Microsoft und Citrix im Nacken

Angriff auf VMware

21.05.2010 von Hartmut  Wiehr
VMware ist klarer Marktführer bei Virtualisierung, vor Citrix, Microsoft und Parallels. Doch viele Anwender arbeiten noch ohne virtuelle Maschinen. Das ist die Chance für die Konkurrenten - und günstigere Lizenzen für Anwender.
Thomas Meyer Analyst, IDC "VMware muss beweisen, dass man die technologisch führende Company und den anderen immer ein paar Schritte voraus ist."

In der immer größer werdenden Welt der x86-Server liegt die durchschnittliche Auslastung gerade mal bei fünf bis 15 Prozent. Das ist eine maßlose und teure Verschwendung von Kapazitäten. Dagegen ist Virtualisierung bei Mainframes und großen Unix-Rechnern schon seit Jahrzehnten zu Hause und hat mit dafür gesorgt, dass die Auslastungsraten von 65 (Unix) bis 85 Prozent (Mainframe) reichen.

Man könnte meinen, dieser Umgang mit Ressourcen hätte gerade in Zeiten einer jetzt schon zwei Jahre andauernden Krise die Unternehmen massenhaft in die Arme von VMware und den anderen Virtualisierungsanbietern getrieben. Dem ist aber keineswegs so. Auf dem Gebiet der Server-Virtualisierung sind es in Westeuropa laut jüngsten IDC-Erhebungen gerade einmal 19,6 Prozent, die diese Technologie im Einsatz haben.

Bei Server-Virtualisierung wächst der Markt von 5,8 Milliarden Euro 2008 auf 66 Milliarden 2012. VMwares Anteil sinkt.

In Deutschland sind es sogar noch etwas weniger – davon ein großer Anteil nur für Test und Entwicklung. Selbst in den angeblich so technologiefreundlichen USA sind es erst 21,6 Prozent. Angesichts dieser Zahlen klingen Aussagen der Server-Hersteller und der Anbieter von virtuellen Maschinen, dass Virtualisierung ein mächtiger Trend sei, der praktisch alle Unternehmen erfasst habe, doch eher wie Beschwörungsformeln.

Microsoft wird mit Hyper-V zulegen

Unbestritten ist, dass VMware derzeit der eindeutige Marktführer bei Virtualisierung ist, vor allem beim wichtigsten Segment, der Server-Virtualisierung. Die Zahlen der Marktforscher variieren für das Jahr 2009 um die 90 Prozent. Eindeutigkeit besteht aber auch darin, dass Microsoft mit Hyper-V größere Marktanteile erringen wird - für 2010 geht man bereits von mindestens 30 Prozent aus. Wer nur auf diese Zahlen schaut, sollte jedoch nicht übersehen, dass gleichzeitig der Anteil der Unternehmen, die Virtualisierung neu einsetzen, beständig anwächst. Das bedeutet: Selbst wenn VMware Marktanteile in Prozent verlieren sollte, steigt die Anzahl jener Unternehmen, die VMware-Produkte in der einen oder anderen Form einsetzen.

Erstaunlicherweise erklärt VMware sogar die Phase der Konsolidierung der x86-Landschaften durch virtuelle Maschinen (VMs), die auf weniger physikalischen Servern laufen (nach IDC im Durchschnitt 6,7 VMs pro "echtem" Server), schon für beendet. Diese VMs laufen auf weniger physikalischen Servern, laut IDC sind es im Durchschnitt 6,7 VMs pro "echtem" Server. Jetzt gehe es in einer neuen Etappe um weiter fortgeschrittene Technologien wie Vmotion, mit der VMs zwischen verschiedenen physikalischen Servern verschoben werden können, oder um alternative Backup- und Disaster-Recovery-Szenarien. VMware wirft immer neue Varianten und Erweiterungen auf den Markt.

