Führung im digitalen Zeitalter

Welche Kompetenzen brauchen digitale Leader?



Barbara Liebermeister ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter IFIDZ. Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist u.a. Autorin des Buchs „Die Führungskraft als Influencer: In Zukunft führt, wer Follower gewinnt“. Zu diesem Thema hält die Managementberaterin auch (Online-)Vorträge und Seminare. Zudem betreibt sie den Podcast „Business Secrets: Warum Frauen gelikt werden und Männern gefolgt wird“.

 
Patrick Merke ist Mitglied der Institutsleitung des IFIDZ.
Die Anforderungen an Führungskräfte werden im digitalen Zeitalter vielschichtiger und komplexer, lautet das Ergebnis einer Metastudie des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ). Erwünscht sind starke Kommunikatoren, für die der ständige Wandel keine Bedrohung ist.
Viele Unternehmen überdenken ihre Führungskräfteentwicklung: Führungskräfte brauchen im digitalen Zeitalter ein anderes Kompetenzprofil - unklar ist ihnen jedoch, welche Kompetenzen das konkret sind.
Viele Unternehmen überdenken ihre Führungskräfteentwicklung: Führungskräfte brauchen im digitalen Zeitalter ein anderes Kompetenzprofil - unklar ist ihnen jedoch, welche Kompetenzen das konkret sind.
Foto: goodluz - shutterstock.com

"Welche Kompetenzen brauchen Führungskräfte, um im Zeitalter der DigitalisierungDigitalisierung erfolgreich zu führen?". Um dies zu ermitteln, wertete das IFIDZ 61 Studien und Umfragen zum Thema FührungFührung aus den Jahren 2012 bis 2018 aus, an denen über 100.000 Personen teilnahmen - meist Führungskräfte, zum Teil jedoch auch Mitarbeiter und Wissenschaftler. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de Alles zu Führung auf CIO.de

Die Experten untersuchten vor allem, welche Kompetenzen in den Studien als relevante Führungskompetenzen genannt werden. Danach wurde entsprechend der Häufigkeit ihrer Nennung ein Kompetenz-Ranking erstellt. Dieses Ranking zeichnet kein abschließendes Bild der wichtigen Führungskompetenzen im digitalen Zeitalter - auch weil die Diskussion darüber, welche Kompetenzen Führungskräfte brauchen, eine fortlaufende ist, die in einem sich verändernden Umfeld erfolgt. Zudem verändert sich In ihrem Verlauf die genutzte Terminologie.

So werden zum Beispiel in den 2012 bis 2015 erschienenen Studien die Begriffe Agilität, Ambidextrie und Disruption noch recht selten verwendet, weshalb sie in der Metastudie auch nicht in den Top-20 der am häufigsten genannten Kompetenzen stehen. Anders sieht dies in den im Zeitraum 2016 bis 2018 erstellten Studien aus. In ihnen spielt zumindest der Begriff Agilität fast durchgängig eine wichtige Rolle.

Das Kompetenz-Ranking listet 86 Kompetenzen auf, die den Primärstudien zufolge eine Relevanz für den Führungserfolg haben. Die am häufigsten genannten Kompetenzen sind:

  • Kommunikationsfähigkeit (57 Prozent),

  • Veränderungsfähigkeit (39 Prozent) und

  • Wertschätzung/Mitarbeiterorientierung (33 Prozent).

1. Die Anforderungen an Führungskräfte werden vielfältiger

Den Primärstudien zufolge sollte eine Führungskraft im digitalen Zeitalter im Idealfall 86 Kompetenzen haben. Das heißt, die Anforderungen an Führungskräfte sind so vielschichtig und komplex, dass die perfekte Führungskraft als "Master of the Universe" erscheint.

Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass viele der genannten Kompetenzen (bzw. Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale) in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Dabei ändert sich auch die Terminologie. So werden zum Beispiel in den bis 2015 publizierten Studien recht häufig die Begriffe "Schnelligkeit" und "Flexibilität" als Kompetenzen genannt, in den später erschienenen Studien hingegen dominiert der Begriff "Agilität". Zudem ist mal von "Motivationsfähigkeit", mal von "Inspirationsfähigkeit" und mal von damit verknüpften Eigenschaften wie "Vorbild sein" und "Visionär sein" die Rede. Deshalb ist als Fazit zulässig: Führung ist im digitalen Zeitalter zwar anspruchsvoll, jedoch keineswegs nur Aufgabe von "Super-Menschen".

2. Kommunikationsfähigkeit ist die Top-1-Kompetenz

Kommunikationsfähigkeit ist die mit Abstand (57 Prozent) am häufigsten genannte Kompetenz. Dabei fällt auf: Insbesondere die "dialogischen Kommunikationsfähigkeiten" (wie Feedback-geben, Zuhören, Coachen) werden als erfolgsrelevant gesehen. Der Dialog mit den Mitarbeitern wird im digitalen Zeitalter als bedeutsamer für den Führungserfolg erachtet als der auf dem hierarchischen System basierende Top-down-Monolog mit ihnen.

3. Führungskräfte sind auch Change-Manager und -Leader

Die am zweithäufigsten genannte Kompetenz ist mit 39 Prozent die Veränderungsfähigkeit. Dabei sind die Handlungsfelder der Veränderung sehr umfassend. Sie beziehen sich unter anderem auf die Prozesse und Strukturen, (Mitarbeiter-)Beziehungen und Erwartungen, Geschäftsmodelle und-strategien, Haltungen und Einstellungen und selbstverständlich auch auf das Führen selbst.

