Per Post und Packstation

Amazon verkauft jetzt auch Lebensmittel

14.07.2010 von Hartmut  Wiehr
Im Juli ist Amazon in den Lebensmittelversand per Internet und Smartphone eingestiegen. Doch mit einer Kiste Frischwaren abends direkt vor die Wohnungstür wird es erst einmal nicht geben.
Amazon steigt in den Lebensmittelversand ein. Doch die Lebensmittelkiste kommt nur per Postbote oder per Packstation.

Während die Otto Group noch über den Einstieg in den Lebensmittelversand über das Internet "nachdenkt“ (siehe "Otto will Lebensmittel im Web verkaufen"), ist Amazon seit 1. Juli mit zunächst etwa 35.000 Produkten und Markenartikeln bereits auf dem Markt. Bücher sind schon längst nicht mehr das Alleinstellungsmerkmal von Amazon, auch wenn das noch so sehr im allgemeinen Bewusstsein verankert ist.

Amazon bietet schon seit Jahren mehr als bedrucktes Papier an – unter anderem Haushaltsgeräte, Fernseher oder Fotokameras und selbst Rechenpower und Cloud-Dienste aus den eigenen Rechenzentren. Damit ähnelt der einstige Bücherversender schon länger einem großen Waren- oder Versandhaus wie in Deutschland Neckermann, Otto oder die einstige Quelle.

Mit Büchern allein hätte Amazon trotz eines furiosen Starts in den Jahren des Internet-Booms und der anschließenden Internet-Krise nicht überlebt. Die meisten Buchkäufer ziehen es noch heute vor, in einen Laden zu laufen und sich dort vor Ort umzusehen. Egal, ob im kleinen Spezialbuchgeschäft oder in einem der großen Kettenläden mit seinen Sonderaktionen und Rabatten.

Nun also Lebensmittel. Das Angebot kann sich sehen lassen: Die über 35.000 Produkte unterteilen sich in 25 Kategorien, laut Amazon "von Fleisch und Fisch zu Früchten, Gemüse, von Süßigkeiten, Saucen, Marmeladen, Brot zu Wein, Kaffee und Tee“. Täglich sollen mehr Produkte hinzukommen. Es gibt vier sogenannte Spezialitäten-Shops: Tee und Kaffee, Bio und Fairtrade, Mediterrane Küche und Wein.

Wie auch schon bei anderen Marktbereichen arbeitet Amazon mit externen Anbietern zusammen, die ihr Sortiment über die Amazon-Plattform anbieten. Bei Lebensmitteln sind es derzeit über 60, darunter www.froodies.de, www.biowelt.de oder www.schuhbeck-gewuerze.de.

Post statt Direktversand

Gerade im Lebensmittelversand sind die Auslieferungsbedingungen von besonderem Interesse. Wer will schon tagelang auf das frische Gemüse warten? Amazon verspricht kostenlose Lieferung ab 20 Euro, mit den üblichen Amazon Services – also per Post. Auf einen eigenen oder gemieteten Direktversand bis an die Haustür, wie ihn zum Beispiel Coop in der Schweiz anbietet (siehe "Einkaufzettel mit dem iPhone verschicken"), verzichtet man. Dafür kann der Kunde den "Overnight-Express-Service“ für bestimmte, gekennzeichnete Produkte in Anspruch nehmen: Für eine Extragebühr von 13 Euro verspricht Amazon, am Folgetag innerhalb Deutschlands bis 12 Uhr auszuliefern.

Für Mitglieder von "Amazon Prime“ ist der Premiumversand kostenlos. Bei einer jährlichen Gebühr von 29 Euro werden alle Waren – auch Non-Food – am nächsten Tag ausgeliefert, für besonders Eilige kostet dann der Overnight-Express-Service bis 12 Uhr nur noch zusätzliche fünf Euro.

In Frankfurt und Berlin wird es laut Amazon einen „Evening-Express-Service“ geben: Wer vor 11 Uhr über das Web oder per Smartphone Lebensmittel und Getränke bestellt, kommt in den Genuss einer Lieferung noch am gleichen Tag bis 19 Uhr. Allerdings nur an die Packstation-Adresse bei der Post und nicht direkt an die Haustür.

Es bleibt abzuwarten, ob die potenziellen Kunden diese Amazon-Angebote annehmen. Solange es sich nicht um Frischwaren handelt, wird die leicht verzögerte "Direktlieferung“ keine besondere Rolle stellen. Immerhin muss man für bestimmte Güter keinen Laden mehr aufsuchen oder alles umständlich nach Hause schleppen.

Für frische Lebensmittel könnte Amazon zumindest als Türöffner für einen neuen Markt wirken: Am nächsten Tag, wenn der Postbote klingelt, muss jemand zu Hause sein, oder man muss den Umweg über die Packstation wählen. Richtig bequem für Berufstätige ist das noch nicht.