Führungskompetenz und Führungsstil

Als Chef sollte man der Dümmste im Raum sein

31.08.2018 von Axel Rittershaus
Wer als Experte zur Führungskraft wird oder ein Unternehmen aufbaut, hat häufig enorme Ansprüche an sich selbst. Aber muss der Chef immer besser sein als das Team? Nein. Lesen Sie hier, warum.
Der Chef muss sich einfach den Druck nehmen, fachlich der Beste zu sein, seine Kunst besteht darin, das Team zu Höchstleistungen zu führen.
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Mit einem charismatischen und in allen technischen und geschäftsrelevanten Themen versierten Überflieger als Chef entstehen manchmal Unternehmen wie Apple. Doch es kann auch zum Bumerang werden und den langfristigen Erfolg des Unternehmens unmöglich machen. Dieser Artikel betrachtet, warum man als Chef der Dümmste im Raum sein sollte, wenn man mit seinen Mitarbeitern zusammensitzt. Ja, das meine ich ernst.
Wobei sich "dumm" auf die fachliche Expertise bezieht, nicht unbedingt auf die Geschäfts- und Führungsfähigkeiten.

Aber warum soll der Chef der Dümmste im Raum sein?

Ganz einfach.

Machen wir den Gegenbeweis: Stellen wir uns vor, der Chef sitzt mit seinen wichtigsten Mitarbeitern zusammen. Jeder Mitarbeiter ist für bestimmte Themen zuständig. Aber der Chef ist in all diesen Themen der Beste - oder er glaubt es zumindest. Dies kann zwei Gründe haben und die folgenden Konsequenzen mit sich bringen:

Der Chef stellt nur inkompetente Ja-Sager ein

Dann ist er in Wirklichkeit kein Chef, und erst recht kein Leader, sondern nur jemand, der Lakaien um sich versammelt, die seine Befehle ausüben und nicht mitdenken sollen. Das kann sogar für einige Zeit funktionieren. Aber früher oder später wird es zu einem Desaster führen. Wenn das Unternehmen wächst oder die Fähigkeiten des Chefs nicht mehr ausreichend sind, um mit geänderten Anforderungen der Kunden, des Marktes oder technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, dann gibt es auch im Unternehmen niemanden, der einspringen und aushelfen kann.

Denn Mitdenken oder anders als der Chef zu denken war nie gewünscht. Also haben es die Mitarbeiter entweder verlernt oder es wurden ohnehin keine Mitdenker eingestellt.

Der Chef hat jeglichen Bezug zur Realität verloren

Es könnte sein, dass dieser Chef - vor allem in Anfangszeiten - die größte Expertise besitzt. Gerade in Startups oder bei der Gründung neuer Bereiche ist dies oft der Fall. Doch wenn die eingestellten Mitarbeiter keine Idioten sind, dann werden sie schnell vom Chef und voneinander lernen. Irgendwann sind sie dann, zumindest in einzelnen Themen, besser als der Chef.

In dem Moment würde die Selbstüberschätzung des Chefs dazu führen, dass die Mitarbeiter bemerken, dass ihre Weiterentwicklung gar nicht gewünscht ist. Ein solcher Chef wird in aller Regel die Mitarbeiter unterdrücken, die seine Expertenstellung gefährden könnten - falls er nicht so selbstverliebt ist, dass er gar nichts von deren Entwicklung mitbekommt.

