Projektmanagement


Umgang mit Ressourcen

3 klassische Fallen im Projektmanagement

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
"Jeder muss ständig beschäftigt sein" - dieses ungeschriebene Gesetz des Projektmanagements hinterfragt Uwe Techt. Mit cio.de spricht der Berater über drei klassische Fallen im Projektmanagement.
Uwe Techt
Uwe Techt
Foto: VISTEM, Uwe Techt

Uwe Techt von der Beraterfirma Vistem in Heppenheim plädiert für ein Umdenken in puncto Ressourcen. Seine These: Eine leichte Überversorgung führt zur optimalen Produktivität. Viele Entscheider glauben jedoch, jeder müsse ständig beschäftigt sein. Ressourcen kosten schließlich Geld und müssen auch dann bezahlt werden, wenn sie gerade nichts zu tun haben.

Realistisch betrachtet aber schwankt der Bedarf an Ressourcen. Das liegt schlicht daran, dass die Umsetzung von Projekten oft anders läuft als geplant. Abläufe verzögern sich, Mitarbeiter, die im einen Projekt gebraucht werden, stecken noch in einem anderen fest. "Mal werden viele Entwickler angefordert, mal wenige, mal sind die Entwickler überlastet, mal haben sie relativ wenig zu tun", beobachtet Techt. "Ein ausgeglichener Zustand ist aufgrund von Variabilität weder theoretisch möglich, noch kommt er in der Praxis vor."

Für Techt leiten sich daraus drei klassische Stolpersteine ab. Diese skizzieren sich wie folgt:

  • Dilemma 1: Mehr oder weniger Kapazität aufbauen. Projektmanager müssen einerseits so viele Ressourcen zur Verfügung haben, dass das Projekt nicht ins Stocken gerät. Bauen sie andererseits signifikante Überkapazitäten auf, müssen sie das vor dem Controlling oder der Geschäftsführung rechtfertigen. Techt kommentiert: "Sowohl die Vermeidung von Verschwendung als auch die gute Ausstattung von Projekten mit Ressourcen sind aber zwingende Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen erfolgreich ist."

  • Dilemma 2: Freie Kapazitäten zeigen - oder nicht. Oft wollen Projektmanager nicht offenlegen, dass sie freie Kapazitäten zur Verfügung haben. Sie befürchten, dass diese dann abgebaut werden. Damit schaden sie allerdings dem Unternehmen. Denn mit den freien Kapazitäten könnten mehr ProjekteProjekte umgesetzt werden, was Konsequenzen für die Wettbewerbsfähigkeit hat. Alles zu Projektmanagement auf CIO.de

  • Dilemma 3: Mehr zusagen, als der Bereich leisten kann - oder nicht. Ein gewisser Teil der Projekte verzögert sich immer oder muss sogar abgebrochen werden. Insofern wäre es effizient, mehr Arbeit zu übernehmen, als der eigene Bereich eigentlich leisten kann. Andererseits kann niemand vorhersehen, wie viele Projekte sich verzögern.

Über seine Analyse sprach Techt mit cio.de.

Herr Techt, Sie sprechen von einem "ständigen Kampf" um knapp gehaltene oder auch künstlich verknappte Ressourcen. Welche Folgen hat dieser Kampf?

Uwe Techt: Wo Zeit- und Kostendruck herrschen und Projekte um Ressourcen konkurrieren, müssen Prioritäten gesetzt werden. Die "benachteiligten" Projektmanager versuchen dann, die Bedeutung ihres Projektes und einen möglichen Schaden durch die Verspätung "hochzuargumentieren". Oder sie nutzen ihre Netzwerke. Oder sie üben Druck aus. Oder sie eskalieren das Problem an höhere Managementebenen.

Ihr Fazit zum Dilemma Nr. 1 lautet, dass ein Unternehmen wegen der vielen Unwägbarkeiten weder Ressourcenknappheit noch Ressourcenverschwendung abwenden kann. Gibt es für dieses Dilemma ein Bewusstsein? Und zwar nicht nur ein Bewusstsein auf Ebene der Belegschaft, sondern auch der Unternehmensleitung?

