Startup vs. Unternehmensgründung

Worauf Jungunternehmer achten sollten

Janine Völkert-May ist Unternehmensberaterin mit den Schwerpunkten HR und Unternehmensführung. Sie verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Personalbereich, von denen sie den größten Teil als Personalleiterin in verschiedenen Branchen, sowohl national als auch international tätig war.


Detlef Persin ist Inhaber des Weiterbildungs- und Consulting Unternehmens NAOS. Persin war über zwei Jahrzehnte in leitenden Managementfunktionen sowie als Mitglied der Geschäftsleitung bei DAX-30-Unternehmen aus der ITK-Branche beschäftigt. Als Certified DiSG Trainer legt er Wert auf die kaufmännische Machbarkeit und einen nachhaltigen Praxisbezug unter Einbezug des Change Managements.

Startups - die große Abhängigkeit vom Geld

Hier erleben wir den Unterschied zu einem "regulären" Gründer. Ziel der Geschäftsgründung ist es nicht, eine neue Idee möglichst schnell wachsen und zu Geld werden zu lassen, um sie dann zu verkaufen. Vielmehr geht es darum, die Idee mit eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu unterlegen und dem Markt zu präsentieren, um daraus etwas zu schaffen, das man selbst umsetzen und weiterentwickeln kann. Es geht also mehr um die Entwicklung und Ausgestaltung der Idee als um die reine Ausrichtung auf den Erfolg, der schon nach kurzer Zeit in einer gewinnbringenden Veräußerung liegt.

Natürlich braucht auch der Firmengründer Geld für die Umsetzung seiner Träume. In der Regel hat er jedoch ein wenig mehr Zeit, das Unternehmen wachsen zu lassen. Außer der Abhängigkeit von der Bank, die eine Rückzahlung des Kredits erwartet, liegen in der Regel keine weiteren Abhängigkeiten vor. Ist der Kredit abbezahlt, gehört das Geschäft allein dem Geschäftsführer und er kann damit machen was er möchte. Wenn er entscheidet, einen Partner mit hinzuzunehmen, geschieht das in der Regel nach seinen Bedingungen.

Bei einer Startup-Investition ist die Abhängigkeit gleich viel größer. Investoren tragen in der Regel einen sehr hohen Anteil, wenn nicht sogar die gesamte Finanzierung. Als Gründer ist man dann Teil einer größeren Maschinerie, die wesentlich höhere Gewinne und Publicity ermöglichen kann, die aber auch weniger Freiheit für die persönliche Entwicklung lässt.

Ein weiterer Unterschied darf dabei keinesfalls übersehen werden: Die Möglichkeiten, in sehr kurzer Zeit sehr (!) viel Geld zu verdienen, ist bei einem Startup das von Investoren unterstützt wird, ungleich höher als bei einer Firmengründung aus eigener Kraft. Ist man als Gründer also darauf aus, zügig zu einem gewissen Wohlstand zu kommen, ist der Startup-Pitch auf jeden Fall der bessere Weg als der Gang zur Bank und die Verhandlungen um einen Gründungskredit.

Der Fragenkatalog der Jungunternehmer

Wenn man also eine eigene Geschäftsidee umsetzen möchte, sollte man sich im Vorfeld die Frage stellen: Was will ich? Möchte ich schnell Geld verdienen, Teil sein der absolut spannenden und grandiosen Startup-Welt, in der ich viele interessante Leute treffen werde, mich mit Gleichgesinnten austauschen kann, gefühlt das Studentenleben im Rahmen des Inkubators noch weit über meinen Studienabschluss hinaus fortsetzen kann? Bin ich bereit, das Risiko einzugehen, auch einmal (oder mehrmals) zu verlieren, keine Investition zu bekommen, meine Idee tatsächlich zu verkaufen um dann zu sehen, dass andere sie groß machen und ich keinen Beitrag mehr dazu leisten kann?

