Alt und im Weg?

Altersdiskriminierung in der IT-Branche

13.01.2017 von Florian Maier und Preston Gralla
Im Silicon Valley ist 40 das neue 80, die Altersdiskriminierung greift immer ungezügelter um sich. Dabei muss das alles doch gar nicht sein.

Dass das Silicon Valley von einer eher monochromen "White-Bro"-Kultur dominiert wird, während Minderheiten und Frauen erheblich unterrepräsentiert sind, ist hinlänglich bekannt. Es gibt nun aber ein ernsthaftes Problem, das seit kurzem in den Fokus rückt: Die IT-Branche und die Technologie-Industrie im Allgemeinen sind von Altersdiskriminierung geprägt. Kurzum: Wenn Sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, brauchen Sie sich auf viele Jobs in dieser Branche gar nicht erst zu bewerben.

"Geht es um neue Ideen, sind Leute über 45 quasi tot"

Sie finden diese Behauptungen gewagt und völlig unbegründet? Beweise gibt es genug: Im Jahr 2007 sagte der damals 22-jährige Mark Zuckerberg bei einem Vortrag in Stanford beispielsweise: "Ich möchte betonen, wie wichtig es ist, jung und technisch begabt zu sein. Junge Leute sind einfach smarter."

Altersdiskriminierung: In der IT- und Tech-Branche an der Tagesordnung?
Foto: mrmohock - shutterstock.com

Natürlich hat Zuckerberg sich öffentlich längst von dieser Äußerung distanziert, allerdings verdeutlicht die Personalpolitik von Facebook, dass der CEO immer noch zu seinen Worten steht: Laut dem Personaldienstleister PayScale liegt das Durchschnittsalter der Belegschaft von Facebook bei 29 Jahren. Und der Social-Media-Riese ist kein Sonderfall: Auch bei LinkedIn liegt der Altersdurchschnitt bei 29, im Fall von Google und Amazon bei 30 Jahren und beim iPhone-Giganten Apple sind die Mitarbeiter im Schnitt 31 Jahre jung.

Facebook-Guru Mark Zuckerberg ist zudem bei weitem nicht der einzige Tech-Boss, der in Sachen Altersdiskriminierung verbale Vorstöße wagt. Auch der prominente Investor und Ex-Sun Microsystems Gründer und CEO Vinod Khosla lehnte sich mit folgender Äußerung aus dem Fenster: "Die Leute unter 35 sind diejenigen, die für den Change sorgen. Geht es um neue Ideen, sind Leute über 45 quasi tot."

Detecon über Innovationsfähigkeit
Studie "Geschäftsmodellinnovation - neue Wege für nachhaltigen Erfolg"
Gemeinsam mit der Universität zu Köln (Seminar für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement) hat der Berater Detecon die Studie „Geschäftsmodellinnovation – neue Wege für nachhaltigen Erfolg“ verfasst. Basis der qualitativen Analyse sind Expertengespräche.
Innovationsfähigkeit
Laut Detecon helfen Innovationsradare, neue Trends am Markt zu erkennen.
Geschäftsmodell-Entwicklung
Konzepte wie das Design Thinking bieten sich als Vorgehensmodell beim Entwickeln neuer Geschäftsmodelle an.
Frameworks
Methoden wie das Business Model Canvas bieten ein Framework für digitale Geschäftsmodelle.
Kreativität
Bei allen Bemühungen, Innovationsfähigkeit in Struktur zu bringen, stellt Detecon auch fest, dass Kreativität ein entscheidender Faktor bleibt. Auch die lasse sich aber mit geeigneten Techniken zumindest fördern.

Teil der Leistungsgesellschaft? Höchstens bis 35!

Der Journalist Noam Schreiber hat das Thema in einem Artikel für das US-Magazin "New Republic" analysiert - der Titel: "The Brutal Ageism of Tech". Für seine Arbeit interviewte Schreiber über einen Zeitraum von acht Monaten Dutzende Menschen. Sein Fazit zeichnet ein düsteres Bild vom viel gepriesenen US-Innovations-Mekka: "Das Silicon Valley ist einer der schlimmsten Orte in Amerika, wenn es um Altersdiskriminierung geht. Technische Koryphäen, die sich mit Hingabe dem Prinzip der Leistungsgesellschaft verschrieben haben, sehen scheinbar überhaupt kein Problem darin, die vermeintlich Altgewordenen zu verhöhnen."

