Inteview mit Parker Harris

Wie Salesforce.com high bleiben will

04.09.2015
Von John Gallant

Die Cloud-Industrie in fünf Jahren

Je größer ein Cloud-Provider wird, desto schwerer tut er sich mit dem Wachstum. Übernahmen sind die logische Folge. Wie wird die Cloud-Industrie in fünf Jahren aussehen?

Parker Harris: Größer. Meiner Meinung nach werden wir gerade im Low-end-Bereich jede Menge Innovationen erleben, genau wie damals, als wir den Markt enterten und der Branchenprimus Siebel hieß. Als Unternehmen müssen wir uns daher selbst ständig irritieren. Wir sehen uns junge Firmen an, investieren in sie oder kaufen sie. Irgendwie schaffen wir es, interessante Persönlichkeiten ins Unternehmen zu holen. Gerade erst gestern hatten wir ein Meeting mit verschiedenen Start-ups, die wir übernommen haben, in dem wir ihnen von unseren Erfahrungen berichtet haben. So haben wir sie in unser Magement-Modell V2MOM eingeweiht, mit dem wir uns künftig besser abstimmen wollen.

Es ist wichtig, sich abzustimmen - allerdings muss man nichts überregulieren. Ein bisschen Chaos ist gut. Wir haben die Service Cloud - gleichzeitig haben wir uns aber auch ganz genau angesehen, was Zendesk so treibt. Eine hervorragende Firma übrigens.

Wir sprachen mit ihnen, versuchten sie zu verstehen. Es endete damit, dass wir Assistly übernahmen und in Desk.com umbenannten, ein kleiner Affront gegen Zendesk. Natürlich kann man sich fragen, warum wir das gemacht haben - wo wir doch Service Cloud haben. Aber so mögen wir das. Ein klein bisschen Reibung, kontrolliertes Chaos sozusagen, ist sehr anspornend. Aber jetzt bin ich glaub ich abgeschweift.

Glauben Sie, dass es mehr oder weniger Anbieter von Cloud Computing geben wird?

Parker Harris: Ich glaube, wir werden mehr und mehr Anbieter im Low-end-Bereich sehen. Einige davon werden ihren Weg machen. So war es immer in der Industrie, so wird es bleiben. Wir sollten davon lernen. Im High-end-Bereich werden wir zunehmend Partnerschaften erleben, und immer wieder Übernahmen. Wir sehen uns ja auch nach Möglichkeiten um.

Es ist unser Credo, sich die Mentalität eines Start-ups genau anzusehen und zu erkennen, ob etwas daran nachahmenswert ist. Überhaupt beobachten wir den Markt, aber auch uns selbst, sehr genau.

Ich glaube nicht, dass es uns gut tut, uns als große Macht in der IT zu betrachten und größenwahnsinnig eine Über-Lösung anzustreben. Dann verlieren wir die Belange unserer Kunden aus den Augen und haben stattdessen die Weltherrschaft im Sinn. Das darf nicht sein. Unser Business hört auf den Namen CRM und unser Ziel muss es sein, das Verhältnis unserer Kunden zu ihren Partnern und Kunden zu verbessern.

Lasen Sie mich Microsoft als Beispiel heranziehen. Solange Ballmer am Ruder war, war unser Verhältnis miserabel. Er machte uns Vorschriften und zeigte sich wenig kooperativ. Mit Nadella hat sich das grundlegend geändert, und wir sind heute gute Partner. Vielleicht geschieht das auch im Falle von Firmen wie Workday, die sich heute noch nicht geöffnet haben. Vielleicht ergibt sich aus so etwas mehr, etwa ein gemeinsames Produkt oder so. Aber vielleicht verstärken wir uns auch durch Übernahmen, das kann man heute nicht vorhersagen.

Im Markt wird aber nicht die eine, große Konsolidierung geben. Da ist viel zu viel Dynamik im Spiel, gerade im Cloud-Markt, weil neue Produkte vergleichsweise leicht erstellt werden können. Dieses disruptive Moment sorgt dafür, dass Big Players wie wir nicht saturiert in der Ecke sitzen bleiben können. Es reicht nicht, zu behaupten, dass man die Probleme der Kunden lösen kann. Das können die Start-ups auch, vielleicht sogar besser. Deshalb habe ich stets ein Auge auf den Nachwuchs und frage mich permanent, wie wir trotz Wachstum innovativ bleiben können.

Wird es einer der altbekannten IT-Größen schaffen, sich als Cloud-Anbieter durchzusetzen und eine große Rolle zu spielen?

Parker Harris: Das weiß ich nicht. Es ist jedenfalls hart, eine gewachsene Firmenkultur zu verändern. Man muss ja vom Lizenz- zu einem Abo-Modell wechseln. Sie brauchen eine mutige Führungsriege, um so etwas umzusetzen. Einige schaffen es. Aber es ist hart, mit einem Bein im traditionellen IT-Business zu stehen und mit dem anderen im neuen Lager. Das genau ist aber bei vielen Anbietern der Fall.

Wie wollen die den Übergang schaffen? Ehrlich gesagt bin ich ziemlich erstaunt, dass auch nach 16 Jahren im Geschäft noch kein ernstzunehmender Cloud-only-Konkurrent aufgetaucht ist. Nirgends. Aber dieses neue Cloud-Dingens ist halt verstörend, genauso wie damals Client/Server verstörend auf die damaligen Mainframe-Größen gewirkt hat.

Angenommen, ein CIO oder CEO spricht mit Oracle, SAP, IBM oder einem anderen Schwergewicht über deren Transformation zu einer Cloud-Company. Welche Frage sollte er stellen?

