Change-Management für Profis

Wie Chefs mit Widerstand richtig umgehen

Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist u.a. Autor des "Change Management Handbuch" und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-Provence und der Technischen Universität Clausthal.
Bei Veränderungen im Unternehmen stoßen Führungskräfte auf Widerstand. Wer Widerstand nur als Problem sieht, sitzt in einer gefährlichen Denkfalle, warnt Changemanagement-Experte Georg Kraus.
Change-Verantwortliche dürfen Widerstand nicht nur als ein Problem sehen.
Change-Verantwortliche dürfen Widerstand nicht nur als ein Problem sehen.
Foto: red mango - shutterstock.com

Das Management eines Unternehmens beschließt eine neue Strategie oder Reorganisation und sofort stellen sich Gegenreaktionen von Seiten der Mitarbeiter ein. Mit diesem Widerstand muss gearbeitet werden, sonst scheitert das Vorhaben. Also werden Pläne geschmiedet, wie Verständnis für das Vorhaben des Managements erzeugt und die Belegschaft als Mitstreiter gewonnen werden kann.

Leider wird oft nicht geklärt, woran sich der Widerstand entzündet. Wer nicht versteht, weshalb Menschen opponieren, kann diese zwar ruhig stellen, aber nicht gewinnen. Bei der nächstbesten Gelegenheit flammt ihr Widerstand wieder auf.

Auflehnung gegen die Führung

Widerstand hat stets einen Auslöser – nämlich die fehlende oder (geplante oder) bereits vollzogene Veränderung. Widerstand kann sich also regen, weil sich nichts verändert, und weil sich etwas verändert. Das heißt: Der Widerstand kann sowohl veränderungsauslösende, als auch bewahrende Kräfte haben. In jedem Fall ist er jedoch ein Auflehnen gegen die FührungFührung. Alles zu Führung auf CIO.de

In beiden Fällen ist das gedankliche Grundmuster des Widerstands das Gleiche: Wir sind die "Guten", die das Bestehende bewahren beziehungsweise verändern. Und die anderen? Sie sind die "Schlechten" oder "Bösen" – die nur an die Aktionärsinteressen oder ihre eigenen Interessen denken. Oder nicht erkennen, was technisch möglich oder nötig ist.

Dieser Mind-Set ist das Fundament für die aus dem Widerstand geborenen Konflikte. Wer ideologisch felsenfest davon überzeugt ist, der "Gute" zu sein, dem fällt es leicht, im Namen des "Guten" entweder selbst unmoralische Dinge zu tun oder der anderen Seite ein entsprechendes Verhalten zu unterstellen. Deshalb werden in der Auseinandersetzung um Veränderungsprojekte auch so häufig solch moralisierende Begriffe wie ungerecht, unfair, unredlich, unzulässig, unanständig, unsachlich, parteiisch und unangemessen verwendet. Sie sind unmissverständliche Anzeichen dafür, dass in einer Organisation ein (Interessen-)Konflikt tobt.

Vier Phasen des Widerstands

Es gibt viele Modelle zum Erklären des Verlaufs von Changeprozessen. Auf den Nenner gebracht unterscheiden sie in ihnen vier Phasen, die mit ebenso vielen Grundhaltungen korrespondieren.

1. Leugnung: Verdrängung ist ein beliebtes Mittel, sich nicht mit einer (angedachten oder geplanten) Veränderung auseinandersetzen zu müssen. Das heißt: Die Menschen wollen die Veränderung nicht wahrhaben. Sie tun so, als ob gäbe es diese nicht. Eine neue Arbeitsweise wird eingeführt, doch niemand arbeitet danach – jedoch nicht aus aktivem Protest, sondern aus einem unbewussten Prozess des Nicht-Ernstnehmens der Veränderung.

2. Aggression: Konflikte treten zutage, Emotionen kochen hoch. Sachargumente werden nicht gehört. Es regieren Enttäuschung und Wut. Ein Sündenbock muss her, an dem man seine Aggression auslassen kann. In dieser Phase sind konstruktive Dialoge selten möglich.

3. Resignation: Die Wut ist verpufft, das Trauern beginnt. Das heißt, die Betroffenen lassen sich allmählich auf die Veränderung ein. Nun gilt es als Führungskraft, Verständnis zu zeigen. Ohne Abschiednehmen, gibt es keinen richtigen Neuanfang.

4. Akzeptanz und Start: Nun erst sind ein echter Dialog und eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Fakten möglich. Leider versuchen die Verantwortlichen bei Changeprojekten oft, schon in der Phase der Wut oder Trauer die Betroffenen mit sachlogischen Argumenten zu überzeugen und verstehen nicht, warum sie kein Gehör finden.

Dienst nach Vorschrift als gefährlichster Widerstand

Nicht jeder Widerstand mündet in einen heißen Konflikt. Viel schlimmer sind die kalten Konflikte – also die passiven Formen des Widerstands. "Dienst nach Vorschrift" ist so eine Form des Widerstands, bei dem man den Mitarbeitern zwar wenig vorwerfen kann, sie aber kein Engagement zeigen: Die Extra-Meile wird nicht mehr gegangen. Diese Art des Widerstands wird häufig nicht erkannt. Die Verantwortlichen wundern sich sogar, wie wenig Widerspruch die Veränderung auslöst. Sie bekommen aber kein echtes, ehrliches Feedback und wiegen sich in falscher Sicherheit. In dieser Logik ist auch Sabotage ein typisches Verhaltensmuster.

Unter Changemanagement-Experten kursiert das Bonbon: "Change Management ist wie das Projekt 'Herstellen von Rührei mit Speck'. Hierfür benötigt man ein Huhn und ein Schwein. Das Huhn ist am Projekt beteiligt, das Schwein ist betroffen."

Viele Veränderungen werden von "Hühnern" getrieben – also Menschen, die in dem Projekt nicht wirklich etwas verlieren. Mit den "Schweinen", also den echten Verlierern, wird die Auseinandersetzung über die Verluste jedoch nicht ausreichend geführt. Sie werden weder klar benannt, noch kommen sie auf den Tisch sind und werden diskutiert. Folglich werden auch die (Interessen-)Konflikte nicht gelöst.

Drei Verlierertypen in Change-Projekten

Bei den Betroffenen gilt es drei Kategorien zu unterscheiden.

Echte Verlierer: Menschen, die große Nachteile haben werden, und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.

Privileg-Verlierer: Die meist viel größere Gruppe. Hierbei handelt es sich um Menschen, die gewisse Privilegien haben, und Gefahr laufen, diese zu verlieren. Diese Gruppe argumentiert selten mit den wahren Gründen, warum sie gegen die Veränderung ist, stattdessen eröffnet sie Nebenkriegsschauplätze.

Schein-Verlierer: Bei ihnen überwiegen die aus Unsicherheit resultierenden Ängste vor der Veränderung. Ihr Widerstand resultiert eher aus der Gefahr, eventuell die aktuelle Komfort-Zone verlassen zu müssen. Das Bestehende kennt man, das Neue nicht. Gerne übertreiben Schein-Verlierer die Risiken und Gefahren, um den Statusquo nicht verlassen zu müssen.

Egal, wie man es dreht, aus einer Denkfalle müssen Change-Verantwortliche entkommen: der Falle, den Widerstand nur als ein Problem zu sehen. Widerstand ist eine Voraussetzung für Veränderung. Statt ihn zu bekämpfen, sollten sie ihn umarmen. Gute Widerstandsmanager sind gute Change-Manager!

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