R.I.P.

12 Tech-Pioniere, die 2022 gestorben sind

11.01.2023 von Ken Gagne
Diese IT-Pioniere sind 2022 von uns gegangen.
Zu Beginn des neuen Jahres ehren wir 12 bedeutende Tech-Pioniere, die uns im Jahr 2022 verlassen haben.
Foto: LesdaMore - shutterstock.com

Lorinda Cherry

Lorinda Cherry begann ihre Tech-Karriere im Jahr 1966 bei Bell Labs als technische Assistentin - eine zu dieser Zeit typische Rolle für Frauen. Nachdem sie mit Ken Knowlton die Computeranimationssprache BEFLIX entwickelt hatte, wechselte Cherry 1969 ins Developer-Lager und entwickelte diverse UNIX-Programme. Darunter beispielsweise die Präzisionsrechner dc und bc, die noch heute im Einsatz sind (füttern Sie die macOS-Kommandozeile mit "man dc" und "man bc" um mehr zu erfahren).

Gemeinsam mit Brian Kernighan arbeitete Lorinda Cherry zudem an eqn - einem Typesetting-Propgramm für mathematische Gleichungen, das später das Design von TeX beeinflusste. Zudem entwickelte die Tech-Pionierin Rechtschreibprüfungs-Algorithmen, die die Grundlage für eines der ersten Programme dieser Art - typo - bildete. Darüber hinaus steuerte die Programmiererin viele weitere Beiträge zur Softwaresuite "Writer's Workbench" bei - die sie im Jahr 1981 in der NBC Today Show vorstellte. Für ihre Verdienste wurde Lorinda Cherry 2018 vom National Center for Women & Information Technology geehrt. Sie starb am 1. Februar 2022 im Alter von 77 Jahren.

Doug McIlroy, ehemaliger Mitarbeiter bei Bell Labs, schrieb in seinem Nachruf für Cherry: "Lorinda war nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt wie die meisten ihrer Kollegen. Sie war immer entschlossen, aber nie aufdringlich. Diese Entschlossenheit zeigt sich in ihrem Erfolg bei der Textanalyse, die unglaubliche Ausdauer erfordert - in diesem Bereich gibt es keine theoretischen Abkürzungen."

Mary Coombs

Die Eiscreme-Verkaufsabteilung der britischen Restaurantkette J. Lyons and Co. war nicht der Ort, an dem Mary Coombs 1952 ihre Karriere zu beginnen hoffte. Im Nachhinein erwies es sich als Glückgriff für scharfsinnige Mathematikerin, denn das Unternehmen war eines der ersten, das Computer für kommerzielle Geschäftsanwendungen einsetzte. Coombs bewarb sich darum, am Lyons Electronic Office (LEO) mit zu arbeiten und wurde so zur ersten weiblichen Programmiererin. Wenig später übernahm LEO die Gehaltsabrechnungen für die damals rund 10.000 Mitarbeiter des Unternehmens. Mary Coombs arbeitete als (Chef-)Programmiererin auch an den folgenden Weiterentwicklungen von LEO mit.

"Die Menschen, die an LEO gearbeitet haben, haben etwas Bemerkenswertes geleistet: Sie haben erkannt, wie Computer Unternehmen unterstützen können und damit die Grundlage für all die Dinge gelegt, die wir heute als völlig selbstverständlich ansehen", meint Georgina Ferry, Autorin von "A Computer Called Leo".

Coombs starb am 28. Februar 2022 im Alter von 93 Jahren.

Sargur Srihari

Sargur "Hari" Srihari trat 1978 in den Lehrkörper der School of Engineering and Applied Sciences an der State University of New York in Buffalo ein. Nach jahrzehntelanger Lehrtätigkeit - unter anderem im Bereich Machine Learning - wurde Srihari 1991 zum Gründungsdirektor des Center of Excellence for Document Analysis and Recognition (CEDAR) ernannt. Das stellte eine Kooperation der University von Buffalo und dem United States Postal Service dar. Das Ziel: Software zu entwickeln, um die Postsortierung zu automatisieren. Die von Srihari bei CEDAR entwickelten Heuristiken und Algorithmen wurden im Jahr 1997 erfolgreich implementiert. Heute ist seine Entwicklung dafür verantwortlich, dass 95 Prozent der USPS-Post automatisch sortiert wird. Sriharis Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Handschriftenanalyse beeinflusste darüber hinaus auch das Strafrecht.

