Artificial Intelligence

Wie autonome Prozessautomation unser Leben einfacher macht

Kommentar  29.01.2018


René Büst ist Research Director in Gartners Managed Business and Technology Services Team mit Hauptfokus auf Infrastructure Services & Digital Operations. Er analysiert Entwicklungen im Bereich Cloud Computing (Anbieter von Managed Cloud-Services und Public Cloud sowie Cloud-Strategien wie IaaS, PaaS und Multicloud), digitale Infrastrukturen und Managed Services sowie den Einfluss der digitalen Transformation auf die IT. Seit Mitte der 90er Jahre konzentriert sich Herr Büst auf den strategischen Einsatz der IT in Unternehmen und setzt sich mit deren Einfluss auf unsere Gesellschaft sowie disruptiven Technologien auseinander.

Amazon Alexa & Co.: Künstlich, aber nicht intelligent

Haben Sie schon einmal versucht, eine einfache Konversation mit Amazon's Alexa oder Apple's Siri zu führen? Genau, das geht nicht gut aus. Dennoch, bei Alexa als auch Siri handelt es sich um AI-Technologien. Beide nutzen Natural Language Processing (NLP), also Machine-Learning-Algorithmen in Kombination mit Vorhersagemodellen.

Sprachassistenten wie Amazon Alexa oder Siri sind weder intelligent noch selbstlernend, sondern greifen nur auf eine ständig wachsende Datenbank zu.
Sprachassistenten wie Amazon Alexa oder Siri sind weder intelligent noch selbstlernend, sondern greifen nur auf eine ständig wachsende Datenbank zu.
Foto: pianodiaphragm - shutterstock.com

Zum Beispiel werden die Algorithmen eingesetzt, um Ihre Sprachkommandos in kleine Teile - so genannte Sound Bites - zu zerlegen. Anschließend werden diese Stücke anhand eines anderen Vorhersagemodells analysiert. Dabei versucht das System zu erkennen, um was für eine Art von Anfrage es sich handelt.

Allerdings sind Alexa als auch Siri weder intelligent noch selbstlernend. Betrachten Sie deren "Gehirne" (sie haben KEINE Gehirne) wie eine Datenbank, welche sich in den Cloud-Backends von Amazon und Apple befinden, und die eine Menge von fertigen Antworten bzw. Anweisungen bedienen. Sollten Sie bspw. ein stolzer Besitzer eines Amazon Echo sein, dann verstehen Sie wovon ich spreche. Jeden Freitag erhalten Sie dann nämlich eine E-Mail mit den neuesten Kommandos, die Sie nutzen können, um Alexa zu kontrollieren bzw. mit ihr zu interagieren.

Neben der ständig wachsenden Datenbank hinter Alexa helfen die sogenannten "Alexa Skills" dabei, Alexa "intelligenter" zu machen. Hierbei handelt es sich um nicht mehr als kleine Applikationen (wie für Ihr Android Smartphone oder iPhone), welche jemand entwickelt und mit weiteren Kommandos, Fragen, die gestellt werden können sowie fertigen Antworten bzw. Anweisungen ausgestattet hat.

Und je mehr Alexa Skills aktiviert sind, desto intelligenter erscheint Alexa, da Sie schließlich mehr Kommandos zur Verfügung haben, um mit ihr zu interagieren. Die aber derzeit wirklich interessante Geschichte um Alexa ist, dass Amazon mittlerweile 5000 Mitarbeiter exklusiv an Alexa arbeiten lässt, um sie zu verbessern. Damit können wir bald deutlich mehr Fortschritt erwarten.

Die gute Neuigkeit: Selbstlernende Systeme existieren bereits. Wenn Sie bspw. Ihr iPhone über Bluetooth mit Ihrem Fahrzeug verbinden und Ihre Heimatadresse und die Ihres Büros hinterlegen, wird das iPhone Ihnen in kurzer Zeit anzeigen, wie lange Sie nach Hause bzw. zur Arbeit benötigen.

