher Intelligenz jüngst an den Start gehen konnten.

Systeme für Künstliche Intelligenz werden Mainstream - nicht nur dank billigerer Cloud-Umgebungen und leistungsstärkerer Hardware, sondern auch durch das wachsende Angebot an Frameworks für Maschinelles Lernen (ML). Diese zumeist frei zugänglichen Entwicklungsumgebungen stammen oft von den großen IT-Konzernen, die sie im Rahmen ihrer Forschungen rund um das Thema Künstliche Intelligenz aufgebaut haben und auch selbst für entsprechende Entwicklungen nutzen. Wir stellen Ihnen neue bereits im Produktivbetrieb befindliche KI-Systeme abseits der großen KI- und Cognitive-Computing-Aushängeschilder IBM Watson und Apple Siri vor.

Facebook Big Sur

Das Facebook AI Research Team (FAIR) hat im vergangenen November Hardware für den KI-Einsatz namens "Big Sur" vorgestellt und kurz danach auch Open Source gestellt. Der Konzern will mit dem System Fragen seiner Nutzer zu beantworten, im Social Network eingestellte Geschichten lesen oder Social Games anbieten - alles Aufgaben, für das früher Drittanbieter-Hardware eingesetzt wurde. Das von acht Grafikprozessoren angetriebene System setzt auf die Nvidia Tesla Accelerated Computing Platform.

Google RankBrains

Die Zukunft der Suchmaschine liegt in der Semantik - Nutzer suchen nicht mehr nur nach einzelnen Stichwörtern, sondern stellen ganze, teils komplexe Fragen. Gerade solche, die zum ersten Mal gestellt werden und laut Google einen Anteil von 15 Prozent am Gesamtsuchvolumen haben, sind eine Herausforderung für die Engine - hier greift Google auf RankBrains zurück.

Unser Gehirn - bald 1:1 künstlich nachgebaut?
Unser Gehirn - bald 1:1 künstlich nachgebaut?
Foto: Christian Lagerek - www.shutterstock.com

In einem Bericht der US-Nachrichtenagentur Bloomberg über Googles KI vom vergangenen Herbst werden zwei Beispiele aufgeführt: "Wie nennt man den Konsumenten am Ende der Nahrungskette?" und "Müssen Heuschrecken früher als Ameisen sterben?" Um solche komplexen Sachverhalte zu klären, soll das KI-System RankBrains menschliche Schriftsprache in mathematische Vektoren übersetzen, die die Suchengine dann verarbeiten kann. Diese Form des maschinellen Lernens wird mit steigender Zahl bislang unbekannter Suchanfragen immer besser. Wissbegierige Internetnutzer trainieren das System quasi unbewusst.

Google DeepMind AlphaGo

Mit AlphaGo hat das britische Unternehmen Google DeepMind, das seit 2014 zu Google gehört, einen KI-Computer für das traditionelle asiatische Brettspiel Go entwickelt, der in den vergangenen Wochen sowohl den Europameister Fan Hui als auch den Weltmeister Lee Sedol klar besiegt hat. Ziel des Go-Spiels ist es, vom Gegner besetzte Felder zu erobern. Da die Zahl der Spielfeldpositionen beinahe unendlich groß ist, müssen sich die Spieler auch auf ihre Intuition verlassen - keine leichte Aufgabe für einen Computer. Geschafft hat er es trotzdem.

SwiftKey Neural Alpha

Das britische Unternehmen SwiftKey wurde weltberümt mit dem intelligenten Wort-Vorschlagssystem "n-gram" für SMS. Nach Eingabe des dritten Buchstabens versucht die KI vorherzusagen, welches Wort gerade eingetippt werden soll und macht automatisch Ergänzungsvorschläge - ein System, das heute von mehr als einer Milliarde Mobilgeräte weltweit verwendet wird. Mit seiner Android-Keyboard-Software Neural Alpha, die im Google Play Store gratis zu haben ist, geht SwiftKey einen Schritt weiter: Während "n-gram" nur dank bereits bekannter Eingabemuster Vorhersagen für einzelne Wörter treffen kann, setzt Neural Alpha auf künstliche neurale Netzwerke. Dieses Modell des maschinellen Lernens soll die Funktionsweise des menschlichen Gehirns imitieren und damit auch ganze Satzzusammenhänge vorhersehen können. Was dann wiederum zu verbesserten Vorschlägen beim Nachrichtentippen führt.

