Gartner: Falsche Ziele

7 Hürden, an denen Gamification scheitert

18.12.2012 von Nicolas Zeitler
Beim Einbau spielerischer Elemente in Arbeitsprozesse machen Firmen viel falsch. Acht von zehn Gamification-Vorhaben sind laut Gartner zum Scheitern verurteilt.
Brian Burke von Gartner erwartet, dass Gamification fester Bestandteil vieler Arbeitsprozesse wird - der Großteil der schon laufenden Projekte werde allerdings nicht zum gewünschten Ziel führen.
Foto: Gartner

Über die Achterbahnkurve ihres Hype Cycles jagen die Analysten von Gartner jeden aufkommenden Trend. Auch Gamification haben sie auf die Rutsche geschickt - das Konzept, durch spielerische Elemente und Wettbewerbscharakter in Arbeitsvorgängen Engagement und Leistung der Beschäftigten zu erhöhen. Obgleich der Trend noch jung ist, sieht Gartner-Analyst Brian Burke ihn schon auf dem Gipfel der überzogenen Erwartungen angekommen. Wer die Hype Cycles kennt, weiß: Der Absturz ins Tal der Enttäuschung steht bevor.

Schuld daran sind nach Beobachtung von Burke zum großen Teil die Firmen, die sich das Gamification-Konzept zunutze machen wollen. 80 Prozent der derzeitigen Anwendungen, in denen der Spieltrieb der Nutzer zugunsten der Geschäftsförderung angeregt werden soll, werden bis 2014 ihr angestrebtes Ziel verfehlen, prophezeite der Gartner-Experte jetzt in einem Webinar. Als Hauptgrund macht er schlechte Umsetzung aus.

Punkte und Ranglisten

Die Idee hinter Gamification klingt simpel: Erwünschte Tätigkeiten werden mit Mechanismen belohnt, die aus Spielen bekannt sind. Der Nutzer bekommt Punkte oder klettert auf einer Rangliste nach oben. Das alles dient nicht dem Spiel an sich sondern Zielen, die sich aus der Geschäftstätigkeit des Unternehmens ableiten.

Das kann etwa das Ziel sein, Kunden zu mehr Käufen zu verleiten. Kundenbindungsprogramme und andere Marketinginitiativen sind laut Burke eines der wichtigsten Einsatzfelder von Gamification. Zunehmen wird seiner Einschätzung nach der Gebrauch von Spielelementen innerhalb von Unternehmen, mit dem Ziel, Mitarbeiter zu besserer Leistung anzuspornen.

Als Beispiel dafür führte Burke den IT-Helpdesk eines US-amerikanischen Pharma-Unternehmens an. Bis die 26 Betreuer am Telefon Probleme behoben, dauerte es nach Ansicht vieler der 15.000 Mitarbeiter zu lange. Bei fast einem Drittel der 14.000 bis 16.000 Problemfälle im Monat legten die Anrufer wieder auf, weil sie zu lange in der Warteschleife hingen. Merkliche Besserung trat ein, nachdem das Unternehmen angefangen hatte, die Support-Mitarbeiter für schnelle Problemlösungen mit virtuellen Abzeichen zu belohnen und auf einer Tafel eine Art Bestenliste anzeigen ließ.

Falsche Konzentration auf den offensichtlichen Spielmechanismus

Dass das, was daran als spielerisch bezeichnet wird, für die Mitspieler, nämlich die Mitarbeiter des Helpdesk, zumindest sanften Druck bedeutet, steht außer Frage. Burke betonte immerhin, dass die Teilnahme am Spiel freiwillig gewesen sei und nach einiger Zeit dennoch alle 26 Mitarbeiter in das Belohnungssystem eingestiegen seien.

Was den Analysten allerdings mehr interessiert, ist, warum dieses Spiel erfolgreich war - beziehungsweise warum die Gamification, das Verspielt-Machen von Anwendungen, so oft nicht klappt. "Der klassische Fehler ist, sich auf den offensichtlichen Spiel-Mechanismus zu konzentrieren", sagt Brian Burke. Die im Zusammenhang mit Gamification viel zitierten "Badges", also Belohnungs-Abzeichen, Smileys oder virtuelle Orden, und "Leaderboards", Bestenlisten mit den Punkteständen der Spieler, seien eben nur Symbole. "Wichtiger sind die versteckten Dinge." Burke meint damit die geschäftlichen Ziele, zu deren Erreichen ein Spiel beitragen soll. Beim Gestalten von Spielen allerdings zu sehr darauf zu linsen, ist seiner Ansicht nach aber ebenso falsch: Zweiter großer Fehler sei, Spiele zu wenig auf die Spieler zuzuschneiden.