In anderen Fällen hat mir "Apple Maps Destination" Vorhersagen für Ankunftszeiten zu Orten angezeigt, welche ich zwar öfters besucht habe, deren Adresse aber nicht auf meinem iPhone gespeichert ist. Also lediglich auf Basis meiner Reisegewohnheiten. Google Now arbeitet auf ähnliche Weise. Proaktiv stellt der Dienst dem Nutzer Informationen bereit, welche diese möglicherweise suchen. Also Vorhersagen basierend auf deren Suchverhalten. Und wenn Sie Google Now Zugang zur Ihrem Kalender gewähren, dann arbeitet der Dienst sogar als persönlicher Assistent/ Berater. So erinnert er Sie bspw. daran, dass Sie einen Termin haben und welches Verkehrsmittel Sie nehmen sollten, um rechtzeitig vor Ort zu sein.

"Relay" von Savioke ist ein autonomer Roboter-Bote, der in einigen Hotels für den Room Service eingesetzt wird
"Relay" von Savioke ist ein autonomer Roboter-Bote, der in einigen Hotels für den Room Service eingesetzt wird
Foto: Savioke

Zu anderen AI-bezogenen Diensten, mit welchen Sie möglicherweise schon seit geraumer Zeit in Kontakt sind, gehören:

  • Seit den 1950er setzt die Finanzindustrie bereits auf Machine-Learning-Algorithmen, um Ihre Kreditwürdigkeit zu prüfen;

  • Webseiten zur Partnersuche nutzen Algorithmen, um Anzeichen zu erkennen, wie wahrscheinlich es ist, dass zwei Menschen miteinander ausgehen werden;

  • Am Flughafen Genf kümmert sich der autonome Roboter KATE um das Gepäck, hilft beim Check-in und der Navigation durch den Flughafen. Alles anhand von Datenanalysen und der Berücksichtigung von Geolokationen;

  • "Relay" von Savioke ist ein autonomer Roboter-Bote, der in einigen Hotels für den Room Service eingesetzt wird.

Autonome Prozess Automation in unserem täglichen Leben

Kommen wir zurück zur AI als Autonome Prozess Automation, die unser Leben vereinfacht. Ein paar Ideen

  • Stellen Sie sich Alexa oder Siri als Ihren persönlichen Wachhund im Büro vor. Ein intelligenter Assistent, der Ihre Anrufe entgegennimmt und für Sie Termine mit Kollegen autonom aushandelt - insbesondere mit denen, die Ihnen ständig ungefragt Kalendereinladungen schicken. Ich denke dabei an eine frühe Variante von Iron Man's AI "Jarvis".

  • Oder wie wäre es mit Alexa oder Siri als einen persönlichen Assistenten für unterschiedliche Lebensbereiche. Sagen wir, Sie haben einen Vortrag auf einer Konferenz. Ihr Flug nach Hause startet um 16:00 Uhr. Damit Sie den Flug rechtzeitig erreichen, bestellt Ihr virtueller Assistent Ihnen ein Taxi um 14:15 Uhr, da Ihr Vortrag um 13:45 Uhr endet und nach der aktuellen Verkehrslage mit Stau zu rechnen ist. Der virtuelle Assistent sendet Ihnen lediglich die Standortinformationen, wo Ihr Taxi Sie abholen wird. Während des Vorgangs folgt der Assistent einfach nur den gesamten Prozess, den Sie normalerweise durchschreiten würden: vom Herausnehmen des Smartphones aus der Tasche, über das Öffnen der App, Suchen des Reiseziels bis hin zum Bestellen des Taxis. Sie haben somit Ihre Hände und Gedanken frei für wesentlich wichtigere Dinge. Hierfür müssen Sie der AI natürlich Zugriff auf Ihren Kalender, Geolokation und weitere Informationen geben.