VMware gegen Microsoft

Man kann diese Strategie des Marktführers durchaus als Flucht nach vorn interpretieren, denn Microsoft verteilt seine Virtualisierungsssoftware Hyper-V inzwischen zusammen mit dem Windows-Betriebssystem. VMware-Lizenzen sind dagegen teuer. Der Analyst Thomas Meyer von IDC kommt zu dieser Einschätzung: "VMware muss angesichts der sich verstärkenden Konkurrenz am Markt beweisen, dass man die technologisch führende Company und den anderen immer ein paar Schritte voraus ist." Die Konkurrenz werde gerade im Einstiegsbereich größere Marktanteile gewinnen, da es inzwischen ausgereifte Lösungen einschließlich Management-Tools gebe.

IDC-Mann Meyer: "Die Konsolidierungsphase bei Virtualisierung ist nur für jene Unternehmen vorbei, die sich schon länger mit dieser Technologie befassen. Bei ihnen gibt es ein Interesse, das Spektrum von Virtualisierung zu erweitern." Daneben bestehe aber noch ein großes Potenzial an Unternehmen, die erst anfangen, sich für Virtualisierung zu interessieren.

IBM, HP oder Oracle arbeiten intensiv an integrierten Plattformen zur Verwaltung von Hardware, Applikationen und Virtualisierung. Damit nutzen sie eine Schwäche von VMware, wo man sich derzeit ausschließlich auf Virtualisierungsangebote beschränkt und das Hardware-Management ausschließt.

Storage-Virtualisierung, bei der es um Pools aus heterogener Speicherhardware geht, wird bisher von den Anwendern noch weniger angenommen als die Konsolidierung bei x86-Servern. Interesse findet sie bei Unternehmen mit einem Storage Area Network (SAN), bei dem Produkte unterschiedlicher Hersteller miteinander verbunden werden sollen. Nachteile sind die hohen Kosten und ein Lock-in bei einem der großen Anbieter solcher letztlich proprietären Ansätze.

Zweikampf bei Desktop-Virtualisierung

Desktop-Virtualisierung findet eine deutlich größere Resonanz. Vor allem Citrix und Microsoft treiben sie voran: Beide verfügen über Expertise bei Thin-Client-Umgebungen, die sich aber wegen Übertragungsproblemen in den Netzwerken nicht durchsetzen konnten. Laut IDC bieten virtuelle Desktops Unternehmen jetzt die Chance, sich aus den PC-Erneuerungszyklen zu verabschieden. Einfachere Verwaltung und Sicherheitsaspekte spielen eine weitere Rolle.

Für Unternehmen, denen es ernsthaft um Kosten- und Energieersparnis geht, führt kein Weg an Virtualisierung vorbei. Bei Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen wie kontinuierlichem Monitoring und Performance-Kontrolle der Prozessorleistung kann die Anzahl der physikalischen Server drastisch gesenkt werden. Auch wenig genutzte Server verbrauchen Grundenergie. Laut Untersuchungen von Gartner können bei effektiver Umsetzung von Virtualisierung bis zu 82 Prozent an Energie und bis zu 85 Prozent bei der Stellfläche im Rechenzentrum eingespart werden.

Was vor allem VMware an der langen Leine der Muttergesellschaft EMC in Gang gesetzt hat, ist auf dem Weg, die IT zu revolutionieren. Einschließlich der Anbieter von Hardware und Software, die alle ihren Anteil am Kuchen haben wollen und permanent neue Komplettlösungen vorstellen. Bei EMC scheint man gemerkt zu haben, dass die Zeiten für die Tochter härter werden: Ende Februar hat man einen Teil der unter dem Brand Ionix zusammengefassten Management-Werkzeuge an VMware weiterverkauft.

Für Analyst Meyer von IDC ist das gut für Anwender: "Für die Unternehmen hält die Entwicklung ein positives Element bereit: Die Hersteller sind gezwungen, immer mehr optimierte Virtualisierungsangebote vorzulegen, die Installation und Management stark vereinfachen." Und die Lizenzpreise für einige Virtuali-sierungsprodukte werden unter dem Druck der Konkurrenz sinken. Das ist nicht mehr aufzuhalten.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.