Für seine Errungenschaften im Bereich der Automatisierung wurde Srihari 2011 von der International Association for Pattern Recognition mit dem Outstanding Achievements Award ausgezeichnet. Bereits im Jahr 1997 wurde ihm der Titel eines SUNY Distinguished Professor an der University von Buffalo verliehen. Srihari starb am 8. März 2022 im Alter von 72 Jahren an den Folgen eines Gehirntumors.

"Er ging in seiner Rolle als Forscher, Professor und Wissenschaftler auf und wird sehr vermisst", schreibt Kemper Lewis, Dekan der School of Engineering and Applied Sciences, über Srihari.

Steve Wilhite

Alexander Trevor, der Erfinder der CompuServe-Chaträume, suchte ein Grafikformat, das auf den Bedarf des Onlinedienstes zugeschnitten war. Mit der Umsetzung betraute er seinen Kollegen, den Entwickler Steve Wilhite. Im Jahr 1987 stellte dieser das Ergebnis vor: das Graphics Interchange Format (GIF). Seitdem ist das Web nicht mehr dasselbe - inzwischen sind animierte GIFs im Netz quasi allgegenwärtig.

Wilhite arbeitete darüber hinaus auch am CompuServe-eigenen Dateiübertragungsprotokoll B sowie dem Host Micro Interface. Das Graphics Interchange Format bleibt jedoch seine größte Errungenschaft. Diese wurde im Jahr 2013 mit einem Webby Lifetime Achievement Award -ausgezeichnet. Wilhite nutzte diese Gelegenheit, um nochmals zu bekräftigen, dass GIF "JIF" ausgesprochen wird.

Der Vater des GIFs starb am 14. März 2022 im Alter von 74 Jahren an den Folgen einer COVID-Infektion.

John V. Roach

John V. Roach stieß im Jahr 1967 als Data Processing Manager zur Tandy Corporation. Innerhalb nur eines Jahrzehnts stieg er dort zum Vice President der Abteilung Computer Services auf - gerade rechtzeitig, um den Einstieg des Unternehmens in den Markt für Personal Computer zu leiten. Roach konnte das Potenzial von Heimcomputern früh erkennen und war entsprechend fasziniert von der Idee, einen Mikrocomputer zu entwickeln.

1977 brachte Tandy den TRS-80 für nur 600 Dollar auf den Markt - was weniger als die Hälfte des Preises des konkurrierenden Apple II (1.298 Dollar) war. Tandy rechnete mit einem Absatz von 3.000 Computern pro Jahr - und setzte dann alleine im ersten Jahr 55.000 Exemplare ab.

Der TRS-80 war allerdings nur einer von diversen Meilensteinen von Roachs langer Karriere bei Tandy: Er war ab 1978 Executive Vice President, ab 1980 COO und von 1983 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1999 außerdem Chairman und CEO des Unternehmens. Seine Errungenschaften brachten ihm im Jahr 1982 die Auszeichnung "Chief Executive of the Decade" in Speciality Retailing ein. Roach verstarb am 20. März 2022 im Alter von 83 Jahren.

Tadao Takahashi

Eduardo Tadao Takahashi verschrieb sich der Mission, das Internet in seinem Heimatland Brasilien der breiten Masse der Bevölkerung zugänglich zu machen. Dazu gründete er im Jahr 1989 das National Research Network: Die Organisation arbeitete mit brasilianischen Forschungseinrichtungen und Hochschulen zusammen, um das landeseigene Internet-Backbone aufzubauen.

