TOGAF-Methodik

4 kritische Phasen der neuen IT-Architektur

24.09.2015 von Peter Ratzer, Thorsten Krieger und Jens Schmitt
E-Commerce ist nicht nur ein Vertriebskanal, sondern eine digitale Plattform zur Kundenansprache. Für die neue IT-Architektur bietet sich TOGAF als gute Methode an.
  • "The Open Group Architecture Framework" (TOGAF) zielt auf Entwurf, Planung sowie Implementierung und Wartung von IT-Architekturen ab.
  • TOGAF stellt Templates und Referenzarchitekturen bereit.
  • Erfahrungsgemäß betreffen mehr als 70 Prozent der Änderungen Backend Systeme (ERP, CRM und PIM).
  • Eine enge Integration der Backend Systeme mit der E-Commerce-Lösung ist Kernbestandteil einer robusten E-Commerce-Architektur.

In den letzten Jahren war E-Commerce geprägt von Begriffen wie Multichannel, Omnichannel oder Channel-Agnostic. Dies reflektierte den Fokus auf die Kundenansprache über alle Kanäle (online und offline). Aktuell sorgt die zunehmende Globalisierung dafür, dass nicht nur die Nachfrage nach internationalen Lieferungen steigt, sondern E-Commerce-Lösungen ebenfalls entsprechende Währungen, Bezahldienste, Sprachen und sonstige länderspezifische Anforderungen bieten müssen.

Somit stellt E-Commerce in Zukunft nicht nur einen weiteren Vertriebskanal dar, sondern bietet eine digitale Plattform zur weltweiten und zentralen Kundenansprache. Um diese neuen Anforderungen in eine umsetzbare IT-Unternehmensarchitektur zu überführen, ist eine passende Methodik notwendig.

E-Commerce vor dem Hintergrund der Globalisierung fordert den IT-Architekturen der Anbieter zunehmend neue Fähigkeiten ab.
Foto: Natalia Merzlyakova - Fotolia.com

"The Open Group Architecture Framework" (TOGAF) zielt schwerpunktmäßig auf den Entwurf, die Planung, Implementierung und Wartung von IT-Architekturen ab (siehe "Keine Methode deckt alles ab". In der Praxis hat sich dieser Ansatz bereits erfolgreich und umfassend im Architekturmanagement bewährt. Darüber hinaus lässt er sich sehr gut an die Anforderungen einer E-Commerce-Architektur anpassen - Folgende vier Phasen sind jedoch erfolgskritisch:

1. Vision: Identifikation der primären Stakeholder und Festlegung der E-Commerce-Vision

Hierzu werden alle Stakeholder bereichs- sowie funktionsübergreifend identifiziert, die signifikant die E-Commerce-Vision beeinflussen. Denn aktuelle Themen wie Internet of Things (IoT), eine Vertriebsdigitalisierung oder auch Pioniere wie Amazon, B2B und B2C verändern E-Commerce maßgeblich. Sind die primären Stakeholder ermittelt, kann eine gemeinsame Vision als E-Commerce-Zielsetzung definiert werden - diese muss von allen Stakeholdern gleichermaßen getragen werden.

2. Business-Architektur: Identifikation der Stakeholder-Anforderungen

Sobald die E-Commerce-Vision definiert ist, müssen konkrete Anforderungen ermittelt werden. Hierfür eignet sich eine Business Capability Map, welche auf bis zu drei Detailebenen die Anforderungen an eine E-Commerce-Lösung beschreibt. Basierend auf dieser wird mit den Stakeholdern der Ist- sowie der Zielzustand dokumentiert. Anschließend unterstützt eine Fit-Gap-Analyse dabei, den notwendigen Handlungsbedarf bei der bestehenden E-Commerce-Lösung zu identifizieren und zu adressieren.

Unsere Erfahrungen zeigen, dass hier die Grenzen zwischen B2B- und B2C-E-Commerce immer mehr verschwinden. Geschäftskunden erwarten beruflich dieselbe "Convenience", die sie im privaten E-Commerce-Umfeld erleben. Personalisierung ist dabei der treibende Faktor, der nur durch eine konsistente Datenbasis und ausreichende Analytics-Fähigkeiten ermöglicht werden kann.

Für Unternehmen ist es daher entscheidend, die Datenqualität von Produktdaten/-informationen zu verbessern und zu vervollständigen. Hierbei spielt ein Product Information Management System (PIM) eine zentrale Rolle.

Für eine Zielerreichung sind neben der IT meist auch organisatorische Änderungen zu vollziehen. Eine PIM-Governance hilft, einen geeigneten Rahmen zu schaffen, indem sie beispielsweise Datenpflegeprozesse/ -standards definiert.

