Design Thinking

Wie Levis eine Jacke mit Google entwickelte

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Die Jeans-Marke Levi Strauss verkauft mit dem Commuter X Jacquard by Google ein Wearable, das wie eine sportliche Jacke aussieht. Damit kann man Musik hören oder Telefonate annehmen. Jetzt gibt es auch Schnittstellen zu Uber und Lyft. Forrester analysiert Gründe für Erfolg und Schwierigkeiten des Produktes.
  • Die Jacke funktioniert über Bluetooth, Zielgruppe sind Erwerbstätige, die gern Rad fahren und auf dem Rad erreichbar sein wollen
  • Auf den ersten Blick handelt es sich um ein Kleidungsstück, aber Levi Strauss behandelt den Commuter wie einen Elektroartikel, was zu Schwierigkeiten mit dem stationären Modehandel führt
  • Levi Strauss und Google erhoben mit Design Thinking, wie sich Kunden die ideale Jacke vorstellen

Die Levi's 501 ist ein absoluter Klassiker. Die Blue Jeans gilt als Aushängeschild des amerikanischen Unternehmens Levi Strauss & Co, das seit mehr als 150 Jahren Jeans verkauft. Mit Chip Bergh trat 2011 ein CEO an, dem der Rückblick auf die erfolgreiche Tradition zu wenig ist. Bergh wollte innovieren und holte mit Paul Dillinger einen Head of Global Product InnovationInnovation an Bord. Alles zu Innovation auf CIO.de

Im September brachte das Unternehmen den sogenannten Commuter X Jacquard by GoogleGoogle auf den Markt, einen Zwitter aus Jacke und IT-Device. Partner des Textil-Herstellers ist Google. Der US-Marktforscher Forrester analysiert den Case in seinem Papier "How Levi Strass & Co. used innovation to create new market leadership". Alles zu Google auf CIO.de

Levi Strauss zählt mit der Marke Levi's zu den Großen auf dem Fashion-Markt.
Levi Strauss zählt mit der Marke Levi's zu den Großen auf dem Fashion-Markt.
Foto: Levi Strauss & Co

Das technologisch aufgerüstete Kleidungsstück funktioniert so: Im Jackenärmel steckt ein Jacquard Snap Tag von Google, der den Träger mit seinem Smartphone verbindet. Der Käufer lädt sich die Jacquard App für sein iPhone oder Android-Gerät herunter und kann damit Musik hören, durch den Verkehr navigieren und Telefonate annehmen. Er braucht weder Knöpfe zu drücken, noch ein Gerät ans Ohr zu halten.

Ein Lifestyle-Magazin lobte, der kleine Knopf am Ärmel füge sich gut in den Jeans-Stoff ein und sei kaum sichtbar. "Wer an ihnen vorbeigeht, bemerkt nicht, dass Sie sich in einen trendigen Cyborg verwandelt haben", schreibt das Magazin.

Zielgruppe sind insbesondere Radfahrer

Zielgruppe sind Erwerbstätige, die gern Rad fahren und auch auf dem Rad erreichbar sein wollen. Die Jacke sei so schick, dass sie auch im Büro und bei Meetings getragen werden kann, verspricht Levi Strauss.

Eine Art Harry-Potter-Welt für die Kunden

Um digital-enabled Fashion anbieten zu können, setzte sich Levi Strauss mit Googles Abteilung für Advanced Technology and Projects zusammen. Aus Bordmitteln konnte der Jeans-Hersteller einige Erkenntnisse beisteuern, etwa die, dass modebewusste Kunden digitale Geräte nutzen wollen, ohne sie in die Hand nehmen zu müssen. Das gilt insbesondere für Radfahrer. Um mehr über deren Bedürfnisse zu erfahren, entschieden sich beide Partner zur Anwendung von Design ThinkingDesign Thinking. Alles zu Design Thinking auf CIO.de

Als Ergebnis dessen fragten sie ausgewählte Kunden nicht, wie sie sich die ideale Jacke vorstellten oder wann sie eine solche Jacke tragen würden. Stattdessen entwarfen Levi Strauss und Google eine Art Harry-Potter-Welt, in der Kunden fabulieren konnten, auf welchen Zauberspruch ihre Jacke welche Funktion erfüllte.

Wiederstand bei Einzelhändlern

In der praktischen Umsetzung dagegen witterten interne Mitarbeiter wie Einzelhändler faulen Zauber. Die technologisch aufgerüstete Jacke kann nicht wie ein herkömmliches Kleidungsstück verkauft werden. Der Händler braucht ein vorinstalliertes Teil samt Smartphone, das der Kunde ausprobieren kann - und er braucht Verkäufer, die das Produkt verstehen und seinen Sinn vermitteln können. Für manchen Boutiquenbetreiber ein Mehraufwand, den er nur ungern hinnimmt.

Im Online-Handel gilt die Jacke als Elektrogerät

Ein weiterer Aspekt liegt im Online-Handel. Normalerweise dürfen Kunden mehrere Exemplare einer Jacke bestellen, also etwa mehrere Größen und Farben. Sie behalten, was gefällt, den Rest schicken sie ohne Aufpreis zurück. Levi Strauss kann aber einen "ausprobierten" Commuter nicht mehr als neuwertig verkaufen, daher dürfen Kunden maximal zwei Stück nach Hause bestellen. Das Produkt wird hier also nicht wie eine konventionelle Jacke behandelt, sondern wie ein Elektrogerät.

Auch intern regte sich Widerstand, der nach Meinung der Analysten aber nicht über den üblichen Unwillen gegenüber Neuem hinausging. Die Entscheider bei Levi Strauss konnten das knacken, in dem sie das große Kundeninteresse nach der Design-Thinking-Befragung kommunizierten.

Schnitstellen zu Uber und Lyft

CEO Bergh und Produkt-Innovator Dillinger betrachten den Commuter X Jacquard by Google als Plattform für weitere Innovationen. So hat die High-Tech-Jacke im Mai 2018 Schnittstellen zu den Ride-Sharing-Apps Lyft und Uber bekommen. Beiden Managern ist bewusst, dass sie weiterhin Überzeugungsarbeit leisten müssen. Dillinger: "Ich bin nicht in der luxuriösen Position eines Elon Musk, der einfach neue Ideen vorschlägt und sie werden akzeptiert!"

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