Interkulturelle Kompetenz in virtuellen Teams
Virtuelle Teams: Beziehungspflege
Von Projekt Beginn an sollten intensive "Kennenlern-Komponenten" eingeplant werden. Teammitglieder müssen die Möglichkeit erhalten, emotionale Verbindungen zu den Kollegen herzustellen. Es ist wichtig, dass Mitglieder für das geschätzt werden, was sie sind und nicht für das, was sie tun. Idealerweise geschieht das über ein Face-to-face Kick-off-Meeting. Falls das nicht möglich ist, wäre eine virtuelle Vorstellungsrunde etwa in Wikis oder per Videokonferenz angebracht. Dabei könnten Mitglieder beispielsweise ihre Interessen, Ziele und Visionen sowie persönliche Bilder untereinander austauschen.
Interkulturelle und virtuelle Teams führen
Fünf Tipps von der Expertin Carolin Schäfer, damit internationale Projektarbeit in virtuellen Teams zum Erfolg wird.
Virtuelle Teams: Klare Ziele
Es zahlt sich aus, zu Anfang genügend Zeit in die Klarstellung des Teamzwecks, der Rollenverteilung im Team und den Verantwortlichkeiten zu investieren. Aufgrund der Distanz bestehen schon ausreichend Unsicherheiten, die nicht noch zusätzlich mit Verwirrung und Ungewissheit angereichert werden sollten. Klare Ziele und Aufgaben, einschließlich der Festlegung von wem, bis wann und in welcher Art diese zu erfüllen sind, schaffen Fokus und Klarheit für alle Teammitglieder.
Virtuelle Teams: Berechenbarkeit
Unmodern, aber nicht wegzudenken: Ein klarer Ablauf und Berechenbarkeit der Teammitglieder sind kritische Erfolgsfaktoren für virtuelle Teams. Ungewissheit erzeugt Zweifel, Angst und Rückzug. Das Resultat ist ein demotiviertes und unproduktives Team. Der Nutzen von einheitlichen Team Tools, Vorlagen, definierte Prozesse oder festgelegte Kommunikationszeiten tragen zu einem klaren Ablauf und somit zu Berechenbarkeit bei. Teamleiter sollten leicht erreichbar sein sowie den Dreh- und Angelpunkt im Team darstellen.
Virtuelle Teams: Ablaufvereinbarungen
Operationale Ablaufvereinbarungen legen Methodik und Prozesse der Teamarbeit fest und sollten zu Beginn des Projektes gemeinsam definiert werden. Ablaufvereinbarungen bedarf es in der Regel für Planungsprozesse, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Koordination. Während virtueller Team-Meetings sollte der Teamleiter sich immer wieder Zeit nehmen zu prüfen, ob und wie gut die Ablaufvereinbarungen gelebt werden.
Virtuelle Teams: Aufmerksamkeit
Was bei Face-to-face-Teams selbstverständlich ist und in Kaffeeecken oder auf dem Flur vor dem Meeting informell passiert, sollten Manager von virtuellen Teams explizit einplanen, nämlich dass sie einzelne Teammitglieder auch außerhalb des offiziellen Meetings treffen. Jedes Mitglied sollte die Möglichkeit bekommen, mit dem Leiter persönliche Erfolge, Herausforderungen, Bedürfnisse und Wünsche zu besprechen. Die Distanz und die Technologien wecken leicht den Eindruck, dass Teammitglieder abstrakt und "ohne Gesicht" sind. Persönliche Aufmerksamkeit schafft Vertrauen, kostet wenig und bietet einen enormen Vorteil für jeden einzelnen im Team und letztlich für die gesamte Teamleistung.

Wie dem auch sei, wirklich gute Mitarbeiter werden eine solche Arbeitssituation nur für kurze Zeit mitmachen - und sich dann eine Firma suchen, in der ihre Expertise gefragt ist und sie sich weiterentwickeln können. Oder sie machen sich selbständig und dem ehemaligen Chef ordentlich Konkurrenz.

Das eigentliche Dilemma: Wenn Experten zu Chefs werden

In meinen Führungskräfte-Seminaren sitzen oft hervorragende Experten aus den Bereichen Entwicklung, Software, Recht oder Finanzen. Diese Personen wurden in ihre Führungsrolle befördert, weil sie ihren fachlichen Job wirklich gut machen und die einzige Möglichkeit der Förderung darin besteht, ihnen Personalverantwortung zu geben.

Diese Experten gehen meistens mit dem Glauben an ihre Führungsaufgabe heran, dass sie weiterhin über alles im Detail Bescheid wissen und die Besten sein müssen. Doch wer plötzlich zehn Software-Entwickler führt, die sich auf verschiedene Technologien konzentrieren und täglich damit arbeiten, der kann über kurz oder lang gar nicht mehr alles wissen. Er (oder sie) hat schlichtweg nicht die Zeit dazu.

Lesetipp: Die größten Anfägerfehler als Chef

Wenn wir also in den Seminaren über dieses Thema sprechen und den Führungskräften ihr Dilemma klar wird, fällt ihnen oft ein Stein vom Herzen. Denn viele leiden enorm unter dem selbst auferlegten Druck, immer besser als ihre Mitarbeiter sein zu wollen. Ja, es gibt Ausnahmen, die dazu in der Lage sind. Aber das sind die absoluten Ausnahmen und die haben es auch nicht leicht.

Sobald der Druck, als Chef der "Über-Experte" sein zu müssen, genommen ist, entsteht eine neue Frage. Eine Frage, die tiefer geht:

"Wozu braucht es mich als Führungskraft noch, wenn ich meinen Mitarbeitern nicht in jedem ihrer Themen direkt weiterhelfen und Lösungen liefern kann?"

