Meetings, Fehler, Kommunikation

6 Thesen zur Führung in der Zukunft

12.04.2017 von Marcus König
Der digitale Wandel verlangt Flexibilität auch in den Arbeitsmodellen. Manager, die Home-Office-Angebote als alleinige Antworten sehen, liegen daneben. Sechs Thesen verdeutlichen, wie sich Führung in digitalen Zeiten ändert.

1. Führungsaufgaben werden situativ verteilt und angenommen

Führung wird es weiterhin geben - nur wird sie eher natürlich entstehen als angeordnet sein. Je nach Situa­tion wird in einem Team die Person für ein bestimmtes Thema die Führung übernehmen, die sich das zutraut und die notwendige Kompetenz mitbringt. Wenn sich beispielsweise eine Gruppe von Wanderern verläuft, wird derjenige das Heft an sich reißen, der so etwas schon einmal erlebt hat oder Kompetenzen mitbringt, um dieser Situation Herr zu werden. Die Akzeptanz der anderen Gruppenmitglieder ist damit kein Thema mehr. Nach der Aktion tritt diese Person dann wieder in die Gruppe als Mitglied (Wanderer) zurück.

Die Führung z.B. eines Projekts kann auf Zeit erfolgen.
Foto: SFIO CRACHO - shutterstock.com

Solch eine situative Übernahme von Führung auf Zeit birgt allerdings auch die Gefahr des Sich-nicht-einigen-Könnens. Um die unvermeidlichen Diskussionen möglichst zielgerichtet zu führen, kommen Moderations- und Mediationskompetenzen als zusätzliche Qualifikationen ins Spiel.

2. Die Zeit der Meetings und Workshops geht zu Ende

Nicht erst durch die digitalen Nomaden entstehen virtuelle Teams, die orts- und zeitunabhängig miteinander an Themen arbeiten. Die Herausforderung ist hier, die Zusammenarbeit zu organisieren - also Führung zu übernehmen. Teamspirit ist dabei auf andere Weise zu erzeugen als bisher über Präsenz-Meetings oder Teambuilding-Workshops.

Auch hier werden Elemente aus der Social-Media-Welt Einzug halten. Gleiche Interessen, Gruppen, Posts, gemeinsame Bekannte oder virtuelle Gruppen erzeugen das Zusammengehörigkeitsgefühl. Allerdings sind Mitarbeiterbindung und Loyalität dadurch schnelllebiger und verlieren an Stellenwert.

3. Human Resources werden künftig Human Relationship

Human-Resources-Management war noch nie eine glückliche Bezeichnung für Personalabteilungen, verbindet man mit Ressourcen doch vor allem Rohstoffe, Materialien und Ähnliches. Die Aufgaben des Personalwesens werden sich grundlegend ändern. Flexible Beschäftigungsmodelle, nichtmonetäre Belohnungssysteme, Vereinbarkeit von privaten Interessen mit dem geschäftlichen Auftrag - das sind nur wenige Beispiele dafür. Permanentes Kompetenz-Management gewinnt an Wichtigkeit.

Eine Kernaufgabe besteht auch darin, das eigene Unternehmen attraktiv für künftige Mitarbeiter zu machen. Recruiting verändert sich von "die Firma sucht aus" zu "Talente suchen sich die passende Firma aus". Kultur, Freiheitsgrade, Sinn und Nutzen der Tätigkeit sind wesentliche Kriterien.

4. Vielfältige Kommunikationskanäle sind Chance und Risiko zugleich

Permanent online erreichbar zu sein, Informationen nahezu in Echtzeit teilen zu können - und das mit einer unbegrenzten Zahl von Adressaten - birgt Gefahren, die zu Konflikten werden können. Eingreifen in Form von Aufklärung, Mediation und Moderation wird notwendig. Mitarbeiter müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie ihre Posts und Likes oft nicht zurücknehmen können.

5. Können wird wichtiger als Wissen - eine neue Fehlerkultur hält Einzug

Im Internet steht heute jedem unbegrenztes Wissen zur Verfügung. Man muss es nur finden und anwenden. Ob das dann aber zum Erfolg führt, hängt vom Können des Einzelnen ab. Reparaturanleitungen etwa sind oft in Bild und Ton abrufbar, trotzdem wird nicht jeder Mensch einen Staubsauger reparieren können. In Zukunft kommt es auf den Umgang mit Wissen an, auf Erfahrungen und den Mut, Dinge anzupacken.

Das schließt die Möglichkeit ein, Fehler zu machen. Wie aber wird mit solchen Fehlern umgegangen? Man spricht in Unternehmen gerne und oft von einer Fehlerkultur, die es erlaubt, Fehler zu machen. Tatsächlich will und sollte aber niemand Fehler machen, denn das bedeutet, etwas, was man hätte wissen müssen, falsch zu machen. Was hier gemeint ist, sind Irrtümer.

Der Unterschied zum Fehler besteht beim Irrtum darin, dass man vorher nur eine vage Vorstellung davon hatte, wie etwas funktionieren könnte. Unabhängig davon, ob man diese feine Unterscheidung macht oder nicht: Fehler zu machen oder Irrtümer zu begehen, kann nicht das Ziel sein, sondern die gefragte Reaktion ist, aus dergleichen zu lernen.

6. Die Flexibilität des Arbeitgebers wird zum Erfolgsfaktor

Wer als Arbeitgeber in Zukunft flexibel auf die Anforderungen von Mitarbeitern eingeht, die an Themen innerhalb des Unternehmens arbeiten, wird dauerhaft die guten Talente um sich scharen und Erfolg haben. Das beginnt mit dem Wunsch, in der bevorzugten IT-Umgebung zu arbeiten (Apple vs. Windows), und reicht über unterschiedliche Auffassungen über Ort und Zeit von Arbeit bis hin zu attraktiven Beschäftigungsmodellen und Belohnungssystemen. One-fits-all gehört der Vergangenheit an. Firmen sind gut beraten, auf die Wünsche ihrer Talente einzugehen.

Neue Führungspraxis für die digitale Welt
Der Sportdirektor eines Vereins
Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle.
Führung in der Digitalisierung
Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen.
Die Landschaftsgärtnerin
Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf.
Die Seismologin
Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle".
Der Zen-Schüler
Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen.
Der DJ
Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung.
Die Intendantin eines Theaters
Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise.
Die Trainerin
Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein.
Der Blogger
Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.