Swiftkey Neural Alpha soll Satzzusammenhänge voraussagen.
Swiftkey Neural Alpha soll Satzzusammenhänge voraussagen.
Foto: Swiftkey

Open AI

Investor Elon Musk, der unter anderem den Elektroautobauer Tesla gründete, rief gemeinsam mit anderen Vordenkern aus dem Silicon Valley Ende 2015 das gemeinnützige Forschungsprojekt "Open AI" ins Leben. Hier soll Künstliche Intelligenz erforscht und für die gesamte Menschheit zugänglich gemacht werden. "Unser Ziel ist, digitale Intelligenz in die Bahnen zu lenken, in denen sie der Menschheit als Ganzes am meisten nützt - losgelöst von jedwedem finanziellen Interesse", heißt es im Blog des Open AI-Teams.

Neben Musk ist unter anderem Sam Altmann mit in diesem Team, der CEO des Gründerzentrums Y Combinator. Dieser sagte unlängst in einem Interview mit dem Blog Backchannel, dass man mit OpenAI das Überleben des Menschen gegen künstliche Systeme sichern wolle. Demnach ist OpenAI also eine Vision, um eine Terminator-Szenario, in dem von Menschen gebaute Roboter die Menschen anschließend unterdrücken oder gar vernichten wollen, zu verhindern.

Baidu Deep Spech 2

Das chinesische Pendant zur Google-Suche heißt Baidu und wird vom gleichnamigen Konzern betrieben. Mit dem AI Lab (in internen Kreisen "S-Vail" genannt) hat Baidu eine KI-Forschungseinrichtung im Silicon Valley aufgemacht, um visionäre Systeme für Künstliche Intellgenz zu bauen. Einen ersten Erfolg stellt das Projekt "Deep Speech" dar, ein Spracherkennungssystem auf Basis neuronaler Netze, das nur mit einem einzigen Lernalgorithmus sowohl Englisch als auch das weitaus komplexere Mandarin erkennen und verarbeiten kann. In einem aktuellen Interview mit LinkedIn Pulse erklärt Adam Coates, Director des Baidu AI Labs und vom MIT Technology Review unter die "Top 35 Innovatoren unter 35" gewählt, ausführlich die Hintergründe von Deep Speech.

Microsoft XiaoIce

Der Wetterbericht ist standardisiert - also per se ein gutes Einsatzfeld für KI-Systeme. In China wurde Ende 2015 zum ersten Mal ein TV-Wettbericht komplett durch einen Computer erstellt und auch vorgetragen. Schöpfer: der Microsoft-"Virtual Social Assistant" XiaoIce, was übersetzt so viel bedeutet wie "kleines Bing" - also die "kleine Schwester" der Suchmaschine aus Redmond. Hervorgegangen ist sie aus der Microsoft-Forschung zu maschinellem Lernen. Mittels Sensordaten, die in einem Data Center gesammelt werden, erstellt der menschgewordene Algorithmus einen kompletten Wetterbericht und trägt diesen vor - und das nicht einmal emotionslos. Denn übers Wetter lässt sich trefflich streiten, da gehören Gefühlsausbrüche halt einfach dazu...

Roboter-Congierce Connie

Zum Schluss geht es doch noch einmal kurz um IBMs Watson-Technologie: Roboter-Concierge "Connie" wurde nach Hilton-Gründer Conrad Hilton benannt und basiert auf der NAO Humanoid Robot Infrastructure des IBM-Partners SoftBank Robotics. Connie soll Gäste bei ihrer Ankunft im Hilton Mc Lean im US-Bundesstaat Virginia begrüßen, ihnen Informationen über lokale Touristenattraktionen und die Hotelausstattung geben sowie Speiseempfehlungen aussprechen. Dazu nutzt der digitale Concierge eine Kombination aus Watson APIs – Schnittstellen, über die Watson versteht, bewertet, lernt und in natürlicher Sprache antwortet – und greift auf Informationen der Reiseplattform WayBlazer zu, die ebenfalls Watson-Technologie einsetzt. Mit jeder gestellten Frage lernt „Connie“ hinzu und optimiert seine Vorschläge.

Roboter-Concierge Connie arbeitet im Hilton.
Roboter-Concierge Connie arbeitet im Hilton.
Foto: IBM
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