Praxisbeispiele

7 Technologien für individualisierte Produkte

25.02.2014 von Christiane Pütter
Ob Kleidung, Preise oder Produktion: McKinsey zeigt, wie Unternehmen die Kunden besser einbeziehen und ihre Wünsche individuell erfüllen können.
Für jeden Kopf den passenden Hut - laut McKinsey ist das keine allzu ferne Vision mehr.
Foto: McKinsey

Jeder Jeck ist anders, behauptet nicht nur der Kölner im Karneval. Die Idee vom individualisierten Produkt wird sich in absehbarer Zeit zur Realität entwickeln, sagen die Berater von McKinsey in dem Papier "How technology can drive the next wave of mass customization". Die Analysten haben sieben Technologien identifiziert, die Unternehmen dabei helfen sollen, für jeden Kunden Einzelstücke anzufertigen.

Als Beispiele nennt McKinsey Kleidung, die genau auf die Figur zugeschnitten ist, oder Lebensmittel, die individuelle Bedürfnisse nach Vitaminen und Nährstoffen erfüllen. Auch der Wunsch der Verbraucher nach Laptops und Autos in Lieblingsfarbe und -form steigt.

Laut McKinsey sollten sich verschiedenste Branchen um die Individualisierung von Produkten kümmern. Dazu zählen nicht nur Lifestyle-Branchen wie Mode und Auto, sondern auch Lebensmittel und Gesundheit.
Foto: McKinsey

Das setzt zwei Dinge voraus: Das Unternehmen muss erkennen, welche Produkte sich dafür anbieten, und wie eine solche Customisierung bezahlt werden kann. Glaubt man McKinsey, bleiben diese Überlegungen kaum einem Unternehmen erspart. Nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise habe sich gezeigt, dass die Markentreue der Konsumenten auch im Hinblick auf weltweit anerkannte Brands abnimmt. Der Kunde muss wieder neu gewonnen werden.

Im Einzelnen führt McKinsey folgende sieben Technologien auf:

1. Social Media: Kaffeetrinker können beispielsweise über Frappuccino.com angeben, ob sie ihr Heißgetränk mit Himbeer- und Nussgeschmack mögen oder eine extra Portion Proteine wünschen. Das heißt: Unternehmen brauchen keine Marktforscher zu befragen, sondern können die Kunden selbst sprechen lassen. Auf diese Weise machen sie die Konsumenten zu Co-Entwicklern neuer Services und Produkte.

2. Interaktive Produkt-Konfigurierer: Ein Tool zum Umsetzen individualisierter Produkte sind interaktive Konfigurierer. Wichtig ist laut McKinsey, dass das Produkt visuell gut dargestellt wird. Dann macht es den Verbrauchern Spaß, mit verschiedenen Varianten zu experimentieren.

Als Beispiel nennt McKinsey "Shoes of prey" aus Sidney. Soll es ein flacher Schuh in taubenblauem Wildleder sein oder doch lieber ein High Heel aus knallrotem Lack - die Kundin kann sich jede Version online ansehen. Sie bestimmt, ob der Schuh eine Zehenöffnung hat - und wie groß diese sein soll - und wie hoch und schmal der Absatz sein wird. Glaubt man "Shoes of prey", steigt die Zahl der Kaufentscheidungen mit der Qualität der Technologie des Produkt-Konfigurierers.

3. 3-D-Druck: Die Nutzung von 3-D-Druckern ist bisher nicht billig. Wer die Figur der Kunden scannen und als 3-D-Modell konstruieren wollte, hatte nicht unerheblichen Installationsaufwand für die Technik. Doch hier zeichnen sich Fortschritte ab, so die Analysten, so dass kostengünstigere Angebote zu erwarten sind. Die ersten Rückmeldungen von zufriedenen Kunden zeigen, dass die Technologie besser Maß nimmt als ein ausgebildeter Schneider.

4. Empfehlungs-Maschinen: Zwar stellt Software keine neue Idee dar, die Nutzern aufgrund vorangegangener Entscheidungen Produkte und Services empfiehlt. Doch auch hier beobachtet McKinsey, dass die Maschinen immer ausgefeilter agieren und den Nutzern treffgenauere Angebote unterbreiten.