Dass der Chef "fachlich" nicht immer der Beste sein muss, weiß auch Stromberg:

Was Führungskräfte von Sportcoaches lernen können

Diese Führungskräfte müssen dann ein neues Selbstverständnis und Rollenverständnis entwickeln.

Dazu greife ich immer auf das Beispiel des Sporttrainers zurück. Ob Fußball-, Hockey-, Tennis- oder Lauftrainer - keiner dieser Trainer wird besser sein als seine Athleten. Der Lauftrainer eines 100 m-Sprinters wird niemals so schnell sein wie der Sprinter und ein Fußballtrainer niemals so agil wie sein 100 Millionen Euro teuer Superstar. Dennoch werden für Fußball-Trainer Millionengehälter bezahlt.

Warum? Ganz sicher nicht, um den Jungs das Kicken beizubringen. Das können die im Schlaf. Sondern um das Beste aus ihnen herauszuholen. Um eine geeignete Taktik für das nächste Spiel zu bestimmen oder durch neue Teamzusammensetzungen neue Impulse zu setzen. Das ist die Aufgabe des Trainers.

Und wenn das Spiel richtig schlecht läuft, dann wechselt sich der Trainer auch nicht selbst ein. Er bleibt am Spielfeldrand.

Doch wie gerne wechselt sich eine Führungskraft selbst ein, wenn es um besonders herausfordernde Aufgaben geht oder das Team unter Druck steht! Wobei… Dies mag in Ausnahmefällen sogar richtig sein.

Doch viele Führungskräfte wechseln sich täglich ein und vernachlässigen dadurch ihre Führungsaufgabe, nämlich ihr Team und die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter zu entwickeln. Würden sie das jedoch tun, könnten sie ihrer wahren Aufgabe vom Spielfeldrand aus nachgehen.

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Wenn die Mitarbeiter besser als der Chef sind

Sorgt eine Führungskraft dafür, dass die Mitarbeiter um sie herum fachlich besser sind als sie, dann stellt sich die Frage nach ihrer Existenzberechtigung. Aber würde jemals eine Fußballmannschaft die Daseinsberechtigung ihres Trainers in Frage stellen?
Nein - Oder doch. In einem Fall…

Nämlich dann, wenn es dem Trainer nicht gelingt die Mannschaft voranzubringen, gute Strategien für das nächste Spiel zu entwickeln oder Spieler in die Schranken zu weisen, die ihren eigenen Erfolg über den des Teams stellen.

Eine Führungskraft sollte in einer Funktion Exzellenz zeigen: In der Führung!

Sie muss beispielsweise

  1. Durch gute Fragen und Perspektivwechsel den Experten auf dem Weg zur Lösung neuer Herausforderungen helfen

  2. Stärken und Schwächen der Experten wahrnehmen - sowohl fachliche als auch "weiche" Fähigkeiten wie Kommunikation, Kooperation oder respektvoller Umgang - und entsprechend fördern

  3. Ein für die aktuelle Aufgabe optimales Team zusammenstellen

  4. Den Überblick behalten und die Balance schaffen zwischen Tagesgeschäft und langfristigen Strategien

  5. Eine optimale Kommunikationszentrale sein, die sowohl wichtige Informationen vom Top-Management an das Team weitergibt, als auch Erkenntnisse und Vorschläge aus dem Team an das Top-Management kommuniziert

  6. Geschäftssinn und Mut haben, schwierige Entscheidungen zu treffen

Eine Führungskraft wird von ihrem Team dann geschätzt, wenn sie dem Team hilft besser zu werden und sich auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren zu können.

Die fachliche Top-Expertise der Führungskraft kann das Sahnehäubchen sein - sie ist aber im Vergleich zur Führungsfähigkeit deutlich untergeordnet.

Es gibt keine dummen Fragen

Haben Sie schon einmal in einem Gespräch oder Meeting genickt, während Fachbegriffe gefallen sind, obwohl Sie keine Ahnung hatten, was damit gemeint war? Aber Sie haben sich nicht getraut nachzufragen?
Nun, der "dumme" Chef hat damit gar kein Problem. Er fragt, wenn etwas unklar ist. Nach Abkürzungen und Fachbegriffen fragt er aber hoffentlich nur ein einziges Mal.

Aber oft stecken Experten so in ihrem Tunnel, dass sie die ganz offensichtlichen Dinge gar nicht wahrnehmen.