Oder brauche ich den Austausch mit den anderen nicht so dringend, konzentriere mich lieber auf meine Sache, kümmere mich um die Idee in ihrem Inneren, lasse mein Geschäft auch MEIN Geschäft sein und entwickle es so, wie ich es möchte? Ich bin dann möglicherweise alleine mit meiner Idee, muss alleine mit der Bank verhandeln, muss alleine sehen, wie ich die Finanzierung stemme; muss vielleicht erleben, wie ich selbst nach 15 Jahren erfolgreich etwas aufgebaut habe, um dann in fünf Monaten von einem Venture-Capital-geförderten Startup am Markt überholt zu werden, das mit einer ähnlichen Geschäftsidee und zehn Mllionen Euro Förderung plötzlich ganz schnell viel mehr Möglichkeiten hat als ich. Der Schlüssel liegt nicht unbedingt in der Frage: "Was will ich?" Die Frage ist eher "WER will ich sein?" oder auch "WER soll mein Geschäft sein?"

Unternehmenskultur vs Startup-Kultur

Damit sind wir beim Kernthema angekommen: Wie wichtig ist es, dass ein Unternehmen eine eigene Persönlichkeit hat, eine Kultur, um erfolgreich zu sein? Wir hören ja oft von Unternehmenskultur, Umgang mit Mitarbeitern und Unternehmensidentität. Aber wie wichtig ist dies in der heutigen Welt der Startups? Kann ein Gründer in der bunten Welt eines Inkubators, im Rahmen von Co-Working und Booster-Programm, Mentoren-Workshop und Startup-Brunch, überhaupt eine eigene Identität entwickeln?

Muss er das überhaupt? Vermutlich ja, und zwar spätestens dann, wenn das Unternehmen wächst und der Gründer doch noch eine Rolle als Geschäftsführer spielen kann. Unternehmen wie Zalando, AirBnB oder trivago verfügen sehr wohl über eine Unternehmenskultur. Ob diese so gestaltet ist, wie die Gründer es sich zu Beginn vorgestellt haben, lässt sich von außen nicht klar beantworten.

Wichtig ist lediglich, dass die Gestaltung einer Unternehmenskultur ab einem bestimmten Punkt eine Rolle spielt. Zurück zu unserem Gespräch zwischen Stefan und Markus. Beide beneiden Anna, die jetzt ein eigenes Büro bekommen wird. Ein eigenes Büro, das ist ein Stück eigene Welt, ein Stück Intimsphäre, und damit ein Stück Kultur durch die Schaffung einer eigenen Identität. Mit dem Firmenlogo an der Tür, den Bildern an der Wand, die man sich selbst ausgesucht hat, fängt die Gestaltung der Kultur an.

Wir hören viel von der "Startup-Kultur". Sie beschreibt aber lediglich die Kultur der Startup-Welt insgesamt. Startup-Kultur bedeutet Flexibilität, Ausprobieren, Fehler machen dürfen, Networking, Brunches, Dinners, Pitches, Workshops, Austausch, buntes Treiben, Studentenfeeling, ein junges Gefühl.

Der Reiz des Startups

Die Kultur des einzelnen Startups ist anders. Die Kultur des einzelnen Unternehmens ist das, was der Gründer daraus macht, bzw. das, was die Investoren gestatten, daraus entstehen zu lassen.

Und diese Kultur ist es, die letztlich die Einzigartigkeit am Markt gestalten kann, wenn es darum geht, Menschen für das Unternehmen zu begeistern. Dabei geht es nicht länger nur um die Kunden, sondern vielmehr um die Geschäftspartner und Mitarbeiter, die das Unternehmen früher oder später in seinem Wachstum begleiten und unterstützen sollen. Und dann steht eins außer Frage: Ein Unternehmen mit einer ansprechenden Kultur wird immer in der Lage sein, Mitarbeiter zu finden, die die Ziele des Unternehmens mit Begeisterung voranbringen. Ein Unternehmen, das langsam und organisch gewachsen ist, hat somit den deutlichen Vorteil, seinen Mitarbeitern ein stabiles Umfeld bieten zu können, das auch einem Wandel im Markt aufgrund seiner guten Basis, die die Kultur ihm gibt, standhalten kann.