Hinter diesen beiden grundsätzlichen Fehlern macht der Analyst sieben Punkte aus, an denen sich entscheidet, ob die Gestaltung eines Spiels gelingt oder missrät.

1. Business-Ziele und Messgrößen: Erster Schritt des siebenteiligen Gestaltungs-Zyklus für Spiele, dem sich Burke in dem Gartner-Bericht "Gamification: Designing for Player-Centricity" widmet, ist eine starke Fokussierung. Zu beantworten sei die Frage, welche Ergebnisse sich das Unternehmen von spielerischen Elementen erwarte - und diese mit Zielgrößen zu unterlegen, etwa: "Die Eingliederung neuer Mitarbeiter auf X Tage verkürzen."

2. Zielgruppe: Mitarbeiter lassen sich nur durch ein Spiel motivieren, dessen Inhalte und Gestaltung ihnen nicht völlig fremd sind. Ein Spielkonzept, das junge Fantasy-Fans unter den Mitarbeitern begeistert, muss andere Gruppen noch längst nicht erreichen.

3. Spieler-zentrierte Ziele: Einfach geschäftliche Ziele des Unternehmens als gewünschtes Spielergebnis zu definieren, greift Burke zufolge zu kurz. Wer ein Spiel gestalte, müsse stattdessen eine Antwort auf die Frage finden, was denn die Spieler motiviere. Geschäfts- und Mitarbeiterziele könnten sich schließlich auch widersprechen: Die Unternehmensleitung sähe es gerne, wenn länger gearbeitet würde, die Mitarbeiter hingegen wünschten sich höhere Löhne. "Hier gilt es, die Überschneidungen zu finden", sagt Burke. "Neue Kunden zu gewinnen ist zum Beispiel ein Ziel, das beiden Seiten gefällt."

Mitarbeiter nicht zu sehr gegeneinander ausspielen

4. Das Motivations-Modell: Ein Spiel muss nicht unbedingt dergestalt sein, dass Mitarbeiter darin gegeneinander antreten. Statt solcher kompetitiver Spiele eigneten sich für viele Fälle auch kollaborative Spiele. Einen Gewinn erzielen die Mitarbeiter dabei dadurch, dass sie gemeinsam ein Problem lösen. "So etwas ist oft stärker von Erfolg gekrönt, weil es die Masse erreicht und nicht bloß Spitzenkräfte", sagt Burke. Das richtige Maß zu finden sei außerdem etwa bei Fragen wie ob man mehr auf intrinsische oder extrinsische Motivation setze.

5. Spielfortschritt: Ein Spiel bleibt nur am Laufen, wenn die Spieler mit wachsender Erfahrung schrittweise anspruchsvollere Aufgaben zu lösen haben. Brian Burke zitiert hier den von Mihály Csíkszentmihályi definierten Begriff des "Flow": einen Zustand, in dem ein Mensch gefordert, aber nicht überfordert ist und voll in einer Tätigkeit aufgeht.

6. Die Ökonomie des Spiels: Auf welche Belohnung Beschäftigte bei einer spielerisch gestalteten Aufgabe hinarbeiten sollen, will nach Aussage des Analysten ebenfalls gut durchdacht sein. Burke unterscheidet vier Arten:

  1. Spaß bereiteten etwa Videospiele: durch Explosionen oder lustige Geräusche. Für Arbeitsanwendungen sei diese Art Belohnung weniger geeignet.

  2. Dinge, ob greifbar oder virtuell, werden in Spielen nach Ansicht von Burke ebenfalls häufig überstrapaziert. Er subsumiert darunter Punkte oder Objekte, die Spieler sammeln.

  3. Soziales Kapital als dritte Belohnungsart zielt darauf, dass Spieler für ihre Ergebnisse Anerkennung erhalten.

  4. Selbstbewusstsein als vierte Art von Belohnung schließlich lässt sich steigern, indem Teilnehmer für gute Leistungen im Spiel Lob erhalten. "Das ist ein sehr starkes Mittel", sagt Burke.

7. Testen: Als letzten Punkt, der über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, nennt Burke ausreichende Vorbereitung. Nichts nutze ein mit großem Aufwand in der Theorie ersonnenes Spiel, wenn es von den Spielern nicht angenommen werde. Deshalb sollte laut Burke immer erst eine Pilotgruppe von Mitarbeitern eine neue spielerische Anwendung ausprobieren.

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