Mit Daten Werte schaffen
Deutsche Unternehmen tun sich schwer mit Datenstrategien
Die Analyse von Daten wird für viele Unternehmen immer wichtiger, hat eine Studie von KPMG und Bitkom Research ergeben. Allerdings fällt es den Verantwortlichen nicht gerade leicht, die richtige Technik und Strategien zu finden. Immer noch bestimmen einfache Werkzeuge wie Excel das Bild.
Relevante Entscheidungen werden zunehmend mit Datenanalysengetroffen
Inwieweit treffen die folgenden Aussagen für Ihr Unternehmen zu?
Alle befragten Unternehmen analysieren Unternehmensdaten
Welche der folgenden Arten von Daten werden in Ihrem Unternehmen für Entscheidungsprozesse digital gesammelt und IT-gestützt analysiert?
Erhebliche Unterschiede nach Branchen
Welche der folgenden Arten von Daten werden in Ihrem Unternehmen für Entscheidungsprozesse digital gesammelt und IT-gestützt analysiert?
Aufbau und Datenspeicherung werden am häufigsten ausgelagert
Wie managt Ihr Unternehmen derzeit folgende Aspekte im Zusammenhang mit Daten und Datenanalysen?
Aktuell sind hautsächlich deskriptive Analysen im Einsatz
Welche der folgenden Arten der Datenanalyse nutzt Ihr Unternehmen derzeit bzw. plant oder diskutiert dies?
Je fortgeschrittener die Datenanalyse, desto weniger verbreitet
Inwieweit nutzt Ihr Unternehmen bereits Datenanalysen bzw. plant/diskutiert ihren Einsatz?
Je fortgeschrittener die Datenanalyse, desto höher die Zufriedenheit
Wie zufrieden sind Sie mit den Erkenntnissen aus den eingesetzten Datenanalysen?
Datenschutz, unzureichendes Budget und Personal sind wichtige Hürden
Kommen wir nun zu möglichen Argumenten, die gegen eine (intensivere) Nutzung von Datenanalysen sprechen. Inwieweit treffen die folgenden Aussagen für Ihr Unternehmen zu?
Mehr als die Hälfte der Großkonzerne hat bereits eine Big Data-Strategie
Hat Ihr Unternehmen bereits eine Strategie für die Umsetzung konkreter Big Data-Maßnahmen erarbeitet?
Big Data-Strategie bisher nur in wenigen Branchen stärker verbreitet
Hat Ihr Unternehmen bereits eine Strategie für die Umsetzung konkreter Big Data-Maßnahmen erarbeitet?
Stellenwert von Big Data wird an Bedeutung gewinnen
Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Stellenwert von Big Data in Ihrem Unternehmen in den kommenden drei Jahren verändern?

3. IT-Architektur: Auswirkungen auf die IT-Unternehmensarchitektur

Um die vorherigen Anforderungen in eine geeignete IT-Architektur zu überführen, werden diese den notwendigen Applikationen, Daten und Technologien zugewiesen. Hierfür stellt TOGAF Templates und Referenzarchitekturen bereit. Eine Fit-Gap-Analyse zwischen den ermittelten Anforderungen und der aktuell vorhandenen IT-Architektur identifiziert den Handlungsbedarf bei Applikationen sowie Technologien der zukünftigen E-Commerce-Architektur. Dabei werden zentrale Fragestellungen geklärt:

Im E-Commerce-Umfeld haben wir vermehrt die Preisfindung, das Kampagnenmanagement und die Verfügbarkeitsprüfung als Performanceengpass identifiziert: Die Erfahrung zeigt, dass mehr als 70 Prozent der Änderungen Backend Systeme (ERP, CRM und PIM) betreffen. Eine enge Integration der Backend Systeme mit der E-Commerce-Lösung ist Kernbestandteil einer robusten E-Commerce-Architektur.

Der früher oft verwendete Ansatz einer "best-of-breed"-Architektur rückt immer mehr in den Hintergrund: Denn dazu muss für jede Applikation der bestmöglichste Anbieter ausgewählt werden - ein erheblicher Integrationsaufwand. Dieser wird meist nicht ausreichend berücksichtigt und kann sich später als entscheidender Engpass erweisen.

