Change Management

"Wie soll es sonst anders weitergehen?"

26.11.2012
Von Sven Ohnstedt

Wie kann sich etwas im Gehirn verändern?

Psyche und Physis gehören demnach zusammen.

Ja. Im Grunde ist es nicht zulässig, im Gehirn nach irgendwas zu suchen, wenn man dabei nicht auch den Erfahrungshintergrund betrachtet. Alle Vernetzungen, die im Gehirn entstehen, werden durch Erfahrungen geformt, die ein Mensch im Laufe seines Lebens macht - sei es in seiner Familie, in der Schule, in seinem Kulturkreis oder seinen Beziehungen.

Aber wie entsteht Bewusstsein darüber, was wir - so sagten Sie es gerade - tatsächlich brauchen?

Das ist es ja gerade, was uns in der Forschung interessiert: Wie kann sich etwas im Gehirn verändern? Die Frage nach Lernprozessen, nach Change Management ist für alle Teile der Gesellschaft von Bedeutung.

Sind Sie sich sicher? Wenn der Körper in der Gehirnforschung tatsächlich so wichtig ist, wieso existieren dann noch vermeintlich rückständige Forschungszweige?

Jede akademische Teildisziplin möchte sich etablieren. Folglich schützt sie sich erst einmal selbst, indem sie sich sowohl einschließt als auch abgrenzt. Es geht also zunächst um Definitionen und Organisationsstrukturen. Sie können wissenschaftliche Erkenntnis aber nicht aufhalten. Das müssen auch Wissenschaftler einsehen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass sie die zum eigenen Schutz aufgebauten Grenzen niederreißen müssen - keineswegs eine banale Aufgabe! Es scheint sogar eine Gesetzmäßigkeit zu sein, nach der sich Differenzierungsprozesse grundsätzlich ereignen: Erst sucht man sein Heil in der Abgrenzung, um später zu erkennen, dass man doch Teil eines größeren Ganzen ist. Auf menschlicher Ebene nennen wir ebendies eine neue Stufe des Bewusstseins.

Wieso gehen Sie mit Ihren gewonnenen Erkenntnissen eigentlich an die Öffentlichkeit?

Jedes Kind kommt mit viel mehr Vernetzungen zu Welt, als zum Schluss übrigbleiben. Ich entwickle daraus einen Impuls, um den Leuten zu sagen: Da geht noch was! Es hat gesellschaftliche Relevanz.

Wieso betonen Sie das?

Wissenschaft, die nur der Wissenschaft zuliebe betreiben oder entwickelt wird, hat ein großes Problem: Ihr fehlt das Korrektiv. Künstlern geht es mitunter ganz ähnlich. Wer holt einen zurück, wenn man sich verlaufen hat? Die Praxis und die gesellschaftliche Wirklichkeit sind deswegen wichtig, um die Wissenschaft daran prüfen zu können - wenn nicht gar: müssen. Wenn ich Erkenntnisse habe, die in keiner Weise zu Erfahrungen passen, muss ich mich doch fragen, ob ich Phänomene untersuche oder auf dem falschen Weg bin.

Gerald Hüther leitet die Zentralstelle für neurobiologische Präventionsforschung der Universitäten Göttingen und Mannheim/Heidelberg. Sein aktuelles Buch Jedes Kind ist hoch begabt erschien im Knaus-Verlag.

(Quelle: CFOworld.de)

Zur Startseite