Andererseits hat die Startup-Welt einen gewissen "Buzz", eine Atmosphäre, die für viele Menschen genau den Reiz in der Arbeitswelt ausmachen. Nicht zuletzt aus diesem Grund unterhalten große Unternehmen ebenfalls Büros innerhalb von Co-Working-Häusern und Inkubatoren, um dort im Rahmen von Projekten oder "Spin Offs" diese besondere, junge und moderne, Atmosphäre aufnehmen und daraus Erfolg für ihre Innovationen schöpfen zu können. Sie versprechen sich, dass die Mitarbeiter, die in diesen Projekten tätig sind, in dem bunten und lebendigen Umfeld deutlich bessere Ergebnisse erzielen können, als innerhalb der gewohnten Konzernluft.

Die Frage "Wer will ich sein?" ist nicht nur eine Frage für den Gründer, sondern auch für die Menschen, die sich ein neues Wirkungsfeld suchen und überlegen, ob sie sich einem reinen Startup, oder einem auf andere Weise gewachsenen Unternehmen anschließen möchten. Nach welcher Identität suche ich in meinem Arbeitsalltag? Habe ich Lust auf ein bewegtes Umfeld, teilweise doch noch recht unprofessionelle Vorgehensweise, eher unstrukturiertes und unkonventionelles Arbeiten, Lust auf WG-Feeling mit allen Höhen und Tiefen? Oder brauche ich Struktur, geübte Vorgehensweisen, Professionalität und klare Rahmenbedingungen?

Wenn die Firma kein Startup mehr ist

So attraktiv, jung, innovativ und erfolgreich die Startup-Welt auch erscheinen mag: Sie ist nicht für jedermann gemacht und nicht jedermann ist für sie gemacht. Das ist im Übrigen auch gar nicht schlimm, sofern man sich der eigenen Identität bewusst ist und weiß, was einem selbst im Arbeitsalltag guttut, so dass man die eigene Persönlichkeit mit Selbstbewusstsein vertreten kann, anstatt sich einem Umfeld anzupassen, das einem nicht wirklich liegt.

Gleiches gilt natürlich vor allem auch für einen Unternehmensgründer. Nur wenn ich wirklich Lust darauf habe, mich in das bunte Leben zu stürzen, Freude daran habe, mich mit anderen auszutauschen, meine Arbeitszeit bunt gemischt auf 24 Stunden an sieben Tagen zu verteilen, meinen Schreibtisch auch mal anderen zur Verfügung zu stellen, sollte ich über die Gründung eines klassischen Startups nachdenken. Ich genieße dann die Vorteile einer großen Gemeinschaft zu dem Preis, stets sehr transparent und ansprechbar zu sein, wenig Ruhe zu haben und nicht ganz so sehr "mein Ding" machen zu können.

"Mein Ding" kommt dann trotzdem auf mich zu, nämlich dann, wenn meine Idee erfolgreich ist und mein Unternehmen kein Startup mehr ist, sondern größer wird. Spätestens dann ist der Punkt gekommen, mich von der Co-Working-Welt verabschieden zu müssen und eine eigene Identität und damit Kultur für mein Unternehmen zu schaffen.

P.S. Ja, wir wissen durchaus, dass der Vergleich zwischen einer "klassischen Unternehmensgründung" und einem "Startup" hier ein wenig Schwarz und Weiß gezeichnet ist. Natürlich findet sich in allem immer auch eine Mischung, und man kann nichts verallgemeinern. Trotzdem finden sich gewisse Stereotypen immer wieder bestätigt, somit lohnt es sich, die Antennen ausgefahren und die Aufmerksamkeit hoch zu halten, wenn plötzlich eine Idee daherkommt, mit der man sich gerne selbständig machen möchte. (bw)

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