Die Studien zeigen deutlich: Der permanente Wandel im digitalen Zeitalter ist die größte Herausforderung für Führungskräfte. Führungskraft sein, bedeutet künftig zugleich Change-Manager und -Leader zu sein. Das Thema Change mit all seinen Voraussetzungen und Wirkungen ist nicht ein, sondern das Führungsthema.

4. Der Mensch steht im Zentrum des Führungsprozesses

Zu den Top-Kompetenzen von Führung zählen künftig auch die "Wertschätzung" beziehungsweise "Mitarbeiterorientierung" mit 33 Prozent auf Rang drei. Dahinter steckt die Anforderung, den Mitarbeiter ins Zentrum des Führungsprozesses zu stellen. Der Fokus sollte stärker auf seinen Bedürfnissen sowie den Potenzialen, Stärken und Schwächen liegen. Die hohe Bedeutung der Mitarbeiterorientierung ist ein Indiz dafür, dass sich Führung aus der Umklammerung des "sachlichen Managements" löst. Führungsarbeit soll sich künftig stärker auf das Motivieren, Integrieren, Befähigen und Ermächtigen - oder kurz Führen - der Mitarbeiter fokussieren und weniger auf das Managen des Betriebsalltags.

5. Transparenzorientierung ist eine neue Führungskompetenz

Zu den Top-Kompetenzen zählt auch die "Transparenzorientierung" (31 Prozent). Dabei geht es darum, in den Beziehungen zu den Mitarbeitern und Kollegen für mehr Transparenz zu sorgen - unter anderem bezüglich der (eigenen) Werte und Ziele, des geplanten Vorgehens, der internen und externen Zwänge. Denn: Transparenz schafft Vertrauen, wirkt motivierend und bildet eine Grundlage für ein eigenständiges und -verantwortliches Arbeiten. "Transparenzorientierung" sollte als neue Kompetenz im digitalen Zeitalter stärker im Fokus der Führungskräfteentwicklung stehen, denn: Transparenz ist ein Wesensmerkmal der Digitalisierung und modernen Teamarbeit und zugleich ein Führungsinstrument.

6. Digitalkompetenz ist wichtig, jedoch nicht am wichtigsten

Auffallend ist, dass die "Digitalkompetenz" mit 28 Prozent nur auf Rang sieben im Kompetenz-Ranking steht - obwohl viele Unternehmen sich aktuell in der digitalen Transformation befinden. Dies liegt primär daran, dass Führung auch im digitalen Zeitalter ein weitgehend analoger Prozess bleibt, in dem Vertrauen eine zentrale Rolle spielt. In ihm benötigen die Führungskräfte im Digital-Bereich zwar eine Beurteilungskompetenz, um entscheidungs- und handlungsfähig zu sein. Die (Fach-)Experten beziehungsweise Spezialisten in diesem Bereich sind sie in der Regel jedoch nicht.

Aktuell überdenken viele Unternehmen ihre Führungskräfteentwicklung, weil ihnen bewusst ist, dass ihre Führungskräfte im digitalen Zeitalter zum Teil ein anderes Kompetenzprofil brauchen. Unklar ist ihnen aber oft noch, welche Kompetenzen dies konkret sind. Die Ergebnisse der Metastudie geben ihnen diesbezüglich einige Impulse.

Beim Entwickeln ihrer neuen Führungskräfte-Entwicklungsprogramme sollten die Unternehmen - beispielsweise beim Bearbeiten solcher Themen wie "Innovation" und "Agilität" - inkrementell und iterativ vorgehen. Das heißt, sie sollten im Dialog mit ihren Führungskräften einen (Lösungs-)Versuch wagen, dann die Erfahrungen reflektieren und anschließend das Vorgehen neu oder nach-justieren.

Ein Dialog mit den Führungskräften hierüber ist wichtig, damit bei ihnen nicht das Gefühl entsteht, sie wären bei der Kompetenzentwicklung auf sich allein gestellt. Er ist auch wichtig, damit sich die Suche der Führungskräfte nach Antworten auf die Frage "Wie sollen wir im digitalen Zeitalter führen?" in dieselbe Richtung bewegt und in der Organisation allmählich eine neue gemeinsame Führungskultur entsteht.

Analoge, analogitale und digitale Kompetenzen

Die Metastudie unterscheidet folgende Kompetenzarten:

  • "Analoge" Kompetenzen: sie waren bereits "vor-digitalen Zeitalter" (z. B. in den 1980er Jahren) bekannt und relevant und haben sich in ihrem Wesen und Inhalt nicht oder nur marginal geändert. In den Primärstudien wurden bei diesen Kompetenzen am häufigsten die Veränderungsfähigkeit, Wertschätzung und Innovationsfähigkeit genannt.

  • "Analogitale" Kompetenzen: waren zwar schon im "vor-digitalen Zeitalter" bekannt und relevant , haben sich aber durch die Digitalisierung in ihrem Wesen und Inhalt signifikant verändert. Am wichtigsten sind hier die Kommunikations-, Netzwerk- und Entscheidungsfähigkeit.

  • "Digitale" Kompetenzen existierten im "vor-digitalen Zeitalter" entweder noch nicht oder hatten kaum Bedeutung und wurden damit erst im Zeitalter der Digitalisierung relevant. Dazu zählen Transparenzorientierung, Digital-/IT-Kompetenz und die Heterarchiefähigkeit.

Zur Metastudie

Nähere Infos über die "Metastudie 2019: Führungskompetenzen im digitalen Zeitalter" finden Sie auf der Webseite des IFIDZ. Dort können Sie in der Rubrik "Studien", sofern gewünscht, auch kostenlos ein Management-Summary der Metastudie anfordern.

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