Innovation & Kreativität

6 Lehren von Non-Profit-Organisationen

02.09.2013 von Christoph Lixenfeld
Die Boston Consulting Group hat untersucht, was Unternehmen für ihr Business von Hilfsorganisationen lernen können. Das ist eine ganze Menge, wie sechs Beispiele zeigen.
Gerade bei der Arbeit in Afrika müssen viele Non-Profits mit sehr kleinen Budgets auskommen.

Berater brauchen griffige Formeln und Kürzel, um ihre Botschaften zu verkaufen. Eines dieser Kürzel lautet BMI - Business Model Innovation. Dabei geht es um den Versuch, das eigene Geschäftsmodell immer wieder zu überprüfen und zu verbessern. Non-Profit-Unternehmen müssen genau das ständig tun, weil sie in aller Regel zu wenig Geld haben und zu wenig Personal. Außerdem sind sie massivem Konkurrenzdruck ausgesetzt, wenn es darum geht, Spenden und Fördermittel für ihre Arbeit einzuwerben. Statt Do-more-with-less heißt es bei ihnen also meistens: Do-much-more-with-much-less.

Wer unter solchem Druck trotzdem Erfolg hat, von dem müsste sich nach Ansicht der Boston Consulting Group eine Menge lernen lassen. Und noch aus einem weiteren Grund: Non-Profit-Unternehmen befinden sich in ständigem Rechtfertigungsdruck ihren Stakeholdern und Geldgebern gegenüber. Wer angetreten ist, um eine idealistische Mission zu erfüllen, kann nicht mal eben wie ein Unternehmen hoch bezahlte Spezialisten für eine knifflige Aufgabe anheuern. Non-Profit-Organisationen müssen stattdessen kooperieren, sich Verbündete suchen. Und sie müssen innovativ sein, ohne dabei viel Geld auszugeben. Fragt sich, wie sie das machen. Die folgenden sechs Beispiele zeigen es.

1. Problemlösungen jenseits des Bekannten

Die Boston-Consulting-Autoren nennen hier als ein Beispiel den Kampf gegen Krankheiten, die von Mücken übertragen werden. Üblicherweise konzentriert sich dieser Kampf, der weltweit von einer ganzen Reihe von Organisationen geführt wird, auf zwei Ansatzpunkte: Erstens auf die Bekämpfung der Insekten durch Pestizide und zweitens auf das Verhindern des Kontakts zwischen Mensch und Mücke - etwa durch Moskitonetze oder Anti-Insekten-Sprays. Trotz großer Erfolge durch diese Strategie sind 2010 weltweit immer noch 660.000 an Malaria gestorben.

Um diese Zahl zu senken, beschäftigt sich ein neuer Ansatz nicht mit dem Töten oder Abwehren, sondern mit dem Modifizieren des Insekts. Ziel ist es, durch genetische Manipulation der Tiere deren Fähigkeit zum Tragen der krank machenden Parasiten zu beseitigen. Erste, vielversprechende Ansätze der Forscher konzentrieren sich auf den Erreger des Dengue-Fiebers, Versuche mit dem Malaria-Erreger werden folgen.

Learning für Unternehmen: Es lohnt sich, das undenkbare zu denken.

2. Open Source bei der Ideenfindung

Die meisten Hilfsprogramme von NGOs drehen sich um eine verbesserte Gesundheitsversorgung.
Foto: medi GmbH & Co. KG

Die Organisation 'Saving Lives at Birth' kümmert sich darum, die Gefahren für Mutter und Kind bei Geburten in ländlichen Gegenden in der dritten Welt zu reduzieren. Auf der Suche nach Ideen, mit denen sich das Infektionsrisiko während der Geburt senken lässt, wandte sich die Organisation nicht an bekannte Experten, sondern über einen Aufruf an jeden Interessierten. Eine Idee, die überzeugend und umsetzbar war, konnte dabei bis zu 250.000 Dollar wert sein.

Einer der Gewinner war ein argentinischer Mechaniker ohne medizinische Vorkenntnisse. Die Inspiration für seine Idee hatte er von einem Partytrick, dass er auf U-Tube gesehen hatte. Daraus entstand das 'Odón Device', eine Art Kunststofftrichter, der es Geburtshelfern ermöglicht, eine Geburt zu beschleunigen, ohne dabei den Säugling selbst anfassen zu müssen. Dadurch wird das Risiko von Infektionen massiv gesenkt. Extrem preiswert und hoch gelobt von der Weltgesundheitsorganisation, wird das Odón Device heute in vielen Ländern der Welt eingesetzt.

Learning für Unternehmen: Nicht nur Experten haben gute Ideen.

3. Qualität durch Masse

In den 1970er Jahren führte der Inder Govindappa Venkataswamy ein winziges Provinzkrankenhaus. Seine Idee war es, etwas gegen das weit verbreitete Problem der Erblindung durch grauen Star zu unternehmen. Das Problem: Gerade arme Menschen, die durch schlechte Ernährung schon früh betroffen waren, konnten sie die rettende Operation nicht leisten.