Es gibt sogar Beweise dafür, dass Altersdiskriminierung im Silicon Valley nicht nur immer weiter um sich greift, sondern längst weiter verbreitet ist als die Diskriminierung aufgrund von Rasse oder Geschlecht. Eine Untersuchung von Bloomberg zeigt, dass im Zeitraum von 2008 bis 2015 in Kalifornien ganze 226 Beschwerden wegen Altersdiskriminierung gegen die 150 größten IT-Player eingereicht wurden. Im gleichen Zeitraum wurden 28 Prozent weniger Beschwerden wegen Rassendiskriminierung und 9 Prozent weniger Beschwerden wegen Geschlechterdiskriminierung registriert.

In einem aktuellen Fall von Altersdiskriminierung hatte sich der 54-jährige JK Scheinberg - ein ehemaliger Apple-Ingenieur, der den Intel-Prozessoren den Weg in das Mac-Portfolio ebnete - um einen Job in einer Apple Genius Bar beworben. Scheinberg, der sich bereits zur Ruhe gesetzt hat, ging davon aus, dass er gute Chancen auf die Anstellung hat - wer wäre schließlich besser geeignet, um den Kunden bei Problemen mit Apple-Produkten zu helfen?

Nach einem Gruppen-Interview mit zahlreichen Mitbewerbern, die ungefähr halb so alt waren, wurde Scheinberg mit den Worten "Wir melden uns" vertröstet. Auch nach Rückfrage zeigte die Company kein Interesse. Als er schließlich eine Einladung zu einer zweiten Bewerberrunde per E-Mail bekam, hatte er das Interesse an dem Job längst verloren - schließlich wollte er nicht für ein Unternehmen arbeiten, das ihn - für ihn ganz offensichtlich wegen seines Alters - ablehnt.

Dan Lyons, Tech-Journalist und Drehbuchautor für die populäre TV-Serie "Silicon Valley", kann bei diesem Thema wahrscheinlich mit der besten Innenperspektive aufwarten. Er arbeitete für 20 Monate beim Software-Anbieter HubSpot, sein Einstiegsalter lag damals bei 52 Jahren. Der Altersdurchschnitt des Unternehmens lag zu diesem Zeitpunkt bei 26 Jahren. In der Folge stellte Lyons fest, dass Altersdiskriminierung fester Bestandteil der Unternehmenskultur war.

Über seine negativen Erfahrungen schrieb er ein Buch mit dem Titel "Disrupted: My Misadventures in the Start-Up Bubble". In einem Online-Artikel gab er dazu kürzlich dieses Statement ab: "Die Lektion die ich gelernt habe ist, dass sich die Leute, die im Silicon Valley das Sagen haben, Lippenbekenntnisse leisten, wenn es um Rassen- und Geschlechterdiskriminierung geht. In Sachen Altersdiskriminierung geben sie sich nicht einmal mehr die Mühe, zu lügen."

Transparenz auch bei der Altersstruktur

Diese Probleme schreien geradezu danach, endlich angegangen und gelöst zu werden. Bevor das jedoch geschehen kann, müssten die IT-Unternehmen erst einmal zugeben, dass es überhaupt ein Problem gibt. Slack zum Beispiel veröffentlicht inzwischen auch Daten, die die Vielfalt des Unternehmens widerspiegeln sollen und erfasst deshalb zum Beispiel auch den LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender)-Anteil unter seinen Mitarbeitern (im Dezember 2015 lag dieser bei 13 Prozent). Damit wir uns nicht falsch verstehen: Diese Art der Transparenz ist absolut begrüßenswert. Aber wieso werden keinerlei Informationen und Daten über die Altersstruktur der Mitarbeiter erhoben beziehungsweise veröffentlicht?

Die IT- und Technologie-Branche muss sich dringend mit dem Thema Altersdiskriminierung auseinandersetzen und dieses Problem lösen. Solange das nicht der Fall ist, kann sich auch niemand ernsthaft als integrativ und vorurteilsfrei bezeichnen - egal, wieviel Aufwand und Ressourcen in die öffentliche Anprangerung von Vorurteilen aufgrund von Rasse und Geschlecht gesteckt werden.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation computerworld.com.