eEtiquette bei der Arbeit

So geht digitale Höflichkeit

Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Während des Meetings E-Mails und SMS schreiben? Vom Home Office aus im Schlafanzug am Conference Call teilnehmen? Wie benimmt man sich in der digitalen Arbeitswelt richtig?

Damen wird die Tür aufgehalten, mit vollem Munde spricht man nicht, und wer niest, entschuldigt sich: Für die analoge Welt haben wir jede Menge Regeln, die das Zusammenleben lenken. Das digitale Zeitalter ist aber zu rasch über uns hereingebrochen, als dass die Gesellschaft schon digitale Knigge-Regeln hätte entwickeln können. Viele Fragen bleiben unbeantwortet: Ist es zum Beispiel in Ordnung, in einem Meeting kurz eine E-MailE-Mail zu beantworten? Wie verhält man sich richtig in einer Videokonferenz? Und wie sollte man E-Mails schreiben, ohne dem anderen auf den Schlips zu treten? Alles zu Mail auf CIO.de

Julia Leihener, Projektleiterin der Telekom und Verantwortliche für nutzerorientierte Forschung.
Julia Leihener, Projektleiterin der Telekom und Verantwortliche für nutzerorientierte Forschung.
Foto: Telekom

Diese Fragen hat sich auch ein Team der Telekom gestellt und dazu die Studie "eEtiquette@work - Empfehlungen für die Zusammenarbeit in der digitalen Welt" durchgeführt. Gemeinsam mit Wissenschaftlern, Powernutzern und der Deutschen Knigge Gesellschaft erarbeiteten sie neue "Benimmregeln" für die digitale Zusammenarbeit. "Das sind aber keinesfalls feste Regeln, die jeder einhalten muss", sagt Julia Leihener, Projektleiterin der Telekom und Verantwortliche im Bereich nutzerorientierte Forschung und Innovation. Sie betrachtet die Empfehlungen eher als Vorschläge dafür, wie man digital besser miteinander umgehen kann.

Das Thema brennt vielen auf den Nägeln: Auf der Website eetiquette.de diskutierten Nutzer fleißig darüber, wie man sich zum Beispiel auf Facebook verhalten und ob man sein Date googeln sollte. Mehr als 150 Empfehlungen sind dort nachzulesen, einige stellen wir in diesem Beitrag vor.

Smartphone weg, Projektarbeit!

Aus zähen Meetings ist vielen die Situation bekannt: Alle starren auf ihr Smartphone oder das Laptop, nur nicht auf den, der gerade seine Ergebnisse präsentiert. Das ist weder höflich, noch kommunikativ. Schuld daran ist nicht nur eine oft langweilige Präsentation (und falsche Meetingteilnehmer), sondern auch eine kaum noch zu bewältigende Arbeitslast. "Man muss mit den Email-Bergen klarkommen - und nutzt eben jede Minute dafür, sie abzubauen", sagt Leihener. Sie rät dazu, in Treffen und Präsentationen nicht auf Smartphone, Laptop und Co. zu blicken.

Leihener plädiert gegen die Wand aus Laptops im Meetingraum und bemüht eine Analogie, um Chefs davon zu überzeugen, dass nur der Präsentierende einen PC braucht. "Stellen Sie sich vor, alle würden nur noch in Autos mit getönten Scheiben sitzen. Das wäre doch furchtbar", sagt sie. Ein sinnvoller Austausch kann im Meeting nicht stattfinden, wenn alle versuchen, mit Multi-Tasking Emails zu beantworten und gleichzeitig der Präsentation zu folgen. Für das nächste Treffen: Laptops weg und zuhören. Das kann die Meetingzeit verkürzen, verhindert Nacharbeit und macht das Treffen an sich deutlich produktiver.

Smartphone-Pausen für Süchtige

Nicht nur das Laptop oder Tablet sind ein Problem während eines Meetings: Wie überzeugt ein Chef seine Mitarbeiter davon, ihr Handy in der Hosentasche zu lassen? Das kann mit einem einfachen Trick gelingen. "Man kann eine feste Smartphone-Pause im Meeting einplanen", schlägt Leihener vor. Sie selbst hat das in Treffen bereits ausprobiert und festgestellt, dass die Teilnehmer konzentrierter bei der Sache seien, wenn sie wüssten, dass sie bald genügend Zeit für das Beantworten von Emails hätten. "Die Smartphone-Pause hat die Raucherpause ersetzt", lacht sie.

Aber ein Internet-Verbot während eines Treffens möchte sie keinesfalls aussprechen. Komplett ohne Smartphone, Teablet und Co. ins Meeting zu kommen, ist ohnehin unrealistisch und unpraktisch. "Wer einen Termin ausmachen will, schaut oft auf seinen digitalen Kalender. Dafür braucht man sein Smartphone", sagt sie.

Es gibt keine Informationsflut

Dass Emails an sich ein Problem sein können, darüber jammern viele Wissensarbeiter. Doch wie dem Ganzen Herr werden? Echte Strategien gegen die E-Mail-Flut haben nur wenige Unternehmen. Doch auch dafür hat Leihener mit ihrem Team eine Gegenstrategie entwickelt. "Viele Menschen stellen zum Beispiel ihre Email-Programme nicht optimal auf die eigenen Bedürfnisse ein", sagt Leihener.

Der eine kann das Ping einer neuen E-Mail gut ignorieren und konzentriert weiter arbeiten, den anderen stört es aber kolossal. Insgesamt trägt die Standardeinstellung dazu bei, dass Emails die meisten Berufstätigen eher nerven. "Es gibt so viele Software-Einstellungen, die sinnvoll sind - nur nutzt sie kaum jemand", sagt Leihener. Regel Nummer 23 der eEtiquette lautet nicht von ungefähr: "Es gibt keine Informationsflut, nur schlechte Filter."