Ich arbeite als Executive Coach sowohl mit Geschäftsführern als auch Experten zusammen. Oft machen wir auch Strategieworkshops, in denen ich inhaltlich nur ein oberflächliches Verständnis habe.

Warum investieren diese Firmen dann viel Geld für Strategieworkshops mit mir, obwohl ich inhaltlich nur sehr wenig beisteuern kann?
Weil ich die dummen Fragen stelle.

Die Fragen, die sich entweder sonst keiner zu stellen traut oder aufzeigen, dass man auf Voraussetzungen aufbaut, die man endlich einmal zur Diskussion stellen sollte.

"Dumme" und enorm effektive Fragen sind:

  1. Warum… tun wir das/ sollen wir das tun/ tun wir das genau so?

  2. Warum nicht… ?

  3. Was würde passieren, wenn… ?

  4. Was wäre das Schlimmste, das passieren könnte, wenn wir… ?

  5. Wenn wir auf der grünen Wiese anfangen würden, dann… ?

  6. Wenn es leicht wäre, dann… ?

Unser Ego und unser Glaube, das Bild der unfehlbaren und allwissenden Führungskraft jederzeit aufrecht erhalten zu müssen, steht so oft dem Erfolg von Teams und Unternehmen im Wege. Und hindert uns daran, die Fragen zu stellen, die wirklich wichtig sind - deren Antworten aber unbequem sein könnten.

Sonderfall: Kleine Expertenteams

Einen Sonderfall gibt es noch, bei dem die Expertise der Führungskraft über die reinen Führungsfähigkeiten hinausgehen muss: Kleine Expertenteams.
In Expertenteams von zwei bis fünf Personen, in denen die Führungskraft selbst aktives Mitglied des Teams ist und die Führungsrolle zusätzlich zum Tagesgeschäft übernimmt, ist eine hohe fachliche Expertise zwingend erforderlich.

Die Führungskraft kann sich allerdings auch hier oft auf einzelne fachliche Aspekte konzentrieren und dort der Beste des Teams sein, während andere Teammitglieder andere Schwerpunkte haben, in denen die Führungskraft zwar sehr gute, aber nicht die besten Kenntnisse hat. Gleichzeitig muss sie aber auch ihrer Führungsrolle gerecht werden, insbesondere hinsichtlich Förderung der Mitarbeiter, Fokussierung auf die wichtigen Aufgaben und Kommunikation mit Vorgesetzten.

Für manche Führungskräfte ist dies genau die richtige Aufgabe - sie bleiben mitten im Geschehen und haben dennoch mehr Einfluß. Und für viele von ihnen sollte es auch dabei bleiben - denn sie wollen gar kein 15-Personen-Team führen und den Bezug zur inhaltlichen Arbeit verlieren. Einige wenige werden jedoch Geschmack an der Führungsarbeit entwickeln und sollten entsprechend durch Ausbildung, Coaching und eine langsam wachsende Führungsspanne vom Experten zum Leader entwickelt werden.

5 Gründe, warum man als Chef der Dümmste im Raum sein sollte

  1. Top-Talente und -Experten im Team können sich voll entfalten und herausragende Lösungen und Produkte entwickeln, weil sie die notwendige Freiheit und Förderung erhalten

  2. Das Unternehmen, der Bereich, das Team dieser Führungskraft wird zum Magneten für Talente und Experten, denn in den wenigsten Firmen können sich Top-Kräfte wirklich voll einbringen

  3. Der Druck auf die Führungskraft, selbst alle Lösungen liefern zu müssen, sinkt dramatisch und macht Energien frei, die in die Führungsarbeit gehen können

  4. Die Führungskraft kann sich auf strategische Themen konzentrieren und diese aktiv voranbringen

  5. Die Führungskraft hat Zeit, sich sowohl auf die Weiterentwicklung der Mitarbeiter als auch die eigene Weiterentwicklung zu konzentrieren, um für Führungsaufgaben der Zukunft vorbereitet zu sein (z.B. was bedeutet Digitalisierung und Automatisierung für den eigenen Bereich?)

Sicherlich ist deutlich geworden, dass es natürlich nicht darum geht, dumm zu sein, sondern darum, ein Team um sich herum aufzubauen, dessen Exzellenz ständig wächst und nicht durch die Führungskraft begrenzt, sondern gefördert wird.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Mitarbeiter und Teams um sich herum aufbauen und entwickeln können, die fachlich brillieren - während Sie dafür sorgen, dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal arbeiten können.