Das müssen B2B-E-Commerce-Plattformen leisten
Neun Herausforderungen für B2B-E-Commerce-Plattformen
Hersteller, Zulieferer und Großhändler im B2B haben die Potenziale des E-Commerce für die Steigerung ihrer Vertriebsergebnisse erkannt. Als integraler Bestandteil der Softwarelandschaft eines Unternehmens bildet er die perfekte Plattform, um Multi- und Omnichannel-Strategien zu steuern. In Kooperation mit der E-Commerce-Agentur netz98 präsentieren wir Ihnen neun Anforderungen, die E-Commerce-Lösungen im B2B-Bereich erfüllen sollten.
1. Direktvertrieb
Der digitale Vertrieb über E-Commerce-Plattformen ist mehr als ein Kanal. Er soll die Wertschöpfung des B2B-Unternehmens steigern. Durch das Umgehen von Zwischenstufen lassen sich die eigenen Leistungen mit mehr Gewinn verkaufen. Gleichzeitig erhöht er die Reichweite, gibt dem Marketing neue Möglichkeiten und steigert damit in der Regel auch den Umsatz.
2. Neukunden
Der Onlinekanal eignet sich auch im B2B perfekt für kurzfristige Kaufentscheidungen. Ein digitaler Vertrieb kann den Absatz niedrigpreisiger, schnelldrehender Produkte verbessern und hier Neukundengeschäft generieren, wenn etwa die Zielgruppenanalyse eine hohe Onlineaffinität zeigt.
3. Kostenoptimierung
Im B2B E-Commerce geht es zudem um die Senkung der Vertriebskosten durch eine Digitalisierung bestehender Prozesse. Der Anbieter profitiert etwa von einer vollständig automatisierten Abwicklung der Bestellprozesse. Eine Reduzierung der Kosten steigert eben auch den Gewinn.
4. Kundenbindung
Eine B2B E-Commerce Plattform muss Nutzer bei operativen und administrativen Prozessen entlasten. Kann eine wiederkehrende Bestellung mit wenigen Klicks ausgelöst werden, spart dies dem Kunden Zeit und damit Kosten. Kostenreduktion und höhere Servicequalität stärken die Kundenbindung.
5. Internationalisierung
Eine B2B-Plattform bietet eine kosteneffiziente Möglichkeit, Geschäftspartner im Ausland zu erreichen und neue Märkte zu erschließen. Ein Multi-Store-Konzept sowie ein leistungsfähiges, skalierbares Hosting unter Nutzung eines Content Delivery Networks (CDN) bilden die perfekte Basis. Ohne eine Anpassung der Supply Chain Managements, des Fullfilments und der Kommunikation an internationale Bedürfnisse kann aber auch die beste B2B E-Commerce-Plattform keine Vertriebserfolge erzielen.
6. Interne Kommunikation
Fehlende Expertise bei Online- und insbesondere E-Commerce-Projekten führt häufig dazu, dass Fachabteilungen den Eindruck haben, ihre Budgets und Kompetenzen schützen zu müssen und so gegeneinander arbeiten. Die Unternehmensführung muss das Projekt entsprechend hoch priorisieren, um vermeintliche Verteilungskämpfe zu vermeiden.
7. Proof-Of-Concept mit Zukunft
Pilotprojekte bzw. die schrittweise Ausdehnung des digitalen Vertriebs auf das Gesamtportfolio erleichtern den Change und den Aufbau einer internen Expertise. Dazu muss die Lösung aber leistungsseitig und funktional problemlos skalieren – damit der Ausbau ohne finanzielle Überraschungen erfolgen kann.
8. User Experience
Um dem Nutzer eine schnelle und sichere Auswahl sowie überzeugende User Experience zu bieten, muss der B2B-Shop die Abhängigkeiten zwischen komplexen B2B-Produkten in allen Bereichen präzise abbilden: in der Seitenstruktur, den Produktdetailseiten, der zielführenden Navigation und der intelligenten Suche bzw. Filterung – was die Integration von leistungsfähigen Suchtechnologien und die optimale Strukturierung der Produktdaten voraussetzt.
9. Flexibles Framework
Über den Grad der Wertschöpfung einer E-Commerce-Lösung entscheiden Zuverlässigkeit, Flexibilität und ein breites Funktionsspektrum. Ein kosteneffizientes Customizing der Lösung für die spezifische Anforderung ist für eine schnelle Einführung wie auch die Zukunftsfähigkeit relevant.

4. Migrationsplanung: Unternehmensweite Abstimmung und Entwicklung von Lösungsszenarien

Die entwickelte IT-Architektur muss innerhalb des Unternehmens kommuniziert und abgestimmt werden. Dazu sind drei Faktoren entscheidend:

Der in Phase zwei (Business-Architektur) und drei (IT-Architektur) ermittelte Handlungsbedarf wird in Projekte eingeteilt, die in einer übergeordneten Roadmap zusammengeführt werden. Hierzu empfehlen wir die schrittweise Zielerreichung über eine Transition-Architektur, die folgende Hauptvorteile bietet:

Ist die Roadmap (inklusive Transition-Architektur) definiert, können die Anforderungen der gemeinsamen E-Commerce-Vision umgesetzt werden.

Die IT-Architektur von der Vision bis zur Migrationsplanung.
Foto: Deloitte Consulting GmbH

Fazit

Anhand der beschriebenen vier Phasen können Unternehmen ihre E-Commerce-Anforderungen erfolgreich auf die IT-Architektur-Ebene herunterbrechen. So wird sichergestellt, dass die IT-Architektur eine zentrale und einheitliche E-Commerce Plattform für das globale Kundenmanagement bereitstellt, anstatt wie in der Vergangenheit nur einen weiteren Vertriebskanal.

Das im Architekturmanagement bereits sehr erfolgreich eingesetzte TOGAF kann auch hier mit Best Practices und geeigneten Templates alle Phasen der Entwicklung unterstützen. Dies sollte durch fundiertes Expertenwissen und Erfahrung komplementiert werden, um basierend auf den identifizierten Anforderungen eine geeignete IT-Architektur abzuleiten und diese bis zur erfolgreichen Umsetzung voranzutreiben.