Zu den Filtern gehört auch der Ausknopf. "Man muss lernen, dass Smartphone ab oder auf Flugmodus zu schalten - sonst ist man Sklave des Mediums", sagt Julia Leihener. Die "Digitalen Öffnungszeiten" dürften nicht rund um die Uhr sein, rät sie. Ständig verfügbar zu sein, tut auf Dauer nicht gut. Nur sei es wichtig, diese Auszeiten den Teammitgliedern gut zu kommunizieren. Wer beispielsweise Ruhe braucht, um einen Text zu schreiben, sollte das deutlich machen. "Gut wären Räume, in denen man zum Beispiel keinen Empfang hat und in denen man sich ganz bewusst eine Auszeit setzen kann", schlägt Leihener vor.

Flexibilität ist nicht gleich Unzuverlässigkeit

Die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt erfordert ohnehin Auszeiten aller Art. Zwar bedeuten Home Office, Tele- und Teilzeitarbeit, dass viele Menschen von unterwegs oder zu ungewöhnlichen Zeiten arbeiten. Doch das heißt nicht, dass jeder jederzeit verfügbar ist. "Man muss sich schon an vereinbarte Zeiten halten und nicht willkürlich fünf Minuten vorher das Meeting absagen", sagt Leihener.

Flexibilität ist nicht mit Unzuverlässigkeit gleichzusetzen. Wer gut digital zusammenarbeiten will, sollte die Knigge-Regeln aus dem echten Leben nicht vergessen. Wenn es beim Face-To-Face-Meeting unhöflich ist, 20 Minuten zu spät zu kommen, warum sollte es beim virtuellen Meeting anders sein?

Virtuelle Konferenzen

Auch in Video- oder Conference-Calls kann man sich digital daneben benehmen. "Checke vorher deine Wanddekoration", lautet zum Beispiel Tipp Nummer 28 zu Videokonferenzen. Urlaubsbilder und zusammengeknüllte Wäsche will kein Kollege sehen. Ein gezielter Einsatz der Stumm-Funktion während einer Telko vermeidet weitere Peinlichkeiten: Wer von unterwegs an einer Konferenz teilnimmt, kann seine Mithörer mit Motorengeräuschen, Zugdurchsagen oder Essgeräuschen stören.

Höflichkeitsregeln gelten für die normale Zusammenarbeit wie für die virtuelle.
Höflichkeitsregeln gelten für die normale Zusammenarbeit wie für die virtuelle.
Foto: g-stockstudio - shutterstock.com

Welche Blüten die Flexibilität der Arbeitswelt treibt, beschreibt eine Studienteilnehmerin, die dank der Mute-Funktion während einer langen Telefonkonferenz duscht. Wer sich nicht lautlos stellen kann, weil er tatsächlich etwas wichtiges zu sagen hat, sollte dies auch den anderen Mitbewohnern in Haus, Wohnung oder WG sagen - sonst hört das gesamte Team, wie der DJ-Mitbewohner sein Set für den Abend mischt.

Dresscode auch im Home Office

Eine weitere wichtige Regel für das neue Arbeiten in der digitalen Welt: Leihener rät dazu, sich auch im Home Office ordentlich anzuziehen. Es muss ja nicht gleich der Anzug mit Krawatte sein, aber falls auf einmal ein Video-Chat ansteht, sollte man präsentabel sein. "Außerdem ist man einfach konzentrierter, wenn man sich richtig angezogen hat", sagt Leihener.

"Beim Home Office hat der Tag einfach weniger Struktur, deshalb ist es mir schon mal passiert, dass ich den ganzen Tag im Schlafanzug am Laptop gesessen habe. Man bekommt dann nicht so schnell die Kurve, auch andere Dinge zu erledigen", beschreibt ein Studienteilnehmer seinen Pyjama-Arbeitstag. Geduscht und angezogen erledigen sich die Dinge fast schon von allein.

Redet drüber!

Die neuen Möglichkeiten der Kommunikation erfordern übrigens genau das: Man sollte darüber reden, wie man miteinander kommunizieren möchte. Jeder arbeitet mit anderen Kommunikationsmitteln unterschiedlich gut. Der eine zieht Emails vor, der andere ein rasches Telefonat. "Am besten spricht man sich mit seinen Teamkollegen ab, wie man am liebsten kommuniziert", rät Leihener.

Persönliche Treffen sind wichtig.
Persönliche Treffen sind wichtig.
Foto: Yuri Arcurs - Fotolia.com

Wie ausgefeilt und weit gereift digitale Technik heute auch sein mag - persönliche Treffen ersetzen eine E-Mail oder ein Online-Chat nicht. "Virtuelle Teams sollten sich vor Arbeitsbeginn auf jeden Fall treffen - wer seinen Kollegen kennt, arbeitet produktiver", sagt Leihener. Und übrigens: "Die besten und kreativsten Ideen kommen oft in der Kaffeepause zustande oder wenn man sich zufällig begegnet", fügt Leihener hinzu. Das geht natürlich nur, wenn man auch im Büro anwesend ist.

Überhaupt werde oft die Menschlichkeit vergessen: Wer am Telefon lächelt, kann gleich bei seinem Gesprächspartner punkten. "Dein Gegenüber ist wichtiger als dein Tweet", lautet darum Regel Nummer 2 und Regel Nummer 9: "Am Ende der Leitung sitzt immer ein Mensch."

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