Karriere-Analysen

Wie man Chef eines DAX-Konzerns wird

07.09.2009
Von Klaus Werle

Wenn hierarchischer Ehrgeiz die inhaltliche Leidenschaft übersteigt, fliegt das früher oder später auf. Merck-Aufsichtsratschef Krebs, der sich sehr für Psychologie interessiert, hat seine ganz eigene Methode entwickelt, um die wahren Motive potenzieller Vorstandskandidaten zu überprüfen. Beiläufig fragt er etwa, was die Familie von einer Auslandsentsendung halte. "Wer antwortet, ,Kein Problem, das bestimme immer noch ich', beweist nicht gerade gesteigerte Teamfähigkeit." Dann erkundigt sich Krebs über einem Glas Wein zwanglos nach den Urlaubsplänen des Anwärters. Wenn der von seinem Traum, dem eigenen Segelboot und dem Haus auf den Malediven, schwärmt, dürfte auch die Frage nach der Bedeutung der finanziellen Motivation geklärt sein.

Die Karriere lässt sich nicht planen

Karrieren, erst recht bis ganz hinauf an die Spitze, lassen sich eben nicht durchplanen. Und die sicherste Methode, kein CEO zu werden, ist vielleicht die, es unbedingt zu wollen. Clemens Fischer kann das bestätigen, auch wenn die Ausgangslage bei ihm genau umgekehrt war. Fischer ist 34 Jahre alt, also ein potenzieller CEO des Jahres 2028, und tatsächlich kann er einen Lebenslauf vorweisen, wie ihn sich Personalentwickler nicht in ihren kühnsten Träumen auszumalen wagen. Studium der Medizin und Betriebswirtschaft, beides mit "sehr gut" abgeschlossen. MBA an der renommierten Harvard Business School. Mit 17 eine Mobilfunkfirma gegründet (die er für mehrere Hunderttausend Mark verkaufte), später einen Krebstest entwickelt und diverse neue Firmen aus der Taufe gehoben.

Seinen Vater kennt er nicht, seine Mutter ist Krankenschwester, kleine Verhältnisse in der bayerischen Provinz. Fischer ist einer der ganz wenigen Jungmanager, die offen über ihr Berufsziel CEO sprechen: "Ich wollte immer unbedingt in einem Großkonzern Karriere machen." 2002 beginnt er als Senior Product Manager bei Novartis , es ist die ideale Position, Fischer denkt schnell, hat gute Ideen, er steigt rasch auf, bis zum Mitglied der Geschäftsleitung für Deutschland. Er hatte jetzt einen gut Teil des Weges geschafft, weit mehr als die allermeisten in seinem Alter. Doch dann die Überraschung: Er, der allzeit Aktive ("Bei mir muss immer Feuerwerk sein"), sitzt in Meetings, liest Protokolle, zeichnet Aktennotizen ab. "Diese Konzernstrukturen, das war nichts für mich. Nur Absicherung, während kreative Ideen verschlafen werden."

Novartis drängt ihn zu bleiben, doch im Dezember 2008 steigt Fischer aus. Er konzentriert sich jetzt ganz auf seine eigene Firma Fischer Healthcare, eine Art Unternehmensberatung für Pharmafirmen, zweieinhalb Millionen Euro Umsatz. Viele schlaflose Nächte gingen dem Abschied von seinem Traum voraus, doch jetzt hat er sie wieder, die Freiheit, die Kreativität, die Arbeit, die sich anfühlt wie ein Hobby: "Ich konnte mich meiner Veranlagung nicht entziehen."

Es ist genau die Leidenschaft, von der Hainer spricht. Nur dass sie im Fall Fischer bis 2028 voraussichtlich nicht zum CEO-Posten führen wird. Es sei denn in seinem eigenen Unternehmen.

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