Darüber hinaus gründete Takahashi das National Program for the Information Society, um die Internetnutzung im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie der Verwaltung zu fördern und auszubauen. In diesem Rahmen verhandelte Takahashi sogar mit Drogenbaronen, um auch den Zugang der ärmsten Bevölkerungsschichten sicherzustellen.

Im Jahr 2017 war Takahashi der zweite Brasilianer, der in die Internet Hall of Fame aufgenommen wurde. Er erlag am 6. April 2022 im Alter von 71 Jahren einem Herzinfarkt.

David Walden

David Walden war kein besonders guter Student, erlag jedoch schnell der Faszinationskraft von Computern. Insbesondere der IBM 1620 begeisterte ihn. So sehr, dass er nach seinem Abschluss am MIT Lincoln Laboratory anheuerte.

Bald darauf wechselte Walden zum R&D-Unternehmen Bolt, Beranek and Newman (BBN). Dort wurde Walden (als Teil eines siebenköpfigen Teams) damit betraut, eine Paketvermittlungs-Technologie für das ARPANET zu entwickeln. Das Ergebnis waren die ersten Internet Message Processors oder IMPs - Vorläufer heutiger Router. IMPs machten das verteilte Netzwerkmodell des Internets erst möglich.

Mit Ausnahme eines einjährigen Zwischenspiels bei Norsk Data in Oslo blieb Walden von 1967 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1995 bei BBN. Er starb am 27. April 2022 im Alter von 79 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.

Ken Knowlton

Ken Knowlton entwickelte im Jahr 1963 bei Bell Labs mit BEFLIX die erste Computer-Animationssprache und legte damit den Grundstein für Computer Generated Imagery (CGI) - eine Technik, die durch den Animationsfilm "Toy Story" (1995) populär wurde und im heutigen Film- und TV-Geschäft allgegenwärtig ist.

Darüber hinaus wurde Knowlton auch für das erste computergenerierte "Nacktbild" bekannt, das er zusammen mit Leon Harmon bei Bell Labs kreierte. Dabei handelte es sich um ein "Computermosaik", das auf einem Aktfoto basierte. Das Kunstwerk namens "Computer Nude (Studies in Perception I)" stieß bei seinem Arbeitgeber auf wenig Gegenliebe, beim New Yorker Künstler Robert Rauschenberg dafür umso mehr. Er integrierte das Bild 1967 in sein Ausstellungsprojekt "Experiments in Art and Technology" (PDF). Die New York Times berichtete damals und ging so zum ersten Mal in ihrer Geschichte mit einem Nacktfoto in den Druck. Ein Jahr später war "Computer Nude" fester Bestandteil des berühmten Museum of Modern Art geworden.

Im Jahr 2016 gab Knowlton ein halbstündiges Interview, in dem er über seine außergewöhnliche Karriere berichtete:

Knowlton starb am 16. Juni 2022 im Alter von 91 Jahren.

B.K. Syngal

Nachdem er in Zelten geschlafen hatte, um für Philips Koaxialkabel in Dschungeln und Wüsten zu verlegen, kehrte Brijendra Kumar (B. K.) Syngal in sein Heimatland Indien zurück. Er wurde schließlich Vorsitzender des Kommunikationsidenstleisters Videsh Sanchar Nigam Ltd. (VSNL). Diese Position nutzt er, um Indien in Sachen Internet früh richtig zu positionieren. Nach Japan war Indien das zweite asiatische Land, das sich in den frühen 1990er Jahren am Internet beteiligte. Das machte Syngal zum "Vater des indischen Internets" - und beschleunigte die Entwicklung der Softwareindustrie des Landes.

Zu den zahlreichen Auszeichnungen, die Syngal erhielt, gehören der "Telecom Man of the Decade" Award der Wisitex Foundation und die Ernennung zu einem der "50 Stars of Asia" im Magazin Business Week im Jahr 1998. Im Jahr 2020 veröffentlichte Syngal seine Memoiren, "Telecom Man: Leading From the Front in India's Digital Revolution". Er starb am 9. Juli 2022 im Alter von 82 Jahren.