  • Oder stellen Sie sich eine intelligente Variante des Küchenhelfers "Thermomix" vor. Der Speiseberater: Anhand dessen, was der Thermomix im Kühlschrank findet, macht er Vorschläge, welche Gerichte gekocht werden könnten. Sollten ein paar Zutaten für andere mögliche Gerichte fehlen, könnte er anbieten, diese direkt online zu bestellen. Oder der gesundheitsbewusste Berater: Basierend auf den Essgewohnheiten der letzten Wochen macht der Thermomix Sie freundlich darauf aufmerksam, dass das Tiramisu, welches Sie gerade zubereiten, heute doch lieber nicht auf dem Speiseplan stehen sollte, da dies nicht gut für Ihre Kalorienaufnahme wäre.

Autonome Prozess-Automation innerhalb eines Unternehmens

AI als autonome Prozess-Automation hat auch im Unternehmensumfeld jede Menge Potentiale. Schauen wir uns zwei reale Beispiele an:

  • Eine AI-defined Infrastructure bspw. ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Autonomous Process Automation für den IT-Betrieb. Mit dieser Art von Umgebung ist ein Unternehmen in der Lage, eine selbstlernende bzw. selbstheilende Infrastruktur-Umgebungen aufzubauen und zu betreiben. Eine AI-defined Infrastructure kann ohne menschliche Interaktion, abhängig von den Workload-Anforderungen, die notwendigen Ressourcen bereitstellen und diese wieder de-allokieren, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Hierzu analysiert sie fortlaufend das sich ständig verändernde Verhalten und den Status einzelner Infrastruktur-Komponenten. Damit kann sie auf den Status einzelner Infrastruktur-Komponenten reagieren bzw. proaktiv agieren, indem autonom Aktionen durchgeführt werden, um die Infrastruktur ständig wieder in einen fehlerfreien Zustand zu überführen.

  • In der Versicherungsindustrie befindet sich eine Autonome Prozess Automation bereits im Einsatz, um autonom Versicherungspolicen zu erstellen. Hierzu lernen Versicherungsexperten (Domain-Experten) einer AI den Prozessablauf Schritt für Schritt an, wie und warum sie eine bestimmte Versicherungspolice erstellen. Die AI ist außerdem mit externen Partnersystemen verbunden, die weitere Informationen zur Verfügung stellen. Im ersten Schritt erstellt die AI eine Versicherungspolice und informiert einen Experten. Der Experte prüft die Police und nimmt ggf. Änderungen vor. Anschließend übersendet er die Police an den Kunden. Das Ziel besteht darin, dass ein Kunde direkt mit der AI interagiert und nach Übermittlung aller notwendigen Informationen seine individuelle Versicherungspolice erhält.

Schrauben Sie Ihre Erwartungen nach unten

Zum Abschluss ein wichtiger Punkt. Anstatt AI ständig als größte Gefahr für die Menschheit zu diskutieren sollten wir lieber mal die größte Gefahr der AI-Forschung hervorheben. Die Ungeduld der Menschen! Das Problem: Die AI-Forschung besteht aus einem sich ergänzendem System verschiedener Techniken und Methoden. Immer dann, wenn eine Vorgehensweise "die Aufgabe nicht vollständig erledigt" hat, wendeten sich die Menschen von diesem Ansatz ab und verfolgten einen anderen.

Sie wollen coole AI-Lösungen in der Zukunft sehen? Bleiben Sie ruhig und warten Sie ab. Es wird passieren! Wir müssen uns lediglich Schritt für Schritt nach vorne bewegen. Andernfalls werden die Erwartungen wieder nicht erfüllt, was uns umgehend in den nächsten AI-Winter treiben wird.

Verstehen Sie AI-Technologien daher als einen Ansatz unser Leben einfacher zu machen. Und strapazieren Sie dabei das Wort "Intelligenz" nicht zu sehr. Seien Sie aber dennoch vorsichtig damit, welche Art von Daten und persönlichen Informationen Sie wirklich teilen wollen. Denn sind diese erst einmal außerhalb Ihres Kontrollbereiches, ist es nahezu unmöglich den Vorgang wieder rückgängig zu machen.

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