Mitarbeiter werben Mitarbeiter

Wenn aus Freunden Headhunter werden

Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Viele Unternehmen zahlen ihren Mitarbeitern Prämien, wenn sie ihren Freunden den eigenen Arbeitgeber empfehlen. Das geht nicht immer gut.
  • Startups werben Mitarbeiter gerne über Mitarbeiter
  • Eine Empfehlung ist kein Freifahrtschein
  • Kommt ein Freund vom Chef ins Unternehmen, muss das offen kommuniziert werden

Startups nutzen das Prinzip - sie heuern Studien- und Schulfreunde als Mitarbeiter an. Auch Mittelständler und Konzerne setzen auf diese Methode und zahlen ihren Angestellten Prämien, wenn sie sich im eigenen Freundeskreis nach potenziellen Bewerbern umsehen. "Aus Sicht eines Unternehmens, das schnell wächst, ist diese Methode völlig legitim?, erklärt Matthias Busold, Personalberater aus Hamburg. "Vertrauen ist gerade in kleinen Firmen besonders wichtig, wenn es auf jeden Mitarbeiter ankommt."

Für Unternehmen bieten solche Programme viele Vorteile: "Wenn Mitarbeiter gegenüber ihren Freunden von ihrem tollen Arbeitgeber schwärmen und ihren Freunden davon erzählen, kommt dieser Empfehlung ein besonderes Gewicht zu", sagt Alfred Quenzler, Professor für Internationales Personal- und Organisationsmanagement an der Technischen Hochschule in Ingolstadt. Für den Personalexperten ist es ein gutes Zeichen, wenn Angestellte auch nach Dienstschluss noch über ihre Firma sprechen. Auch für den Arbeitgeber bringt eine Empfehlung Vorteile, denn ein begeisterter Mitarbeiter wird nur jemanden empfehlen, für den er notfalls die Hand ins Feuer legt, so zumindest die Idee des Programms "Mitarbeiter werben Mitarbeiter".

Alfred Quenzler, Hochschule Ingolstadt: "Arbeitgeberempfehlungen gegenüber Freunden haben ein besonderes Gewicht."
Alfred Quenzler, Hochschule Ingolstadt: "Arbeitgeberempfehlungen gegenüber Freunden haben ein besonderes Gewicht."
Foto: Technische Hochschule Ingolstadt

Michael Donat, seit Januar Personalchef bei Sopra Steria Consulting, gewinnt viele neue Berater über Empfehlungen aus dem eigenen Haus. "Im vergangenen Jahr haben wir 37 Prozent unserer Neueinstellungen über diesen Weg rekrutiert, das waren 80 neue Mitarbeiter. In diesem Jahr liegt die Quote schon bei 40 Prozent", berichtet Donat. Zwar nutzt das Beratungsunternehmen das Programm für alle Positionen, doch gerade bei Einsteigern und Young Professionals, die entweder direkt von der Hochschule kommen oder bis zu drei Jahre Berufserfahrung mitbringen, ist das Programm "Mitarbeiter werben Mitarbeiter" besonders beliebt. "Mehr als 50 Prozent der Junior-Consultants kommen über Mitarbeiterempfehlungen zu uns."

Freunde von Kollegen bleiben länger

Anfangs wunderte sich der neue Personalchef über die hohen Quoten, doch Donat schätzt das Programm. "Wir haben eine geringere Fluktuation bei den Mitarbeitern, die über eine Empfehlung zu uns kamen. Sie bleiben länger im Unternehmen." Wie viele andere zahlt Sopra Steria Consulting eine Kopfprämie. "Ich finde es fair, das Engagement der Mitarbeiter zu vergüten. Verglichen mit den Kosten für einen Personalberater sind die Prämien gering", erläutert Donat und fügt hinzu: "Wir zahlen für die Vermittlung einer Junior-Position 2500 Euro und für eine Senior-Position 5000 Euro." Der Personalchef glaubt, dass die Vergütung nicht entscheidend ist, sondern dass "die Kollegen von ihrem Arbeitgeber überzeugt sind und das ihren Freunden gegenüber glaubwürdig vertreten."

Michael Donat, Sopra Steria Consulting: "Nicht die Vergütung einer Kopfprämie, sondern dass die Kollegen von ihrem Arbeitgeber überzeugt sind und das gegenüber ihren Freunden glaubwürdig vertreten ist entscheidend."
Michael Donat, Sopra Steria Consulting: "Nicht die Vergütung einer Kopfprämie, sondern dass die Kollegen von ihrem Arbeitgeber überzeugt sind und das gegenüber ihren Freunden glaubwürdig vertreten ist entscheidend."
Foto: Sopra Steria Consulting

Kopfprämien für die Vermittlung sind umstritten

Doch Prämien von 2500 oder 5000 Euro klingen nicht nach einer kleinen Anerkennung oder einem Trinkgeld. So viel Geld kann Begehrlichkeiten wecken und einen Anreiz darstellen, auch einen flüchtigen Bekannten aus dem Sportverein zu empfehlen, um daran zu verdienen. Quenzler sieht Kopfprämien kritisch. "Wenn Mitarbeiter zu Headhuntern werden, kann die Qualität der Empfehlung leiden", merkt der Ingolstädter Professor an.

Für Personalberater stellen die Werbeprogramme zwar eine Konkurrenz dar, doch Matthias Busold sieht es sportlich. Sein Unternehmen wird in der Regel dann beauftragt, wenn Firmen für eine Position keinen passenden Kandidaten finden. Meistens erfährt der Hamburger Headhunter nichts über die Gründe. "Ich frage zwar immer, doch meistens kommt keine ganz ehrliche Antwort." Kürzlich nun überraschte den Personalberater ein Auftraggeber. Das Unternehmen hatte viele Jahre über Mitarbeiterprogramme Bewerber gewonnen und auch ordentliche Prämien gezahlt.

Doch die Fluktuation war hoch. Schließlich stellte sich heraus, dass einige Angestellte daraus ein Geschäftsmodell entwickelten: "Sie fragten in ihrem Bekanntenkreis, wer einige Zeit dort arbeiten wollte, kassierten die Prämie und der neue Kollege kündigte einige Monate nach der Probezeit wieder, weil er nicht an einer Festanstellung interessiert war", erzählt Busold.

Auch wenn solche Beispiele sicherlich eine Ausnahme bleiben, sollten Firmen genau überlegen, für welche Vermittlung sich eine Vergütung lohnt. "Für angeworbene Praktikanten sollte es kein Geld geben, für Berufserfahrene sehe ich bei 1000 Euro als Anerkennungsprämie eine Obergrenze. Auch Incentives wie freie Tage oder ein Wellness-Wochenende können eine Alternative zu Geldprämien sein", schlägt Professor Quenzler vor.

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