Uwe Techt: Die Mitarbeiter haben immer den Eindruck "Wir sind viel zu wenige". Auch der Geschäftsführung ist dieses Dilemma häufig bewusst. Man will neue Systeme oder neue Funktionen so schnell bereitstellen können, dass man eigentlich zehnmal so viele Mitarbeiter haben müsste. Aber der Kostenkontrollaspekt wird häufig stärker gewichtet als der Umsatzerzeugungsaspekt. Etwas Anderes scheint vielen Geschäftsführern nicht bewusst zu sein: Wenn sie ständig mehr von ihren Mitarbeitern fordern, als diese leisten können, geraten diese in unproduktive Arbeitsweisen. Dann leisten sie noch weniger.

Was kennzeichnet unproduktive Arbeitsweisen?

Uwe Techt: Wer vieles gleichzeitig erledigt und oft unterbrochen wird, verliert die Konzentrationsfähigkeit. Multitasking kann bis zu 50 Prozent der Produktivität kosten.

Wie holt ein Chef seine Mitarbeiter da raus?

Uwe Techt: Indem er bessere Arbeitsbedingungen schafft. Er kann zum Beispiel eindeutige Prioritäten setzen. Diese müssen wenigstens so lange gelten, bis die Aufgabe, die ein Mitarbeiter aufgrund der Prioritätensetzung begonnen hat, abgeschlossen ist.

"Je früher ein Projekt fertig ist, umso größer sein Nutzen"

Was kann, was soll ein Projektmanager tun, wenn er feststellt, dass er im Moment zu viele Ressourcen hat - aber davon ausgeht, diese in wenigen Wochen wieder zu brauchen?

Uwe Techt: Man muss sehen: Je früher ein Projekt fertig ist, umso größer sein Nutzen. Ein Produkt kommt früher auf den Markt. Kosten werden früher eingespart. Das heißt: im idealen Unternehmen wartet nicht die Arbeit auf Ressourcen, sondern Ressourcen auf die Arbeit. Eine leichte Überversorgung mit Ressourcen ist wünschenswert. Eine gewisse Überkapazität steigert die Produktivität. Das belegen verschiedene Studien. Um diese Überkapazität zu schaffen, muss ein Unternehmen aber in der Regel keine neuen Mitarbeiter einstellen. Es muss nur die zuvor durch das Management induzierten unproduktiven Arbeitsweisen verändern.

Beobachten Sie, dass die beschriebenen Dilemmata bei IT-Projekten stärker oder weniger stark auftreten?

Uwe Techt: IT-ler müssen eine ganze Vielfalt von Projekten managen. Dafür gibt es ja die sehr gelobten Agilen Methoden ...

… von denen Sie nichts halten?

Uwe Techt: Das würde ich so nicht sagen. Aber ich drücke es mal überspitzt aus: Man bildet dezidierte Projekt-Teams. Diese reden nicht mehr mit ihrer Umgebung und stehen Anderen im Unternehmen nicht mehr zur Verfügung. Das mag gut sein für dieses Projekt - aber schlecht für das Unternehmen.

Optimieren von Geschäftsprozessen heißt in vielen Unternehmen ja auch, dass einst getrennte Fachbereiche stärker miteinander kommunizieren müssen, beispielsweise beim Customer Relationship-Management die IT mit dem Marketing. Wie verändert das die Projektkultur in einem Unternehmen?

Uwe Techt: Marketing-Chefs bauen schnell Druck auf. Sie wollen möglichst schnell möglichst viele Systeme haben. Allerdings verstehen Manager auch, dass die IT nur eines nach dem anderen erledigen kann.

Wenn Sie ab jetzt fünf Jahre voraus denken - worüber werden wir dann reden? Wird sich die Situation gebessert haben oder sogar verschlechtert?

Uwe Techt: Ich sehe schon eine Lernfähigkeit. Immer mehr Unternehmen verstehen, dass man ausreichend Mitarbeiter braucht, Prioritäten setzen und Eines nach dem anderen erledigen soll. Im Grunde ist das ja auch nur gesunder Menschenverstand.

Uwe Techt ist Coach und Autor des Buches "Projects, that flow". Er ist Geschäftsführer der Firma Vistem aus Heppenheim.

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