Systemische Altersdiskriminierung

Wie IBM alte Mitarbeiter loswerden wollte

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Ex-Mitarbeiter, die gegen IBM wegen Altersdiskriminierung klagen, können hoffen. In den USA werden immer mehr Dokumente bekannt, die die Vorwürfe belegen sollen.
Jugendwahn bei IBM? Manager sollen ältere Mitarbeiter als Dino-Babys verunglimpft und bevorzugt gefeuert haben.
Jugendwahn bei IBM? Manager sollen ältere Mitarbeiter als Dino-Babys verunglimpft und bevorzugt gefeuert haben.
Foto: Michael Vi - shutterstock.com

In Sachen Altersdiskriminierung kommt IBMIBM nicht zur Ruhe. Erst kürzlich geriet der Konzern in die Schlagzeilen, weil Führungskräfte über ältere Mitarbeiter als "Dino-Babys, die bei IBM zu einer ausgestorbenen Spezies bei IBM werden sollten" herzogen. Jetzt scheinen in den USA interne IBM-Akten an die Öffentlichkeit gelangt zu sein, die den Vorwurf der Altersdiskriminierung untermauern. Alles zu IBM auf CIO.de

Feuert IBM Alte systematisch?

Laut einem Bericht von "The Register" sind in den USA in etlichen Klagen gegen IBM vertrauliche IBM-Dokumente aufgetaucht, die wohl belegen, dass der IT-Konzern systematisch ältere Mitarbeiter feuert. Dabei soll es sich um Akten handeln, die bereits in einem früheren Prozess vor Gericht vorgelegt wurden. Auf Betreiben von IBM wurden diese Akten damals versiegelt, um zu verhindern, dass Belege über das asoziale Verhalten des Konzerns an die Öffentlichkeit gelangen.

Bei den Dokumenten soll es sich um Folien und Diagramme handeln, die erstmals im Fall Langley gegen IBM im Jahr 2018 verwendet wurden. Sie beschreiben - wie es heißt - die Bemühungen des Unternehmens, den Personalbestand auf jüngere Mitarbeiter zu verlagern, die als Early Professional (EP) Hires bezeichnet werden. IBM hatte damals versucht, die Person zu entlarven, die die Dokumente durchsickern ließ. Dies wurde jedoch vom Richter abgelehnt. Der Konzern weigerte sich wiederum, zu überprüfen, ob die Dokumente echt sind.

Belegen interne Akten IBMs Tun?

Nun wurden diese internen Akten erneut als Beweismittel in der Klage von Rusis et al. gegen IBM eingereicht. Dabei handelt es sich um eine Sammelklage von neun ehemaligen IBM-Mitarbeitern, die ausführen, sie seien wegen ihres Alters entlassen worden. Ursprünglich umfasste der Fall mehr Kläger, aber der Richter wies einige Klagen ab, weil die ehemaligen IBM-Angestellten Schiedsvereinbarungen unterzeichnet hatten. In den Dokumenten werden Einstellungsziele beschrieben, wie etwa die "Verschiebung des Personalbestands in Richtung eines größeren Anteils von Early-Professional-Einstellungen" und Bemühungen, "einen Zustrom von EPs zu finanzieren, um die Altersstruktur zu korrigieren".

Diese Ziele finden sich auch in den Äußerungen der erfolglos geschwärzten IBM-Dokumente und E-Mail-Nachrichten wieder, die in einem anderen Fall von Altersdiskriminierung, Kinney gegen IBM, eingereicht wurden. So wird in einer Passage beschrieben, wie ein IBM-Vizepräsident zugibt, "dass es ein Loch in unsere Rhetorik reißen würde, wenn wir uns nicht bemühen würden, wenigstens ein paar der bald entlassenen IBM-Mitarbeiter zu versetzen".

Im Jahr 2018 veröffentlichten ProPublica und Mother Jones einen Bericht, in dem behauptet wurde, IBM habe eine systematische Kampagne durchgeführt, um ältere Mitarbeiter loszuwerden. Die US-amerikanische Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) untersuchte die Angelegenheit und kam 2020 zu dem Schluss, dass es "begründeten Anlass zu der Annahme gibt, dass [IBM] die Kläger und andere aufgrund ihres Alters diskriminiert hat".

Das sagt IBM zu den Vorwürfen

IBM hat diese Vorwürfe stets bestritten. "Diskriminierung jeglicher Art ist völlig gegen unsere Kultur und das, was wir bei IBM sind, und es gab (und gibt) keine systematische Altersdiskriminierung in unserem Unternehmen", äußerte sich etwa IBM-Personalchefin Nickle LaMoreaux öffentlich. La Moreaux sah sich dazu genötigt, nachdem in der Klage Lohnn gegen IBM versiegelte Dokumente bekannt wurden, in denen älterer Arbeitnehmer IBM-intern als "Dino-Babys" verunglimpft und die Notwendigkeit, sich mit der "veralteten Belegschaft" des Unternehmens zu befassen, detailliert beschrieben wurden.

IBM behauptet dagegen, dass in den USA zwischen 2010 und 2020

  • 37 Prozent aller Eingestellten über 40 Jahre alt,

  • 10.000 neue Mitarbeiter über 50 Jahre alt,

  • und 1.500 über 60 Jahre alt

gewesen seien. Im Jahre 2020 seien ganze 26 Prozent der US-Belegschaft 20 Jahre oder länger im Unternehmen beschäftigt gewesen. Das Durchschnittsalter der IBM-Belegschaft in den USA habe bei 48 Jahren gelegen. Damit sei die Belegschaft sechs Jahre älter als das Durchschnittsalter aller US-Beschäftigten im Jahr 2020.

Hoffnung für weitere Kläger

Im Kontrast zu diesen Äußerungen stehen allerdings Hunderte von Klägern, die Altersdiskriminierungsklagen gegen IBM eingereicht haben und die Behauptungen von Big Blue bestreiten. Mit dem Auftauchen interner Dokumente aus Fällen wie Langley gegen IBM, Kinney gegen IBM und Lohnn gegen IBM haben diese Kläger nur bessere Karten, um vor Gericht erfolgreich zu sein. In der Vergangenheit gehörte es nämlich zum System IBM, entsprechende Dokumente aus anderen Verfahren versigeln zu lassen.

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