Peter Eckersley

Peter Eckersley nutzte seinen Doktortitel in Informatik und Recht für einen guten Zweck: Seine kurze Karriere hatte nachhaltigen Einfluss auf Online-Sicherheit, Datenschutz, Netzneutralität und Künstliche Intelligenz.

Von 2006 bis 2018 arbeitete Eckersley bei der Electronic Frontier Foundation in verschiedenen Funktionen, unter anderem als leitender Computerwissenschaftler. Er war maßgeblich an der Zusammenarbeit mit Mozilla und der University of Michigan beteiligt, um Let's Encrypt zu gründen, eine gemeinnützige Organisation, die kostenlose SSL-Zertifikate anbietet. Zuvor mussten Online-Publisher für die Verschlüsselung ihres Webverkehrs einen Aufpreis zahlen - ein finanzieller und technischer Aufwand, der kleine, unabhängige oder gemeinnützige Websites benachteiligen konnte. Inzwischen sind mehr als 300 Millionen Websites durch die Zertifikate von Let's Encrypt gesichert.

Eckersley verließ die EFF im Jahr 2018, um das AI Objectives Institute zu gründen, eine Organisation, die sicherstellen möchte, dass KI-gestützte Systeme auf das Gemeinwohl einzahlen. Eckersley starb am 2. September 2022 im Alter von nur 43 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.

Kathleen Booth

1946 arbeitete Kathleen Britten als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der British Rubber Producers' Research Association, wo ihr zukünftiger Ehemann Andrew Booth eine Möglichkeit suchte, die Berechnungen für seine kristallografischen Forschungen zu automatisieren. Die beiden begannen mit der Entwicklung des Automatic Relay Computer, kurz ARC. Wie seine Zeitgenossen (beispielsweise der ENIAC) verwendete der Rechner Relais und Vakuumröhren, die Programme wurden über Schalter und andere Hardware eingegeben.

Nach einem Besuch bei John von Neumann an der Princeton University in New Jersey 1947 begannen Britten und Booth mit der Entwicklung des Nachfolgers des ARC. Um Programme für den ARC2 zu schreiben, entwickelte Britten schließlich die erste Assemblersprache, die so genannte "Contracted Notation". Britten schrieb auch die Software für das nächste Gerät des Duos, den Simple Electronic Computer, ihren ersten rein digitalen Computer, dem bald darauf der APE(X)C folgte. Das Paar heiratete im Jahr 1950.

Aufgrund dieser Entwicklungen und zahlreicher Veröffentlichungen zu diesem Thema gründeten die Booths am Birkbeck College das Department of Numerical Automation, das heutige Department of Computer Science and Information Systems. Nachdem sie Birkbeck in den frühen 1960er Jahren verlassen hatte, war Booth bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1978 Professorin an der University of Saskatchewan und anschließend an der Lakehead University, beide in Kanada. Sie starb am 29. September 2022 im Alter von 100 Jahren.

Frederick P. Brooks Jr.

Es gab eine Zeit, da waren selbst Großrechnermodelle desselben Herstellers nicht miteinander kompatibel: Software musste für jedes Hardwaremodell - und jede Generation dieses Modells - neu geschrieben werden. Dann kam Frederick Brooks Jr. im Jahr 1956 zu IBM. Brooks schlug ein gemeinsames Mainframe-Design vor - was ein Wagnis darstellte: Sollte die Initiative scheitern, würde IBM hinter seine Mainframe-Konkurrenten zurückfallen.

Doch die daraus resultierende IBM System/360-Computerfamilie und das 1964 angekündigte OS/360-Softwarepaket wurden ein Riesenerfolg und sicherten IBM über Jahrzehnte Einfluss auf die Branche.

Als der Erfolg der 360-Familie gesichert war, verließ Brooks IBM und gründete die Informatikabteilung der University of North Carolina in Chapel Hill, der er 20 Jahre lang vorstand. Im Jahr 2015 zog sich Brooks aus dem Lehrbetrieb zurück. Er starb am 17. November 2022 im Alter von 91 Jahren. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.