Venkataswamy verfolgte zwei Ansätze, um das Problem zu lösen. Erstens durch eine Art Umverteilung: Die Armen operierte er umsonst beziehungsweise für einen sehr kleinen Betrag, im Gegenzug verlangte er von zahlungskräftigen Kunden so viel für eine Behandlung, wie diese in Europa oder den USA kosten würde. Akzeptieren würden die 'Mehrbezahler' das freilich nur, wenn sie für ihr Geld Top-Qualität bekämen.

Um das sicherzustellen, baute Aravind Eye Care, so der Name des Unternehmens, eine Art Fabrik für Augenoperationen auf. Der Vorgang ist heute hochautomatisiert, die Effizienzgewinne werden für technisches Equipment auf Top-Niveau, gute Gehälter für gute Mediziner und deren Weiterbildung verwendet. Aravind Eye Care ist mittlerweile weltweit das größte Unternehmen auf seinem Gebiet.

Learning für Unternehmen: Auch idealistische Motive können zu Erfolg und zu Größe führen.

4. Mehr Kraft durch Kooperationen

Privatpersonen aus den USA gehören zu den größten Geldgebern internationaler Hilfsprogramme.
Foto: U.S. Government

In die Erforschung von Tropenkrankheiten stecken Pharmaunternehmen relativ wenig Geld, weil viele der Betroffenen kein Geld haben für teure Medikamente und sich Investitionen deshalb kaum amortisieren lassen. Auch deshalb kündigte die Gates-Stiftung 2010 an, zehn Millionen Dollar für ein 'Jahrzehnt des Impfens' zur Verfügung zu stellen. Viele andere Organisationen beteiligten sich daran. Unter Führung der Weltgesundheitsorganisation arbeitet die Gates-Stiftung dabei mit UNICEF und vielen anderen Organisationen zusammen.

Die Partner entwickelten gemeinsam einen Globalen Impffahrplan (GVAP). Dieser Plan enthielt sechs strategische langfristige Ziele und definierte auch Prozesse, um die Fortschritte zu überprüfen und zu messen.

Learning für Unternehmen: Strategisch geplante Kooperationen ermöglichen auch Projekte, die für einzelne Firmen zu groß sind.

5. Vertriebsstrukturen teilen statt selber aufbauen

In vielen Afrikanischen Ländern empfehlen Gesundheitsorganisationen, dass Kinder unter fünf Jahren unter mit Insektiziden behandelten Moskitonetzen schlafen sollten, um das Malaria-Risiko zu senken. Weil es aber im ländlichen Afrika mit seiner schlechten Infrastruktur so schwierig ist, die Kinder mit den Netzen zu versorgen, benutzten 2001 nur zwei Prozent von ihnen diesen Schutz.

Um diese unbefriedigende Situation zu ändern, entwickelte die Gesundheitsbehörde von Ghana zusammen mit UNICEF und dem Ghanaischen Roten Kreuz ein ganz neues 'Vertriebsmodell' für die Moskitonetze. Sie wurden zusammen mit einer Impfkampagne gegen Masern verteilt, waren in allen Impfstellen wie Schulen, Kirchen und Märkten vorhanden. Ghana konnte so die Abdeckung mit Moskitonetzen auf über 60 Prozent steigern.

Learning für Unternehmen: Eigene Vertriebsstrukturen sind teuer. Mit neuen Ideen lässt sich hier für wenig Geld viel erreichen.

6. Flexible Personalplanung

Die Organisation Save the Children International (SCI) war schon bei vielen Gelegenheiten in der Lage, in kurzer Zeit auch komplexe Hilfsaktionen auf die Beine zu stellen. Beim großen Erdbeben auf Haiti zum Beispiel unterstützte die Organisation kurzfristig mehr als 600.000 Kinder und Erwachsene.

Um dazu in der Lage zu sein, muss SCI in seinen inneren Strukturen enorm flexibel sein und viel junge, talentierte Mitarbeiter für sich gewinnen. Deshalb sucht SCI nicht gezielt Katastrophenhelfer, sondern bietet Jungen einen 'Karriere-Einstieg in der humanitären Hilfe'. Das Programm beinhaltet nicht nur Katastropheneinsätze, sondern eine Vielzahl von Tätigkeiten.

Und damit diejenigen, die tatsächlich über einen längeren Zeitraum im harten Katastropheneinsatz waren, nicht so schnell ausbrennen, werden sie anschließend einige Monate bei voller Bezahlung freigestellt.

Learning für Unternehmen: Flexible Arbeitszeitmodelle und Belohnung für Risiken motiviert und hält die ganze Organisation beweglich.

Insgesamt, so zeigen diese Beispiele, ist Not häufig ein guter Lehrmeister bezüglich Kreativität und Innovationskraft. Für Unternehmen kommt es darauf an, sich auch ohne Not einiges davon abzugucken.