Technologien der Zukunft
Die Analysten von McKinsey haben zwölf Technologien ausgemacht, die Alltagsleben und Industrie in Zukunft prägen.
Mobiles Internet
Neu ist der mobile Zugriff auf das Internet ja nicht mehr - aber das Thema birgt nach Ansicht von McKinsey noch Potenzial. Dazu ein paar Zahlen: Seit dem Start des iPhone 2007 hat sich die Menge an Smartphones und Tablets versechsfacht. 4,3 Milliarden Menschen warten noch darauf, ans Netz angebunden zu werden.
Automatisierte Wissensarbeit
Unter diesem Stichwort fasst McKinsey lernende Maschinen, Mensch-Maschine-Schnittstellen (wie etwa Spracherkennung) und Anderes zusammen, das Wissens-Arbeitern den Job erleichtert. Prominente Beispiele aus der Technik-Welt sind der Schach-Computer von IBM (1997) und Watson, der Jeopardy-Gewinner 2011. Deren Weg zeige, wie sich die Technologie bisher schon entwickelt hat.
Internet der Dinge
In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl miteinander verbundener Maschinen um 300 Prozent gestiegen, so McKinsey. Der Preisverfall bei mikroelektromechanischen Systemen werde den weiteren Ausbau des Internet der Dinge befeuern. In der Fertigungsindustrie beispielsweise ist noch viel Raum für den Einsatz von Sensoren.
Cloud-Technologie
Der As-a-service-Gedanke setzt sich weiter durch, und dafür brauchen Unternehmen Cloud Computing. Die Cloud ist schneller, flexibler und letztlich auch kostengünstiger, sagen die Analysten. Sie gehen von einer steigenden Nachfrage nach neuen Bezahlmodellen aus ("pay-as-you-go"), auch hier wird mit Cloud Computing gearbeitet. Übrigens gibt es derzeit 50 Millionen Server auf der Welt.
Intelligente Roboter
Seit es sie gibt, werden Roboter immer intelligenter. McKinsey sieht die nächste Entwicklungsstufe im Verschmelzen vom klassischen Roboter mit künstlicher Intelligenz. Roboter werden Menschen in immer anspruchsvolleren Bereichen ersetzen können. Der Bedarf der Industrie an Robotern ist zwischen 2009 und 2011 um 170 Prozent gestiegen.
Synthetische Biologie
Aktuelles Beispiel für den Umgang mit Gen-Analysen ist Angelina Jolie: Die Schauspielerin erfuhr durch eine Analyse ihres Erbgutes, dass die Wahrscheinlichkeit einer Brustkrebs-Erkrankung bei 87 Prozent lag - Jolie ließ Brustgewebe entfernen und künstlich wieder aufbauen. McKinsey erwartet aus der Arbeit mit Genetik und Biologie neue Impulse nicht nur bei der Behandlung von Krankheiten - heute sterben rund 26 Millionen Menschen jährlich an Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes 2 - sondern beispielsweise auch für das Produzieren neuer Kraftstoffe.
Energiespeicherung
Mit dem Aufstieg der Schwellen- und Entwicklungsländer erhalten immer mehr Haushalte Zugang zu Elektrizität. Damit rückt Energiespeicherung in den Fokus. Verbesserte Batterien und Power Grid sind Themen der Zukunft. Solar-Systeme in heutigen Entwicklungsländern werden Energie für weit entfernt liegende Orte liefern können.
Material, das Mitdenken kann
Schicke Kleider, die die Trägerin durch eingewebte Substanzen vor Sonnenbrand schützen, sind nur ein Beispiel für die Weiterentwicklung von Alltags-Materialien. Ein anderes sind Metallteile, die ihre ursprüngliche Form wieder annehmen können. Bei diesem Thema steht insbesondere Nano-Technologie im Vordergrund.
Neue Wege der Öl- und Gasgewinnung
Die Zeiten von Öl und Gas sind noch nicht vorbei. Weltweit investieren Regierungen in sogenanntes "unconventional oil and gas", neue Wege der Förderung also. In Deutschland ist eine rege Diskussion um Fracking in Gang.
Erneuerbare Energie
Sonne, Wind und Wasser sind zu Energielieferanten geworden. Sie versprechen, unendlich viel Energie bereitstellen zu können. Insbesondere in den USA und der Europäischen Union legen Umweltschützer und Endverbraucher auf diese Form der Energiegewinnung Wert. Seit 2000 ist die die Kapazität von Solar- und Windanlagen um das 19fache gestiegen.
Selbstfahrende Autos
Nicht nur Autos, auch Züge und Flugzeuge werden künftig ganz oder teilweise führerlos unterwegs sein. McKinsey erklärt, Googles selbstfahrende Autos hätten auf einer Gesamtstrecke von mehr als 300.000 Meilen nur einen einzigen Unfall gehabt - und an dem war ein Mensch schuld.
3D Drucken
Einige wenige Designer und Freaks haben bisher mit 3D-Druck zu tun, doch die Technologie wird sich etablieren. Einer ihrer Vorteile: Produkte können auch in kleinen Auflagen "on demand" hergestellt werden. Als Vision verfolgen manche Wissenschaftler die Idee, irgendwann menschliche Organe wie etwa eine neue Leber "bioprinten" zu können. Menschliche Stammzellen wären dann sozusagen die Tinte.

5. Algorithmen für das Pricing: Verschiedene Faktoren fließen in die Preise für Produkte oder Dienstleistungen ein. Je ausgeklügelter die Algorithmen, die diese Faktoren berechnen, umso höher der wirtschaftliche Erfolg. Dabei spielt auch die Wartezeit der Konsumenten eine Rolle. Diese soll möglichst kurz gehalten werden, um Kunden nicht zu verärgern.

Nach Einschätzung von McKinsey bekommt ein US-Pizzalieferant das gut hin. Dieser Pizzabäcker bietet überhaupt keine Standard-Produkte an - der Verbraucher stellt sich jede Pizza selbst zusammen. Dabei zeigte sich, dass bestimmte Zutaten - wie Gemüse, das in Scheiben geschnitten werden muss - teurer zu Buche schlagen als etwa eine Extraportion Käse. Solche Daten beeinflussen die Preise.

6. Unternehmens- und Produktionssoftware: Klassisches Lieferketten-Management hält mit dem Trend zu individualisierten Produkten nicht Schritt. Entscheider brauchen Software, die individuelle Design-Features tracken und verarbeiten kann, also etwa in die Produktionsanweisungen einspeist.

7. Flexible Produktionssysteme: Wenn Massenproduktion individualisierte Produkte ermöglichen soll, braucht sie flexiblere Systeme. Als Beispiel gilt Ford. Der Autokonzern investiert in dynamisch programmierbare Roboter, die mit austauschbaren Werkzeugen arbeiten. Das soll den Wechsel zwischen verschiedenen Modellen und Varianten bei laufender Produktion ermöglichen. Ein langer Weg von der Tin Lizzie bis zum einzigartigen Lieblingsauto.

Die Konsumwelt wird bei der Customisierung noch weitergehen, so McKinsey. Die New Yorker 3-D-Druckspezialisten von Shapeway’s verbinden bereits Kunst und Handwerk: Nutzer können ein Gedicht einschicken - Shapeway’s zeigt, wie es als Vase aussieht.