Parker Harris: "Wie können Sie mich erfolgreicher machen?" Vermutlich kann man mit den Burschen wunderbar über Technik sprechen, ob sie mehrmandantenfähig ist, ob sie On-Premis ist, ob es sich um eine hybride Cloud handelt, solche Sachen. Aber was bringt das? Wie wollen Sie mir beispielsweise Upgrades zu ihrer Technik servieren? Wir tun das dreimal im Jahr mittels unserer Partner - dank deren Arbeit in Sachen Anpassung, Konfiguration und Programmierung. Das ist jede Menge Arbeit! Im Normalfall ist ein Upgrade im Enterprise-Bereich ein Horror. Für uns ist es dagegen ein Kinderspiel. Unsere Upgrades wurden ja nach Jahreszeiten benannt, konkret reden wir von Summer. Den Sommer muss man nicht installieren, er kommt einfach.

Ein Kunde sollte also in Erfahrung bringen, wie der Anbieter verhindern will, dass sein Produkt zum Zeitpunkt des Verkaufs einfriert. Denn Konvertierungen sind teuer. Bei EMC hab ich mal mitbekommen, wie sie von Oracle Finance zu einer Lösung von SAP wechselten. Ein Heer von Beratern und Angestellten war damit zu Gange. Nach vielen Jahren des Anpassens und Vermeidens von Updates war das wirklich hart. Ein Kunde sollte also immer fragen: "Wie könnt ihr mich erfolgreicher machen?" statt "Warum ist eure Lösung besser als die der Konkurrenz?"

Ich kenne On-Premise-Software, ich kenne die entsprechenden Anbieter. Das sind keine bösen Menschen, aber ich glaube einfach nicht, dass sich Probleme On-Premise lösen lassen. Solche Anbieter wissen ja nicht, wie und wo der Kunde die Software installiert hat. Im Falle eines Problems oder Upgrades kann er nur schlecht helfen. Man müsste immer Berater und den Chefarchitekten zum Kunden fliegen, damit sie sich die Sache ansehen. Das geht prinzipiell nur bei großen Kunden. Und ob der Architekt das Problem dann auch lösen kann ist die nächste Frage.

Anders ist es, wenn der Kunde uns die Software hosten lässt. Dann handeln wir proaktiv. Spürt einer unserer Techniker ein potentielles Problem beim Kunden auf, dann informiert dieser den entsprechenden Architekten. Ich muss dann nur noch bei Herve (Coureil, CIO) bei Schneider anrufen und sagen: "Wir haben dir gerade ein Problem abgenommen, das in den nächsten paar Tagen auch auf deinem Bildschirm aufgetaucht wäre. Lass uns die Dinge so konfigurieren, dass das Problem künftig nicht mehr auftreten kann."

Wie wird sich der Markt für Plattformen entwickeln? Da geht es um die Frage, wer die Plattform besitzt und wer die Entwicklung kontrolliert. Wie wird das ausgehen? Es gibt ja auch hybride Formen, in denen Nutzer von Infrastructure-as-a-Service sich mit PaaS verstärken.

Parker Harris: Ich würde mir eine größere Offenheit wünschen. Eigentlich ist es ja irgendwie lustig: Ich beobachte Pivotal von Anfang an. Jeder Anbieter packte sein eigenes proprietäres Zeug drauf. Das Ergebnis war meist von hoher Qualität, aber der Anwender fand sich in einem Lock-in wieder. Das nenne ich nicht gerade kundenorientiert. Aber so macht man das in der Old School.

Ich bin ja ein großer Fan von Amazon. Die haben meiner Meinung nach einen Wahnsinnsjob gemacht. Aber Microsoft holt auf. Und es hat mehr Ahnung von der Enterprise-Welt. Zudem werden Public Clouds immer alltäglicher, entsprechend rechne ich nicht damit, dass wir bald neue AWS sehen werden. Vielleicht kann man es auch ganz anders machen: OpenStack läuft im Unternehmen. Auch Microsoft bietet Private Clouds an. Denn so machen die Leute das heute: Sie legen einen virtuellen Layer durchs Unternehmen, auf dem die Services dann laufen.

Oft halten die Leute an ihren physikalischen Servern fest, weil sie ihnen ein Gefühl der Sicherheit und der Kontrolle geben. Noch kann man so Geld ausgeben, aber mittelfristig werden alle Firmen über irgendeine Form von Layer verfügen. Wahrscheinlich über mehrere, den noch sehe keine dominante Lösung auf dem Markt. Die APIs werden mehr und mehr standardisiert, wobei Amazon eine Führungsrolle einnimmt. Wir bieten eine Lösung sowie eine Plattform für CRM. Damit sind wir sehr erfolgreich und versuchen erst gar nicht, eine generische Plattform aufzubauen.

Dafür ist der Markt auch zu eng. Microsoft konnte damit einige Jahre Erfolg haben, weil sie das Betriebssystem besaßen. Apple macht viel Geld auf diese Art. Aber selbst da werden viele Brücken gebaut. Wir nutzen - niemals hätte ich gedacht, dass ich das sagen werde - C++ als Cross-Platform-Code, speziell in unserer Analytics Library, so dass diese sowohl von Android als auch iOS genutzt werden kann. Seien Plattformen heute noch so proprietär, die Zukunft wird Open Source Software gehören.

Was uns betrifft, so lösen wir Probleme rund um CRM und bieten dafür mit Heroku auch eine Plattform an, die manch einer sogar als generische Plattform nutzt. Coca-Cola etwa baut damit seine Endkunden-fokussierten Apps für ihre Distributoren, Zwischenhändler, Fahrer, etc. etc. All diese Apps auf der Plattform sind an unsere Service Cloud angebunden. Über diese Apps kommen auch jede Menge Informationen über die Endkunden herein, was einem einen 360 Grad-Rundumblick verschafft.

Zur Startseite