Bauen auf der Müllhalde

Wenn Konzerne die City verlassen

07.10.2018
Viele Unternehmen residieren in prächtigen Altbauten oder glitzernden Bürotürmen. Manche wählen ihr Domizil jedoch im Vorort. In Mexiko-Stadt wird sogar auf einer früheren Müllhalde gebaut: Wer residiert wo?

Hauptversammlung bei Europas zweitgrößtem Autobauer PSA: Aktionäre kommen in einem schmucklosen Bürohaus in Rueil-Malmaison vor den Toren der französischen Hauptstadt zusammen. Der von Carlos Tavares geführte Hersteller mit Marken wie PeugeotPeugeot, Citroën oder OpelOpel verließ 2017 den traditionellen Sitz an der Pariser Avenue de la Grandé Armée. Kosten reduzieren und offene Arbeitsflächen schaffen, lautete das Motto. Das neue, gemietete Hauptquartier unweit einer Autobahn heißt schlicht "Centre de pilotage" - was sich in etwa mit "Steuerungszentrum" übersetzen lässt. Insgesamt 600 Mitarbeiter arbeiten dort, wie ein Sprecher berichtet. Ein historisches Gebäude im Zentrum der Hauptstadt oder ein Turm im futuristischen Geschäftsviertel La Défense? Für so manchen Konzern der Grande Nation sind das nicht die einzigen Möglichkeiten. Top-500-Firmenprofil für Opel Top-500-Firmenprofil für Peugeot

Bahnhersteller Alstom, der mit der Verkehrssparte von SiemensSiemens zusammengehen will, wird von der industriell geprägten Vorstadt Saint-Ouen aus gesteuert - im Norden der französischen Hauptstadt gab es früher einmal eine Fabrik des Konzerns. "Hohe Immobilienpreise und begrenzte räumliche Kapazitäten zwingen Unternehmen immer häufiger, sich nach kostengünstigen Alternativen umzusehen", erklärt Jörn Bousselmi, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer in Paris, was oft hinter Umzügen in weniger repräsentative Räumlichkeiten steckt. Top-500-Firmenprofil für Siemens

Google und Oracle blieben mitten in Buenos Aires

Auch in der südamerikanischen Metropole Buenos Aires wandern immer mehr Unternehmen ab. Es sind vor allem große Banken und ausländische Internetkonzerne wie GoogleGoogle oder OracleOracle, die der City noch die Treue halten. Bei anderen Unternehmen ist die Nordzone von Buenos Aires beliebt. Per Autobahn ist sie mit dem Stadtzentrum verbunden. Alles zu Google auf CIO.de Alles zu Oracle auf CIO.de

Es ist dort nicht unbedingt schick. Doch in unmittelbarer Nähe liegen Wohnviertel, in denen viele Angestellte und Manager leben. Der Autozulieferer BoschBosch oder der Ölkonzern TotalTotal haben nördlich der argentinischen Hauptstadt ihre Büros. Unlängst kam der US-Getränkehersteller Coca-ColaCoca-Cola dazu - mit einem modernen, 15 Stockwerke hohen Vorzeigegebäude. Top-500-Firmenprofil für Bosch Top-500-Firmenprofil für Coca-Cola Top-500-Firmenprofil für Total Mineralöl und Chemie GmbH

Top-Geschäftsgegend von Mexiko-City mitten auf einer Müllkippe

Und in Mexiko-Stadt, an der Prachtstraße Paseo de la Reforma, reiht sich ein Banken-Wolkenkratzer an den nächsten. Doch die derzeit angesagteste Geschäftsgegend, das Viertel Santa Fe, befindet sich etwa 14 Kilometer vom Zentrum entfernt - auf einer ehemaligen Müllkippe. Es beheimatet neben Unternehmenssitzen und mehreren Universitätsgebäuden die größte Shopping-Mall des lateinamerikanischen Landes.

Bis in die 1970er Jahre hinein diente das Areal als Müllhalde, bevor es durch einen Entwicklungsplan zunächst zu einer Wohn- und später zur Geschäftsgegend wurde. Bis 2020 soll das Viertel an den öffentlichen Nahverkehr angebunden werden - momentan dauert die Autofahrt vom Stadtzentrum nach Santa Fe noch gut eineinhalb Stunden.

In Deutschland verließ der Stahlkonzern ThyssenKruppThyssenKrupp schon 2010 Düsseldorf und kehrte ins "bodenständige" Ruhrgebiet zurück, auf das historische Krupp-Gelände am Rande der Essener Innenstadt. "Back to the roots" - Zurück zu den Wurzeln - lautete die Devise. Der neue Standort war aber alles andere als eine Billiglösung. Schon der erste Bauabschnitt kostete rund 300 Millionen Euro. Top-500-Firmenprofil für ThyssenKrupp

Die Deutsche Börse AGDeutsche Börse AG kehrte schon vor Jahren Frankfurt den Rücken und bezog im etwa fünf Kilometer entfernten Eschborn ein Gebäude mit Glasfassade. Das Unternehmen spart so nach damaligen Angaben jährlich etwa 60 Millionen Euro Gewerbesteuer ein. Top-500-Firmenprofil für Deutsche Börse AG

Dax-Konzern Wirecard sitzt im unscheinbaren Aschheim

Mitten in München und dennoch im Grünen: Unternehmensgebäude der Allianz.
Mitten in München und dennoch im Grünen: Unternehmensgebäude der Allianz.
Foto: servickuz - shutterstock.com

Und der Zahlungsabwickler und Dax-Neuling Wirecard sitzt ziemlich unscheinbar im Münchner Vorort Aschheim. Genauer gesagt im Gewerbegebiet Dornach. Doch das ist noch lange nicht die Regel in der bayerischen Landeshauptstadt, in der viele Unternehmen noch betont repräsentativ residieren: Der Versicherer Allianz hat seine Zentrale am Englischen Garten, die Münchener Rückversicherung sitzt in einem prachtvollen Palais - und der Siemens-Sitz ist in der Altstadt nahe der Feldherrnhalle zu finden.

Und wie sieht es in den USA aus? Zumindest in New York sind repräsentative Firmensitze in teuren Gegenden weiterhin die Regel. Die größte US-Bank JPMorgan Chase gab erst im Februar Pläne für den Bau eines noch größeren Hauptquartiers an der berühmten Park Avenue bekannt. Rivale Goldman Sachs hat zwar einige Geschäfte in einen kleineren Büroturm in New Jersey ausgelagert, leistet sich jedoch auch eine schicke Zentrale am Battery Park, mit Blick auf die Freiheitsstatue.

Die Deutsche BankDeutsche Bank will zwar ihr New Yorker Hauptquartier an der Wall Street verlassen. Die neue Adresse am Rande des Central Parks kann sich aber ebenfalls sehen lassen. Bei dem Industrieriesen General Electric kann von Stadtflucht ebenfalls nicht die Rede sein: Er verlegte seinen Hauptsitz erst kürzlich vom öden Fairfield im Bundesstaat Connecticut ins belebte Boston. Die Tech-Giganten an der Westküste setzen hingegen traditionell auf das Silicon Valley südlich von San Francisco, ein Standort zwar außerhalb der berühmten Metropole, der allerdings längst selbst zum Zentrum der IT- und Technologiebranche geworden ist. (dpa/rs) Top-500-Firmenprofil für Deutsche Bank

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